Hotel Fatal:Hotelnamen und was sie bedeuten

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Es ist fast egal, wo man sich befindet: In einem "Gasthof zur Post" oder einem "Hotel Esplanade" erwartet den Besucher doch immer dasselbe.

Max Scharnigg

Gasthof zur Post In nahezu jedem Weiler über 400 Seelen gibt es ein "zur Post". Ein "Hotel zur Bahn" oder das "Hotel zur Telekom" sucht man hingegen vergeblich. Das liegt natürlich daran, dass deren Unternehmens-Vorfahren dereinst kein Postkutschen-System mit angeschlossener Herberge unterhielten. In die gleiche Klasse wie das "zur Post" gehören übrigens auch alle Kombinationen aus Ortsname und Hof, also: Freisinger Hof, Tutzinger Hof et cetera.

(Foto: Foto: dpa)

Das durchschnittliche "Hotel zur Post" trumpft vor allem mit einem großen, im Farbton "Dunkelbier" verholzten Saal auf, in dem die Treffen des Schützenvereins und Hochzeiten mit etwa derselben Klientel stattfinden. Geranien an den Fenstern und das Gutsherrenpfandl auf der Speisekarte gehören zum Standard des Hauses.

Der Hotelbetrieb beschränkt sich meist auf ein paar saubere Zimmer, zu denen durchaus noch Fremdenzimmer gesagt werden darf und in welche vorwiegend die Gäste ebenjener Dunkelbier-Hochzeiten einquartiert werden. Im Keller lauert gelegentlich auch noch eine Bundeskegelbahn, die von einem mürrischen Oberkellner mit schwarzer Weste in Betrieb genommen werden muss.

Hotelpension Bergkristall Das ist der Prototyp der alpin geprägten Durchschnittspension. Ihm entsprechen auch sämtliche auf "-blick" endenden Häuser, also Tauernblick, Arberblick et cetera. Es erwartet den Gast in den meisten Fällen eine solide Vintage-Hotellerie: Tischmülleimer beim Frühstück, Zimmerschlüssel mit Mini-Abrißbirnen, Tischtuchgewichte in Erdbeerform auf der Terrasse, auf der auch nur Kännchen serviert werden - all das ist hier wie in einem Gastro-Biotop erhalten. Und das Kaffeekännchen wird natürlich von einer blassen und näselnden Kellnerin gebracht, die als Saisonkraft und gegen ihren Willen zuvor in alpenferner Region eingefangen wurde.

Komfortmäßig gibt man sich reduziert, was die steinalten Stammgäste aber entweder gerade schätzen oder ihnen gar nicht auffällt. Ein Sprung im Waschbecken ist allerdings obligatorisch. Als Entschädigung gibt es dafür den Bergblick vom schwer verschnitzen Balkon aus und irgendein Wanderweg geht auch immer direkt am Haus vorbei. Hunde sind hier willkommen und den VW Jetta mit abgewetzter Hutablage kann man auf dem Parkplatz mit dem Schild "Hausgäste Pension Bergkristall" abstellen.

Hotel Belvedere Der typische Name für ein abgewracktes Altstadthotel. Gleichzusetzen sind ihm noch die Namen Bellevue, Esplanade und alles was einen Adelstitel im Hotelnamen trägt. Das Konzept besteht hier darin, vermittels eines Kronleuchters in der Lobby, einigen bröckelnden Ölgemälden im Gang, viel Goldspray und jeder Menge rotem Teppich über den dringenden Renovierbedarf hinwegzutäuschen.

Lesen Sie auf der nächsten Seite, warum sich ältere Ehepaare aus der Provinz gern in Designhotels einquartieren.

Williges Publikum für diese Kulisse sind amerikanische Rucksacktouristen und Busreisegruppen aus Asien, die sich mit ein bisschen Schauder einreden können, dass tatsächlich schon Beethoven hier auf Orangensaft-Nachschub am Frühstücksbüffet gewartet hat.

(Foto: Foto: privat)

Andere gefällige Highlights sind der Aufzug, in dem auch schon Marika Rökk steckengeblieben ist, sowie die klassische Portierklingel aus Messing, deren glockenheller Ton noch nie ein Ergebnis gezeitigt hat. Wenn es gut läuft, gibt es auch noch einen legendären, singenden Koch, der aber leider immer gerade auf Reha ist. Rauchen in den Zimmern ist hier erlaubt, Brandlöcher in der Tapete folgerichtig auch.

Artotel Q-type So klingt Design! Dazu gehören auch noch alle Hotelnamen, die kleingeschriebene Hauptwörter enthalten und solche, die eine verstörende Ziffer im Namen tragen: 456 Rooms, The 13 et cetera. Derlei ist sicheres Indiz für ausufernde Kreativität. Mindestens erwarten darf der Gast hier einschüchternd gut aussehendes Personal, dessen einziges Einstellungskriterium das Passen in die grauen Slim-fit-Uniformen war.

Diese Angestellten sprechen außerdem einen schwer verständlichen Trend-Akzent und tragen auch im Restaurant ihre Headsets mit Stolz. Zur allgemeinen Auflockerung ist die Rezeption jeden Tag woanders und das Frühstück wird in Filzbeuteln an die Zimmertür gehängt und zwar erst um 14 Uhr.

Die Gäste sind vornehmlich kühne ältere Ehepaare aus der Provinz, die sich einen dollen Jux in der Großstadt machen wollen oder japanische Punks. Beim Zähneputzen können sie sich selber in einem LCD-Schirm beobachten, auf der Minibar stehen Kondome und diese Knabbereien, nach denen man sich fühlt, als hätte man Seifenflocken gegessen.

The Prescot Connect-Inn-Aiporthotel So heißt das gemeine Businesshotel, es begnügt sich aber auch gerne nur mit dem Namen der Hotelkette + Airport. Hier geht W-Lan und klimatisierter Konferenzraum vor Humanismus und streichfähiger Butter. Unverzichtbar sind in diesen Hotels die vielen Stahlrohrsessel in der Lobby, in denen nie jemand gerne sitzt, weil sitzen so undynamisch wirkt.

Den Zutritt zu den Aufzügen erschweren die Dauer-Messestände großer Automobilhersteller, die ihre aktuelle Top-Karosse hier aufbocken. Das ist für die Geschäftsleute etwa genauso leistungsfördernd, wie die Karotte, die man dem Esel vor die Nase hält. Falls bei der Gattin daheim ein Aufmerksamkeitsdefizit prognostiziert wird, gibt es auch Vitrinen mit Tüchern aus Paris. Im Aufzug selber wird hier entweder stumm verglichen, wer die saubersten Schuhe hat oder geschielt, wer bis in den 17. Stock fährt - wo die großen Suiten sind.

Das Personal ist servil, vor allem seit die Geschichte vom 100-Euro-Trinkgeldschein kursiert. Das Restaurant garniert alles mit Zitronengrasstängeln und der Porno-Kanal wird auf der Rechnung dezent als Zimmerservice verbucht. Unverzichtbar sind die vier Fahnen, die vor dem Haus sinnlos aber potent im Wind wehen und deren unentwegtes Klingklong für eine unruhige Nacht bürgt.

Max Scharnigg, 28, arbeitet als Journalist in München und ist Mitglied der jetzt.de -Redaktion der Süddeutschen Zeitung . Seine Wochenenden verbringt er am liebsten in interessanten Hotelzimmern mit Bad oder Dusche.

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