"Hotel Del" in San Diego:Ein Ort wie eine Kulisse

Das hätte ein Bühnenbildner nicht besser zeichnen können: Blaues Meer, weiße, lange Strände, strahlender Sonnenschein. Und ein Luxushotel, in dem ein Filmklassisker gedreht wurde.

Verena Wolff

1888 war ein ganz besonderes Jahr in San Diego. Denn ganz am Ende dieser südlichsten Stadt in Kalifornien wurde ein Hotel eröffnet, das seinesgleichen im noch vergleichsweise wilden Westen der USA suchte. Zu dieser Zeit war Kalifornien schließlich noch durch zahlreiche wilde Territorien von der kultivierten Ostküste getrennt.

"Hotel Del" in San Diego: Schicke Häuser entlang der Strände gehören in San Diego zum Bild - ebenso wie gut trainierte Surfer in schwarzem Neopren.

Schicke Häuser entlang der Strände gehören in San Diego zum Bild - ebenso wie gut trainierte Surfer in schwarzem Neopren.

(Foto: Foto: Verena Wolff)

Nicht nur der Goldrausch zog die Menschen in den Westen - auch Urlauber zog es schon an den Pazifik. Nur 15 Meilen ist Amerikas siebtgrößte Stadt von der mexikanischen Grenze entfernt - und gehört zu den klimatisch feinsten Orten, die der Kontinent zu bieten hat. Hurricans und andere Wirbelstürme kennen die Westküstler nicht. Auch die gelegentliche drückende Schwüle der Südstaaten ist dieser US-Seite fremd.

Erdbeben, aber keine Schwüle

"Hier gibt's höchstens mal ein Erdbeben", sagen die Einheimischen heute trocken. Denn die Erdplatten, die fernab im Meer gegeneinander reiben und für so manchen verheerenden "Shaker" in San Francisco verantwortlich sind, könnten auch rund 600 Meilen weiter südlich schwere Schäden anrichten. Und trotzdem: die etwa 300 Sonnentage im Jahr und die sommers wie winters angenehmen Temperaturen hatten auch schon vor gut einem Jahrhundert ihren Reiz.

Und dennoch muss allein die Reise in den Westen ein Abenteuer gewesen sein, damals, vor 120 Jahren. Sieben Tage hat sie gedauert, mit dem Zug durch die Prärie. Die Oberschicht verließ ihre feinen Häuser an der Ostküste, um das andere Ende des Landes zu erkunden. Und um zu sehen, was fast eine Sensation war zu dieser Zeit: Das Hotel del Coronado.

Die reichsten Besucher kamen in dieses Schmuckstück am Pazifik mit ihren eigenen Eisenbahnwagen. Eigene Gleise führten bis auf das Hotelgelände - Luxus bis zu den letzten Metern.

Eine Herberge für die Reichen und Berühmten

Damals war das Hotel eine der besten Adressen - und im Gegensatz zu vielen anderen berühmten Herbergen ist es das heute wieder und immer noch.

Zwei Geschäftsmänner aus dem Mittleren Westen hatten die richtige Idee, als sie Mitte der 1880er Jahre nach San Digo kamen. Elisha Babcock und Hampton Story kauften die kaum entwickelte Halbinsel Coronado, teilten das Land, verkauften es wieder und bauten mit dem verdienten Geld das, was in der gesamten westlichen Welt Schlagzeilen machen sollte.

Ein Ort wie eine Kulisse

Fischen und Jagen konnten die Herren der Gesellschaft dort, aber das war noch lange nicht alles: Bowling, Croquet, Schwimmen, Radfahren, Bogenschießen, Polo, Golf und nicht zuletzt "fine dining", gutes Essen, boten der distinguierten Kundschaft alles, was sie sich nur wünschen konnte. Der Chefkoch hatte sogar für das erlegte Getier spezielle Rezepte und bereitete es frisch zu.

"Hotel Del" in San Diego: Das Hotel Del hat viele Fans - in Amerika und der ganzen Welt.

Das Hotel Del hat viele Fans - in Amerika und der ganzen Welt.

(Foto: Foto: Hotel del Coronado)

Nahezu sensationell zu dieser Zeit: Das Hotel konnte mit Elektrizität aufwarten, mit Telefonen und mit Fahrstühlen. Das war der wahre Luxus. Und noch etwas hatte die Edel-Herberge: Wasserdruck. In jedem Zimmer gab es ein eigenes Bad - damals durchaus keine Selbstverständlichkeit.

Die Zeiten änderten sich, auch an der kalifornischen Südküste - und mit ihnen die Gäste: Mit den "Roaring Twenties" kamen Frauen mit eigener Meinung und gelüpften Röcken. "Die ganze Dekade war eine einzige Party im Hotel", sagt Sprecherin Lauren Ash Donoho. Charlie Chaplin ließ sich am Strand von Coronado sehen, ebenso zahlreiche Stars und Sternchen aus dem nahe gelegenen Hollywood.

Die Filmindustrie blühte

Denn auch, wenn sich die Weltwirtschaftskrise und mit ihr die Depression überall im Land bemerkbar machte - die Filmindustrie blühte und gedieh prächtig. Zahlreiche Streifen wurden in dem Hotel gedreht, das komplett aus Holz gebaut wurde - zu wahrer Unsterblichkeit kam die Herberge mit den markanten roten Dächern aber erst nach dem Zweiten Weltkrieg. Zu dieser Zeit zog Billy Wilder in die "Grand Lady by the Sea" - und mit ihm Marilyn Monroe, Jack Lemmon und Tony Curtis.

Ein bisschen heruntergekommen war das Hotel - nach einer schweren Zeit während des Krieges und in der Zeit danach, als die Amerikaner nichts Altes mehr wollten, sondern "Fernsehen, schicke Autos und Motels". Und dennoch strahlte das Hotel etwas aus, das vielen anderen fehlte - "einen Zauber", wie Wilder sagte.

Dieser Zauber übertrug sich offenbar direkt auf die drei Stars des Nachkriegsamerika in ihrer flotten Verwechslungskomödie "Manche mögen's heiß", die das American Film Institut zur besten Komödie aller Zeiten erkoren hat. "Die markante viktorianische Architektur gab eine perfekte Kulisse für den Streifen, der im Jahr 1929 spielt", sagt Donoho.

"Wir sind weit gereist und haben viele Orte besichtigt", erzählte Regisseur Wilder in einem Interview. "Aber dies war der einzige Ort, an dem sich in den vergangenen drei Jahrzehnten nichts geändert hatte." Menschen, die dieses Hotel nicht gesehen hatten, glaubten nicht, dass es sich dabei nicht um Filmkulissen handelte. "Es war so, als sei die Vergangenheit wieder lebendig geworden", schwärmte der Regisseur.

Ein Ort wie eine Kulisse

Auch die Darsteller passten bestens in das luxuriöse, allerdings etwas angestaubte Ambiente: Marilyn Monroe kam zusammen mit ihrem Mann, dem Schriftsteller Arthur Miller und brachte neben ihrer Lehrmeisterin Paula Strasberg eine Sekretärin und eine eigene Sprecherin mit. Auch die Ehefrauen von Curtis und Lemmon, Janet Leigh und Felicia Farr, ließen es sich am feinen Strand gut gehen.

"Hotel Del" in San Diego: Marilyn Monroe soll vor dem Live-Publikum am Strand von Coronado zu Höchstform aufgelaufen sein.

Marilyn Monroe soll vor dem Live-Publikum am Strand von Coronado zu Höchstform aufgelaufen sein.

(Foto: Foto: Hotel del Coronado)

Monroe, das Sexobjekt jener Zeit, war zwar hübsch anzusehen - aber äußerst schwierig, wenn man den Erzählungen der Kollegen Glauben schenken darf. Vor allem die Unfähigkeit, sich Text zu merken, war legendär. Allerdings: während der Dreharbeiten am Pazifik soll die schöne Platinblonde vergleichsweise zahm gewesen sein. Regisseur Wilder meint, das habe mit den zahlreichen Zuschauern zu tun gehabt, die sich immer wieder am Drehort einfanden. Die Monroe liebte ihr Live-Publikum.

Doch nicht der gesamte Film um die beiden Musiker, die sich in Frauenkleider gewandet vor dem Mob retten wollen und dabei die Liebe finden, wurde auf der Halbinsel Coronado gedreht. "Sämtliche Innenszenen sehen zwar sehr nach "Del" aus, wurden aber im Studio gefilmt", sagt Donoho. Die Schauspieler waren nur etwa eine Woche im Hotel - auch wenn das Exterieur die Bilder dominiert.

Bis heute erscheint das Hotel Del immer wieder in Kino- und Fernsehproduktionen - und bis heute ist es eine der meistbesuchten Herbergen an der kalifornischen Küste. Denn Sommer, Sonne, Sonnenschein - das genießen alle, die dort leben oder im Urlaub in San Diego sind.

Das Leben in der Sonne

Und was bietet die Stadt unweit der mexikanischen Grenze sonst noch? Ein Großteil des Lebens findet draußen statt: am Strand, auf dem Surfbrett, auf den Rollerblades oder den Beach Cruisern. Im Februar genauso wie im November.

Denn zu dem wohltemperierten Wetter kommen mehr als 100 Kilometer feinster Sandstrand - das ist auch für kalifornische Verhältnisse ein Superlativ. Der Pazifik ist beständig kühl - weswegen zum Wellenreiten gleich der Neoprenanzug mit verliehen wird.

Das Surfen ohne Segel ist Volkssport entlang der Küste - an den Stränden im Großraum Los Angeles genauso wie eben hier, ganz im Süden. Morgens, mittags und abends - junge und nicht mehr ganz so junge Frauen und Männer mit schwarzer Schutzhaut suchen zu allen Tageszeiten nach der perfekten Welle in den Fluten des Pazifiks.

Viele fahren einen Pickup, damit sie das Surfbrett auf der Ladefläche unterbringen können. Andere haben ihr Fahrrad so umgerüstet, dass sie das Board an der Stange befestigen können. Und manche Ecken gibt's, da treffen sich morgens die Surfer, die sich gleich nach der schnellen Dusche am Strand das frisch gebügelte Hemd und den Anzug überstreifen und aus den Fluten in ihre Büros fahren.

Aber nicht nur Surfen hat einen hohen Stellenwert in der Stadt, in der die amerikanische Marine überaus präsent ist: Rund 160.000 Menschen in der Region haben mit dem Militär zu tun, als Soldaten und Angestellte. Die "Naval Base Coronado" ist neben Norfolk in Virginia die größte US-Marinebasis. Die Seestreitkräfte sind sicher mit dafür verantwortlich, dass San Diego zu einer der Boomtowns der USA gehört.

Alte Stadtkerne und Juwelen

Heute erstreckt sich San Diego über ein riesiges Gebiet. Die Strandviertel Mission Beach und Pacific Beach liegen nördlich der "Old Town" und der heutigen Innenstadt. Viele Studenten leben dort, aber auch alle, die es nicht so gediegen haben wollen wie im nördlich angrenzenden "La Jolla". Das "Juwel" ist eigentlich eine eigene Gemeinde mit rund 24.000 Einwohnern - doch für San Diego ist es Nobelvorort und Künstlerkolonie gleichermaßen.

Zu den Oasen der Stadt, die keinen internationalen Flughafen hat, gehört der Balboa Park. Dort gibt es nicht nur eine der größten Ansammlungen von Museen in den USA und den weltbekannten "San Diego Zoo". Die etwa 5,6 Quadratkilometer große Anlage ist auch die grüne Lunge der Stadt. Südwestlich des Parks sind die Straßenzüge, die für das San Diego der Goldrauschzeit stehen.

"Hotel Del" in San Diego: Laufen, Rollen und immer wieder Surfen - in San Diego lebt man draußen.

Laufen, Rollen und immer wieder Surfen - in San Diego lebt man draußen.

(Foto: Foto: Verena Wolff)

"Gaslamp Quarter" heißt das Areal heute - obwohl es dort früher nie Gaslaternen gegeben hat, wie Dan Flores, einer der Geschäftsführer der "Gaslamp Quarter Association", sagt. Dafür Kneipen und Opiumhöhlen, die Prostitution lief im späten 19. Jahrhundert auf Hochtouren: "120 Bordelle gab es in dem Viertel, das man damals Stingaree nannte", sagt Flores. Wyatt Earp, der legendäre Sheriff von Dodge City, war hier Saloon- und Spielhöllenbesitzer.

Aber auch das florierende Rotlichtviertel kam in die Jahre und verfiel. Erst vor gut 30 Jahren gründete sich eine Initiative, die die historischen Straßenzüge retten wollte. Geworden ist daraus ein schickes In-Viertel mit kleinen Geschäften, Theatern, Bars und Restaurants. Und mit vielen schrägen Typen, die allerlei Ideen mitbringen. So wie einst Elisha Babcock und Hampton Story, auf der Halbinsel Coronado.

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