Hotel Atlantic in Hamburg:Hanseatisch im besten Sinne

Das Atlantic ist nicht nur ein Hotel, es ist ein Wahrzeichen Hamburgs. Lange Zeit ging es abwärts mit dem geschichtsträchtigen Haus an der Außenalster. Nun erstrahlt es in neuem Glanz und erzählt viel über den Stolz der Hansestadt.

Charlotte Frank

Nein, man kann im Atlantic nicht von Gardinen sprechen, die sich morgens öffnen. In diesem Haus geht der Vorhang auf, draußen, vor den raumhohen Fenstern, wird großes Theater gegeben: Wie hingemalt liegt da die Außenalster in der Augustsonne, ein tintenblauer Teppich mitten in der Stadt, und glitzert. Ruderboote flitzen über die prächtige Kulisse wie spitze Pfeile, Segel blähen sich elegant im Wind, und vor dem Hotel, wo die Außen- in die Binnenalster übergeht, drosseln die Alsterdampfer und die Schwäne im Vorbeiziehen ihr Tempo. Als würden sie ehrfürchtig grüßen. Die Grande Dame ist zurück, endlich.

Das weiße Schloss" hatten sie das Hotel Atlantic einst genannt in Hamburg, aber der Ruhm verging, platzte von dem Luxushotel ab wie der Putz von seiner alten Fassade. Zu viele Jahre hatten die Eigentümer die Sanierung hinausgeschoben, hatten sie sich im Ruf gesonnt, den das Atlantic wegen seines Namens noch genoss - aber nicht mehr wegen seines Aussehens. Da wellten sich die Teppiche wie kabbeliges Wasser, da gammelten Bäder in Braun-Beige gesprenkelt vor sich hin, da stand peinliche Dekoration herum, die schon Ende der Achtziger ihre beste Zeit hinter sich gehabt haben dürfte. Aus der Grande Dame war eine abgetakelte Tante geworden, die mit schlechter Schminke und billigem Parfum versuchte, ihr Alter zu verdecken.

Aber es blieb nichts verdeckt: 2006 ließ sich das Atlantic nicht erneut zertifizieren, seine fünf Sterne samt Zusatz "superior" wurden ihm aberkannt. 2009 wurde es nach 17 Jahren aus der internationalen Marketing-Gesellschaft "The Leading Hotels of the World" ausgeschlossen; eine Wiederbewerbung plant das Haus bis heute nicht. 2010 erstickte dann auch noch Miteigentümer Dieter Bock in seinem eigenen Hotel an einem Steak. Derweil verzögerte sich die Renovierung, die ursprünglich Ende 2009 abgeschlossen sein sollte, Jahr um Jahr. Es war mehr als Kritik, die das Atlantic daraufhin einstecken musste. Es war Häme. Wie immer, wenn einer fällt, der ganz oben war.

Seit 2011 wieder mit allen Sternen

Aber jetzt ist das Hotel wieder da: ganz oben, seit September 2011 wieder mit allen Sternen samt "superior". Das hat eine Bedeutung weit über die Hotelbranche der Stadt hinaus. Es hat Bedeutung für die Menschen in Hamburg. "Das Atlantic ist ein Wahrzeichen für die Tradition unserer Stadt", so hat es Bürgermeister Olaf Scholz vergangene Woche beim Sommerfest des Hotels gesagt. Er hat dafür viel Applaus bekommen. Dann sind die Gäste in die Etagen geströmt, in die Zimmer und Suiten, in die Gänge, die aussehen wie die breiten Flure nobler, alter Kreuzfahrtdampfer.

Sie riechen auch so. Nicht nach schwerem Parfum oder süßer Seife, wie so oft in deutschen Hotelgängen. Sondern ganz leicht, nach Bootshalle. Nach feuchtem Holz und poliertem Messing und geöltem Leder. Alles im Atlantic hat irgendwie mit dem Wasser zu tun und mit seiner Weite und Größe; überall verstecken sich alte Geschichten. Auch wenn jetzt alles neu ist.

Institution für die Hamburger

Zweieinhalb Jahre lang wurde das Atlantic renoviert, für 25 Millionen Euro, bei laufendem Betrieb. Erst der linke Flügel, dann der rechte. Die Gäste wurden immer jeweils dort untergebracht, wo gerade nicht gehämmert und gebohrt wurde, Staub und Dreck passen so schlecht in ein Grand Hotel. Das Haus wurde komplett entkernt, bis auf die tragenden Wände alles herausgerissen. Manches wurde hinterher wieder hineingestellt, zum Glück.

Da ist zum Beispiel dieser alte Teppich im Treppenhaus, blau mit einer großen Weltkugel in der Mitte. So gründlich ist er aufgearbeitet worden, man könnte ihn für neu halten - wäre da nicht dieser kleine topografische Schnitzer: Großbritannien fehlt. Das ganze Königreich, einfach im Teppichmeer versunken. "Das Hotel wurde 1909 gebaut", erklärt Hoteldirektor Peter Pusnik, mitten im deutsch-britischen Flottenwettrüsten. Da habe man die Insel bei der Innenausstattung lieber abbestellt.

Was auf den Meeren passierte, hatte immer eine zentrale Rolle für das Hotel Atlantic, das ursprünglich als An- und Abfahrtsstelle für Passagiere der Transatlantik-Luxusliner errichtet wurde. Vier Kontinente wurden einst von Hamburg aus angesteuert, Amerika, Asien, Afrika, Europa - die neue Inneneinrichtung des Hauses knüpft in jeder Etage mit verschiedenen Farb- und Dekorelementen an die herausragenden Stilepochen dieser vier Erdteile an.

Zimmer 324 im dritten Stock erinnert mit kräftigen Violett-Kombinationen und großflächigen Mustern an die schlichte Eleganz des Art déco der dreißiger Jahre in Amerika. Der Schrank, wenn er aufgeklappt ist, sieht aus wie einer dieser altmodischen Schrankkoffer, mit denen es sich trefflich einige Wochen auf See aushalten ließ, auch in Kleidern, mit denen man abends noch getrost dem Kapitän über den Weg laufen konnte.

Reich, ohne prätentiös zu sein

Der Herr am Empfang ist von ausgesuchter Höflichkeit. Obwohl er den Gast, weiblich, auf einem klapprigen Herrenrad hat ankommen sehen. Und am nächsten Morgen mit einem Rucksack zum Frühstück gehen sieht. Oder hat er den Rucksack und das Herrenrad am Ende gar nicht bemerkt?

Es ist genau diese Eigenschaft, die den Niedergang des Atlantic so schmerzlich gemacht hat für die Hamburger und seine Renovierung so bedeutsam. Das Atlantic ist, was die Menschen hier als hanseatisch im besten Sinne verstehen, es ist ein bisschen wie die Stadt selbst: vornehm, ohne aufdringlich zu sein. Reich, ohne prätentiös zu sein. Traditionsbewusst, ohne unmodern zu sein. Es ist elegant und ein bisschen steif, es ist eine Institution für viele Menschen hier: eine Erinnerung an den Abtanzball, bei dem noch der Tanzpartner die Mutter der Dame auffordern musste, an das Kinderbuch "Gepäckschein 666", das sie hier alle gelesen haben, weil es in den Hallen des Hotels spielt, wo der Kakao den Kindern immer wie von selbst nachgeschenkt wird. Eine Erinnerung an die Weltkugel auf dem Dach, die jeden Abend weit und warm über die Außenalster leuchtet wie der volle Mond. Jetzt strahlt sie wieder.

Informationen:

Hotel Atlantic Kempinski Hamburg, An der Alster72-79, 20099 Hamburg St. Georg, Tel.: 040/28880, www.kempinski.com/hamburg. 245 Zimmer, davon 48 Zimmer und Suiten mit Alsterblick. Einzelzimmer Superior-Kategorie (kleinste Zimmergröße) inklusive Frühstück ab 218 Euro bis 468 Euro. Doppelzimmer Superior-Kategorie: 218 Euro bis 517 Euro. Suiten ab 657 Euro inklusive Frühstück. 13 Tagungsräume/ Salons/ Ballsäle, Anfragen unter Tel.: 040/2888811. Aktuelles Angebot "Suitely Sensational": 10 Prozent Ermäßigung bei Buchung einer Junior- oder Superior-Suite, 20 Prozent Ermäßigung auf alle Spa-Behandlungen, kostenloser Transfer zum Flughafen. Gastronomie im Haus: Atlantic Restaurant, regionale und maritime Küche, Reservierung 040/2888860. Tsao Yang, chinesische Küche, Reservierung 040/2888861. Art déco Atlantic Bar, Reservierung 040/2888862. Spa und Wellness: "Energy Clinic" mit Sauna, Innenpool, Solarium, Fitnessgeräten, Massagen; Info 040/2888846.

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