Hongkong:Alles ist erleuchtet

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Im Helikopter, auf Hochhausdächern und Bergen: Nur wer Hongkong von oben aus betrachtet, sieht, wie die Stadt wuchert.

Harald Eggebrecht

Ouvertüre

Hongkong
:Stadt der Gegensätze

Zehn Jahre nach der Übergabe der einstigen Kronkolonie Hongkong an China ist der Platz knapp. Doch zwischen den Wolkenkratzern gibt es immer noch Reste des alten Hongkongs.

Es gibt Stadtgebilde, die lassen sich am besten erleben, indem man ihr Straßen- und Wegenetz durchwandert. Andere brauchen die Panoramaansicht, um ihr Unverwechselbares zu offenbaren. Und Manhattan definiert sich als gleichsam gewaltiger, bei schlechtem Wetter auch unheimlich drohender Wald aus Wolkenkratzern, die gigantisch wie Mammutbäume emporwachsen.

Hongkong aber, diese Zwitterstadt aus Insel und Festland, aus Hong Kong Island und dem gegenüberliegenden Festlandsquartier Kowloon, lebt aus der immerwährenden Spannung zwischen seinen beiden Teilen, die der ewig von Schiffen und Booten aufgewühlte Meeresarm trennt und zugleich verbindet. Am stärksten entfaltet sich der doppelte Zauber dieser einzigartigen Lage Hongkongs übrigens von oben, von den Hochhäusern oder den umgebenden Bergen oder vom Hubschrauber aus.

Als noch der alte Flughafen existierte, mussten die Piloten ihre Maschinen quasi mitten durch die alltäglichen Lebensverhältnisse der Hongkonger steuern, das hatte gefährlichen thrill und stimmte einen gleich auf Enge und Geschäftigkeit, Energie und Vitalität ein.

Heute landet man auf einem extra im Meer aufgeschütteten Airport weit vor der Stadt und rollt dann heran und hinein in den emsigen, unaufhörlichen Verkehrsstrom, der einen schließlich an den Meeresarm bringt, auf dessen Schauseite die Insel liegt. Dort türmt sich die atemversetzende Skyline auf, dicht bei dicht. Spektakulär in den Hochbauten von Architektengrößen wie Norman Foster, I.M. Pei und anderen, beflissen in den zahllosen zu schwindelnder Höhe aufgestapelten Appartementhäuser.

Wirklich angekommen ist jeder Hongkong-Reisende erst dann, wenn er auf der Star Ferry vom Festland zur Insel übersetzt und auf ihr wieder zurückgekehrt. Es gibt keine schönere Art, Hongkongs Zauber in sich aufzunehmen, als so sanft hinübergeschaukelt zu werden.

Langsam wachsen die Gebäuderiesen auf Hong Kong Island vor einem empor mit dem mächtigen Convention Center davor, dessen raffiniert geschwungene Dachkonstruktion an ausgebreitete Möwenflügel denken lässt. Einst pulsierte Hongkong im Rhythmus dieser Fähren, heute fahren die Bewohner meist U-Bahn oder unterqueren das Wasser durch Autotunnels. Die U-Bahn ist relativ teuer, also sammelt die Star Ferry vor allem die Armen im Unterdeck.

Hongkongs Skyline, von einem Wolkenkratzer aus gesehen - auf der nächsten Seite.

Erster Blick von oben

In Kowloon vom 23. Stockwerk des 1928 gegründeten Grandhotels "The Peninsula" aus - immer noch Hongkongs erste Adresse - bietet sich ein Panorama baulicher Kühnheit und ständiger Veränderungslust.

In der Dämmerung beginnen die Wolkenkratzer auf Hong Kong Island von innen zu leuchten, das steile Gebirge der Wolkenkratzer gleicht bald einer veritablen Lichtorgel, erst recht, wenn die Tower zur musikalisch untermalten "Symphony of Lights" auch noch vielfarbig rhythmisch aufblinken.

Allabendlich strömen Touristen und Einheimische zur Hafenpromenade von Kowloon und genießen dieses farbenprächtige Spektakel gegenüber. Etwas von einer grandiosen Bühnendekoration besitzt die vielgezackte Skyline dort immer, die auf schmalem Uferstreifen dicht bei dicht errichtet ist.

Nebenbei lernt man beim Flanieren rasch, dass Hongkong eine Hauptstadt des Kopierens und Imitierens, um nicht zu sagen, Fälschens ist. Da werden einem die interessantesten und kostengünstigsten Angebote gemacht, ob "Schweizer" Uhren, "italienische" Schuhe oder Unterhaltungselektronik aus "Japan", meist von Indern, die dieses Geschäft am Victoria Harbour offenbar in der Hand haben.

Die Gefahr allzu hypertropher Hochhauspläne wurde neuerdings gebannt, erstaunlicherweise auch aus ästhetischen Gründen. Aus der Gefahr, dass die Tower demnächst über die natürliche Höhenlinie der Berge hinter der Stadt hinausragen und diese verdecken könnten, hat man Konsequenzen gezogen.

Hongkong darf nicht über die naturgegebene Linie nach oben wachsen, weil der schlagende Effekt der hoch gebauten Stadt in seiner ganzen Wucht nur vor dem den Maßstab setzenden Gebirge zur Geltung kommt. Würde diese Naturkulisse verbaut, stellte sich die Megastadt schon bald nurmehr als endlose Ansammlung von Türmen dar, welcher der notwendige optische Halt fehlt.

Wie die Stadt von der Spitze des Victoria Peak aussieht, erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Zweiter Blick von oben

Überfahrt nach Hong Kong Island. Erreicht man mit der Standseilbahn die Spitze des Victoria Peak, der höchsten Erhebung auf der Insel, und schaut nun von der Rückseite der Skyline auf den Türmewald, wirkt dessen Kulissenhaftigkeit noch stärker.

Es kommt einem ein bisschen vor wie der Blick aus dem Schnürboden über die Bühne ins Parkett: Zwischen den Hochhäusern hindurch oder über sie hinweg sieht man hinaus auf das Wasser und hinüber nach Kowloon.

Dort hat sich in den vergangenen Jahren ebenfalls ein furioser Bauboom entwickelt. Früher erhob sich allein das Peninsula als Kowloons höchstes Gebäude, jetzt wachsen drumherum Giganten in die Höhe. In absehbarer Zeit könnte Kowloons Skyline mit der von Hong Kong Island konkurrieren, auch wenn da nicht gleich Unikate der Weltarchitektur präsentiert werden.

Zurück auf den Peak. Der Rundweg um die Bergspitze bietet immer neue Ausblicke: Nach Süden hin präsentieren sich die verschiedenen Inselketten vor der natürlichen Hafeneinfahrt, weiter draußen kann man sogar das südchinesische Meer bläulich schimmern sehen.

An der Endstation der Standseilbahn erhebt sich der Peak-Tower, eine Art Riesenpilz. Die Aussichtsterrasse ragt nämlich weit über die sieben Etagen des übrigen Baus hinaus. Was für ein Ausblick vom Schirm des Pilzes: Riesige Containerfrachter liegen wie Spielzeug eng beieinander auf Reede und warten auf Löschung.

Schiffe aller Größen fahren hinaus aus dem "duftenden Hafen", so die Übersetzung für Hongkong, andere nähern sich der Einfahrt zwischen Kowloon und Hong Kong Island, ein lautloses Hin und Her, ab und zu tönt ein Signalhorn herauf. Es dämmert, die Stadt beginnt vor der dunklen Bergkette wie ein Vorhang aus bunten Edelsteinen zu funkeln.

Ein Abstecher in die Hochhausschluchten folgt auf der nächsten Seite.

Zwischenspiel zu ebener Erde

Kaum ist die Fähre an der Insel angelandet, schlüpft man zwischen den gewaltigen Wolkenkratzerfüßen hindurch und wird in das Menschengewurle im Straßenwirrwarr eingesaugt.

Die Schaufenster auf den Edel-Boulevards breiten wie in München oder Sydney die üblichen internationalen Spitzenmarken aus. Darüberhinaus gibt sich Hongkong selbst als Trendsetter. Letzter Schrei ist derzeit eine inszenierte Unordnung in den Warenhäusern, deren Abteilungen teils an Abstellkammern oder gleich an übervoll gestopfte Wohnungen erinnern. Bald erweisen sich diese Einrichtungen in den Warenhäusern jedoch als Scheinchaos, in dem ganz traditionell nach Themen geordnet Küchen, Bäder und Wohnzimmermöbel nebst Zubehör verkauft werden.

Dagegen werden Besuche in den "Wohnungs"-Läden zu Überraschungstripps. Der Käufer soll hier nicht nur Geschirr, Möbel und anderes Teures erwerben, sondern gleich mit Ideen versorgt werden, wie sein eigenes Zuhause nach neuester Mode einzurichten sei.

Manche dieser Vorzeigeetablissements wollen angebliche Vorlieben ihrer Besitzer mehr als andeuten: Dann warten im dunkelrot ausgeschlagenen Schlafzimmer mehrschwänzige Peitschen und Geißeln mit Edelsteinbesatz auf liebesstrenge Einsätze.

Mehr über Hongkongs kulinarische Attraktionen erfahren Sie auf der nächsten Seite.

Gastronomisches Couplet

Alle Blicke auf Hongkong und Streifzüge durch dick und dünn der Stadt enden aber irgendwann bei den wahren, schier grenzenlosen Attraktionen des "duftenden Hafens": in den Restaurants.

Ganz gleich, ob jemand es bodenständig chinesisch haben will von köstlich karamellisiertem Fisch bis zu süßsauren Mini-Spareribs, von à point gegarten Gemüsen zu diversen Rindfleischgerichten - Hongkong bietet dem Findigen denkbar alles.

Im Peak Tower auf der Peak Galleria führt zum Beispiel seit Jahren der international erfahrene deutsche Küchenchef Martin Kriss das "Café Déco". Bei ihm kochen auch indische, amerikanische, italienische oder japanische Köche ihre jeweils heimischen Gerichte.

Der junge Amerikaner Dan Segall, der schon in Boston, Tokio und London gekocht hat, präsentiert im gleichermaßen edel wie puristisch ausgestatteten Design-Restaurant "Zuma" eine japanische Küche moderner Prägung mit pazifischen, europäischen und amerikanischen Einschlägen. Hier auf der Insel in Central Hongkong dinieren Banker, Diplomaten und andere gut Betuchte.

Neben den exzellenten Speisen verschlägt das Personal jedem den Atem. Ausgesuchte asiatische Schönheiten und elegante, ebenfalls bestaussehende Kellner bieten nicht nur vollendeten Service, sondern begleiten jeden Bissen als zusätzlicher Augenschmaus.

Lesen Sie weiter: mit dem Hubschrauber über Hongkong.

Letzter Blick von oben

Am nächsten Morgen lädt das Peninsula zum Frühstück im "China Clipper". Diese Lounge liegt unmittelbar unter der Hubschrauberplattform. Ihr Design ist inspiriert vom Stil jener Flugboote, die in den dreißiger Jahren des vorigen Jahrhunderts auf dem Meeresarm zwischen Kowloon und Hong Kong Island landeten. Der hölzerne Propeller einer dieser alten Flugmaschinen ziert eine Wand. Am Tisch in der Mitte fühlt man sich wie in der Offiziersmesse eines Oceanliners.

Durch eine aluverkleidete Schleuse geht es hinauf auf die Helikopter-Landeplattform des Hotels. Kräftige heiße Winde wehen vom Meer dicke Gewitterwolken heran. Laut Wetterbericht sei aber eine größere Pause im Wolkengeschiebe zu erwarten, also kann der Hubschrauber gefahrlos starten.

Und so hebt er langsam ab, lässt das stolze Grandhotel unter sich zurück und richtet seine gläserne Nase nach Süden. Er schwebt hinüber zum Victoria Peak, umfliegt ihn. Dann zeigt der Pilot auf das etwas abgelegene neue Gefängnis. Hier also endet manche Triadenkarriere.

Weiter rattern wir dahin: Im Stadtteil Aberdeen dümpeln die Sampanboote in der Bucht, auch die makellosen Villen und Strände der Reichen und Schönen sind von oben ungehindert zu bestaunen. Doch ebenso werden triste Hinterhöfe und hässliche Rückseiten sonst so glamouröser Vorderfronten sichtbar.

Unter dem Helikopter wirken die Hochhäuser ein wenig wie die Stalagmiten einer gigantischen Tropfsteinhöhle. Doch etwas ist auch noch hier oben immer zu spüren: die unbändige Vitalität Hongkongs.

Information zu Anreise, Unterkunft und Aufenthalt lesen Sie auf der nächsten Seite.

Informationen

Anreise: Hin- und Rückflug mit Air New Zealand ab 706 Euro von verschiedenen deutschen Flughäfen über London nach Hongkong, www.airnewzealand.de

Unterkunft: The Peninsula, Salisbury Road, Kowloon, Hong Kong, SAR, Tel: 00852/29 20 28 88, Fax: -27 22 41 70, E-Mail: phk@peninsula.com, www.hongkong.peninsula.com, DZ ab 4000 HK-$ (ca. 330 Euro)

Weitere Auskünfte: Hongkong Tourism Board, Humboldtstr. 94, 60318 Frankfurt/M., Tel.: 069/95 91 290, Fax: 069/59 78 050, E-Mail: frawwo@hktb.com, www.discoverhongkong.com

© SZ vom 15.5.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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