Süddeutsche Zeitung

Höhlentour in Österreich:Abenteuer in der Finsternis

Jugendliche finden Wandern oft langweilig - außer in einer mehr als engen Tropfsteinhöhle im Dachsteingebirge, die sie an ihre Grenzen bringt.

Astrid Bischof

Es ist stockfinster und so kalt, dass der Atem im Kragen des Pullovers zu Eiströpfchen friert. Christian schaut nach unten, doch er sieht fast nichts. Aber so stößt er sich wenigsten nur die Stirn und nicht die Nase, falls er im Dunkeln auf seinen groß gewachsenen Vordermann prallt. Und mit gesenktem Kopf fühlt sich der 13-Jährige etwas sicherer.

Der Jugendliche ist in einem Alter, in dem er Wandern zu langweilig findet, Klettern zu anstrengend und beides zusammen schlichtweg frisurzerstörend. Eigentlich. Doch diesmal wandert er nicht auf beschaulichen Almwegen, diesmal wurde ihm echtes Abenteuer versprochen - und das bekommt er.

Die Koppenbrüllerhöhle ist nach dem Berg benannt, in dem sie liegt: dem Koppen. Das Brüllen entsteht dann, wenn die Erde nach Gewittern und Regenschauern Unmengen Wasser aufsaugt.

Bis zu sechs Stunden dauert es, bis das Wasser durch das Kalkgestein in die Höhle gesickert ist.

"Am Tag nach einem heftigen Regen tost das Wasser durch die Höhle. Das hört sich irre an", sagt Willi Weissenborn. Der 26-Jährige leitet die Abenteuerführungen von Mai bis Oktober seit sechs Jahren. Nur selten fällt soviel Regen, dass die Touren in der Höhle nicht stattfinden können - in zwölf Jahren kam dies 30 Mal vor.

Zu Beginn erhalten die Kinder und Jugendlichen Overalls gegen den Schmutz, Helme gegen Verletzungen und Stirnlampen für ein wenig Licht. Noch nie habe er ein Kind aus der Höhle bringen müssen, weil es in der Dunkelheit Angst hatte, beteuert Weissenborn. Im Winter arbeitet er als Skilehrer und strahlt die Art von Lässigkeit aus, die auch Kinder an die Grenzen ihrer Belastbarkeit treibt, weil sie so cool sein wollen wie er.

Auch auf den 13-jährigen Christian wirkt Weissenborns Naturburschen-Souveränität ansteckend. Er kriecht hinter dem Guide durch enge, schlammige Schlote im Höhlengestein, lässt sich auf dem Hosenboden schroffe Felsen heruntergleiten und klettert an einem dünnen Seil steile Wände hinauf - alles im schwachen Licht der Stirnlampe.

Auch Kunst macht Kindern in der finsteren Höhle Spaß: Studenten der Kunstakademie Linz haben unter einer Stelle, an der permanent Wassertropfen von der Höhlendecke fallen, drei Snare-Drums aufgestellt. So entsteht eine Komposition aus Wassertropfen und Höhlenstille - die am besten wirkt, wenn der Guide das Licht an den Helmen abdreht.

Nach eineinhalb Stunden tauchen die jugendlichen Abenteurer schweißnass, schlammverkrustet und strahlend wieder aus der finsteren Welt der Tropfsteine und unterirdischen Bachläufe auf und sind sichtlich stolz auf ihre Leistung: Etwa einen Kilometer haben sie in der Höhle zurückgelegt, bei sechs Grad Celsius, während es am Höhleneingang 30 Grad Celsius hatte.

Auf dem Weg nach Hause gibt es diesmal nur ein Thema unter den Geschwistern: Ob es die kleinere Micha beim Klettern in der engen Höhle leichter gehabt hat als ihr muskulöser, groß gewachsener Bruder.

Informationen

Die Dachstein Eishöhlen GmbH & Co. KG im oberösterreichischen Obertraun am Hallstättersee veranstaltet die Abenteuerführungen in der Koppenbrüllerhöhle für Kinder ab acht Jahren von Mai bis Oktober täglich gegen Voranmeldung. Die Teilnehmerzahl ist auf 30 begrenzt. Helme, Stirnlampen und reißfeste Overalls werden kostenlos zur Verfügung gestellt.

Kosten: Je nach Gruppengröße dauert die Führung, die für Kinder 20 und für Erwachsene 25 Euro kostet, eineinhalb bis zwei Stunden. Führungen durch die Rieseneishöhle mit bis zu 60 Teilnehmern kosten für Kinder 15,20 und für Erwachsene 26 Euro inklusive Fahrt mit der großen Gondel zur Mittelstation im Dachstein. Unter der Telefonnummer 0043/(0)2131/531-0 oder unter www.dachsteinwelterbe.at kann man sich über die Touren informieren und für die Abenteuerführung in der Koppenbrüllerhöhle anmelden.

Anfahrt: Zur Koppenbrüller- und zur Rieseneishöhle kommt man über die Salzburger und die Tauern-Autobahn (A8 und A10), Ausfahrt Golling. Die Fahrt dauert ab München etwa zweieinhalb Stunden.

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