Höchste Hotels der Welt: Hongkong:Ein Bett auf Flughöhe

Das Ritz-Carlton in Hongkong ist das höchste Hotel der Welt, zumindest vorerst - denn das Hochstapeln geht weiter.

Andreas Spaeth

Der Schwimmer scheint wie schwerelos durch das Wasser zu schweben, leise umschmeichelt von sphärischer Musik. Plötzlich färbt sich die Szenerie dunkel, finstere Wolken ziehen auf. Ein Taifun? Eine Schrecksekunde lang stocken die Schwimmbewegungen. Was ist hier Realität, was Illusion? Das ist gar nicht so einfach zu unterscheiden im 118. Stockwerk, in der höchsten Etage des International Commerce Centers (ICC) in Hongkong, des vierthöchsten Gebäudes der Welt.

Wer hier in Kowloon im Anfang April eröffneten Ritz-Carlton absteigt, muss so ziemlich alle Erfahrungen mit anderen hohen Hotels über Bord werfen. Und wer sich in den Swimmingpool wagt, kann sich auf Überraschungen wie einen virtuellen Taifun gefasst machen. Der ist programmiert auf einem 28 mal sieben Meter großen LED-Display, das die Stirnwand der Pooletage und die Decke überzieht.

In einer Ecke lockt ein sprudelnder Whirlpool, und das unter einem Spalt freien Himmels, den eine Aussparung im Dach fast 490 Meter über dem Erdboden freigibt. Ein erfrischender Wind weht in dieser Höhe. Ein Greifvogel umkreist das Gebäude auf Augenhöhe mit den Badenden, Hubschrauber fliegen nur halb so hoch in Hongkong.

Die Stadt ist von hier oben so weit weg, als säße man in einem Satelliten. Tief unten der geschäftige Hafen. Schlepper brausen vorbei, Kreuzfahrtschiffe legen an und ab, nur dass sie von hier oben gar nicht riesig aussehen. Nicht allein den Geräuschen und Gerüchen des "duftenden Sunds", was Hongkong übersetzt bedeutet, ist man hier entrückt, sondern der ganzen Stadt.

Denn es ist unmöglich, mal eben zwischendurch ins Stadtleben einzutauchen, wie es zum Beispiel ein Aufenthalt im historischen Peninsula Hotel erlaubt. Nicht nur dass das ehrwürdige "Pen" vom Ritz-Carlton aus wie ein kleiner Bauklotz aussieht - man beginnt auch, sich nach dessen Erdverbundenheit zu sehnen.

Zu Fuß gibt es kein Entkommen

Wo der neue Riesenturm mit seinen mehr als zehn Hektar Glasfassade steht, war vor wenigen Jahren noch das Wasser des sogenannten Typhoon-Shelter-Hafenbeckens, in dem Familien auf ihren Hausbooten lebten. Um den Wolkenkratzer herum breitet sich derzeit eine Mondlandschaft aus Baustellen aus. Hier entsteht unter anderem der neue Endbahnhof für Hochgeschwindigkeitszüge ins restliche China.

Höchsten Hotels der Welt

Die zehn höchsten Hotels der Welt im Überblick.

(Foto: SZ-Grafik)

Zu Fuß gibt es kein Entkommen, nur per Taxi oder U-Bahn, die direkt unter der unvermeidlichen Shoppingmall zu Füßen des Turms hält. Aber so schnell macht sich niemand mal eben auf den Weg - dafür sind die Distanzen in der Vertikalen zu lang.

Wer mit der U-Bahn ankommt, gelangt über ein Labyrinth endloser Rolltreppen aus der Unterwelt in die Vorfahrtslobby des Hotels, die bereits im neunten Stock angesiedelt ist. Von hier aus geht es mit dem Expresslift in die 103. Etage, die eigentliche Hotellobby. Nur 52 Sekunden dauert die Auffahrt, die Geschwindigkeit von neun Metern pro Sekunde lässt die Ohren knacken.

"Normalerweise schaffen Aufzüge nur zwei Meter pro Sekunde", verkündet das Hotelpersonal stolz. Vom 103. Stock aus geht es dann mit einem anderen Lift zu den Zimmern in den Etagen 106 bis 117.

Wie die Amerikaner, so lieben auch die Asiaten, vor allem die Chinesen, Superlative. Nur so ist es zu erklären, dass vor allem zwischen den ewigen Rivalen Shanghai und Hongkong eine Art Wettstreit andauert, welche Metropole sich mit der höchsten Herberge der Welt schmücken darf.

Nicht zu verwechseln mit dem höchsten Gebäude der Welt, derzeit mit 828 Metern und 163 Etagen der Burj Khalifa in Dubai.

Höhenrausch als Argument

Das dort beheimatete Armani Hotel belegt nur die unteren Etagen. Zuletzt lag Shanghai mit seinen beiden Hyatt-Hotels obenauf. Und Hongkong wird auch bald wieder überflügelt sein. "Wir wissen, dass unser jetziger Rekord nicht lange halten wird", sagt Ritz-Carlton-Sprecherin Bonnie Kwok. Solange der Höhenrausch Aufmerksamkeit erregt, ist er ein wichtiges Verkaufsargument.

Doch das wird nicht ewig ziehen. Hotelmanager Cristiano Rinaldi schärft seinen Leuten ein, dass es vor allem auf die Servicequalität ankommt, "denn der Blick oder die Höhe allein machen noch keinen Gast zufrieden". Ritz-Carlton konkurriert hier vor allem mit sich selbst.

Das im Januar 2008 auf Hongkong Island geschlossene und später abgerissene alte Ritz-Carlton hatte in Asien Maßstäbe gesetzt. Ein Drittel des damaligen Personals arbeitet im neuen Haus.

Insgesamt 312 Zimmer bietet das Hotel, die kleinsten davon messen bereits 50Quadratmeter. Die sieben verschiedenen Kategorien reichen bis zur Präsidentensuite mit 365 Quadratmetern, an der derzeit noch gebaut wird. Die an der US-Ostküste beheimatete Hotelgruppe Ritz-Carlton bemüht sich in Hongkong um ein zeitgemäßeres, jüngeres Interieur als in anderen Häusern, in denen meist konservativ-amerikanisches Ambiente anzutreffen ist.

"Wir sind hier in Asien, also brauchen wir den Wow-Faktor", sagt Ritz-Carlton-Chef Hervé Humler. Renommierte Hoteldesigner aus Singapur und Japan durften sich austoben. Das Ergebnis ähnelt dem bislang höchsten Hotel der Welt, dem Park Hyatt in Shanghai: "Eine Mischung aus ,Bejing Bling' vermählt mit den Exzessen von Dubai", urteilten lokale Kritiker in Hongkong.

Deutlich wird das dick Aufgetragene vor allem in den öffentlichen Bereichen des Hotels - etwa in den Restaurants im 103. Stockwerk. Verspiegelte Glitzergänge führen entlang gläserner Kühlschränke, in denen ein Großteil des 8000 Flaschen umfassenden Vorrats an Wein und Champagner gut sichtbar lagert. Auch die Lobbylounge mit ihren riesigen, rot-weißen Kristalllüstern oder das Ozone in der 118. Etage, selbstredend die höchste Bar der Welt, sind nicht gerade Orte falscher Bescheidenheit. Das kommt bei den reichen Gästen gut an.

Während die beiden Hotelrestaurants, mit kantonesischer und süditalienischer Küche, bis Ende Mai zum Dinner ausgebucht sind, nimmt man im Ozone überhaupt keine Reservierungen mehr entgegen. Viele Banker, deren Institute auf den tieferen Etagen des ICC residieren, haben es sich offenbar bereits zur Gewohnheit gemacht, ihren Feierabend im Dachgeschoss zu verbringen. Je nach Geschmack und Budget nicht nur bei Cocktails, Sushi oder asiatischen Tapas, sondern auch bei Kaviar und sechs verschiedenen Sorten Austern, unter anderem aus der Nordsee.

Finanzkrise? War da mal was? Ein DJ spielt unaufdringliche Musik, auf der nach oben offenen Dachterrasse darf geraucht werden. Wegen massiver Betonaufbauten fehlt dem Ozone allerdings die himmlische Leichtigkeit etwa der Hoteldachterrassen in Bangkok, aber die sind ja auch nicht mal halb so hoch.

Auf den Tischen flackern elektrische Teelichter, die per Knopfdruck gelöscht werden können. Offenes Feuer ist aus Sicherheitsgründen verboten. Eine unwichtige Kleinigkeit - an die man sich plötzlich erinnert, als nachts um zwei der Schlaf jäh unterbrochen wird. Sirenen. Feueralarm.

Kein gutes Gefühl, im 115. Stock im Bett zu liegen und sich zu überlegen, wie man jetzt schnell das Gebäude verlassen könnte. Die Rezeptionistin beruhigt: "Das war ein Fehlalarm, Sir. Schlafen Sie gut."

Wenn das jetzt so einfach wäre.

Informationen

Das Ritz-Carlton Hongkong ist vom Flughafen direkt mit der Airport Express-Bahn in 20 Minuten zu erreichen, die Station Kowloon befindet sich unter dem Gebäude. Die Preise für ein DZ beginnen bei ca. 400 Euro pro Nacht. www.ritzcarlton.com

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