Hoch zu Ross durch Afrika:Höllenritt im Wind des Himmels

Skorpione, Wüsten und Kriege bringen Christy und Billy nicht von ihrem großen Traum ab - einmal ganz durch Afrika zu reiten.

Arne Perras

Sie könnte von den Strapazen erzählen, von der bleiernen Hitze, der Erschöpfung. Aber darüber redet Christy nicht. Sie spricht vom Wind des Himmels. Man müsse ihn einmal gespürt haben, um das zu verstehen, sagt sie. "Der Wind des Himmels weht zwischen den Ohren des Pferdes." An dieses Sprichwort musste Christy oft denken, seitdem sie losgeritten ist. Denn genau so fühle sich das an, sagt sie. Wenn man unterwegs ist, hoch oben auf dem Pferd.

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(Foto: Foto: Omar Attaira)

Aber einmal durch ganz Afrika? 15 000 Kilometer durch Wüste, Dschungel, Sumpf und Savanne - trägt einen der Wind des Himmels wirklich gar so weit? Das klingt eher nach einem Höllenritt, wenn man an all die Moskitos und Skorpione, die Kriege und Banditen, die Krankheiten und die Grenzbeamten denken muss, die am Wegrand lauern.

Aber Christy denkt so nicht - genauso wenig wie ihr Partner Billy, mit dem sie die Reise unternimmt. Sonst wären die beiden nie auf diese Idee gekommen, den Kontinent im Sattel zu durchqueren. Und ihre Erfahrungen passen auch nicht zu den warnenden Stimmen, die soviel Teuflisches in diesen Breiten ausmachen.

Der Ritt durch Afrika soll erst einem Menschen gelungen sein, dem Schotten Gordon Naysmith. Er schaffte es vor fast 40 Jahren von Lesotho bis nach Österreich. Nun aber sind es Christy Henchie, 25, und Billy Brenchley, 40, die sich auf den Weg gemacht haben. Vom nördlichsten Punkt bis zur südlichsten Spitze wollen sie durch den afrikanischen Kontinent reiten, vom Cap Blanc in Tunesien bis zum Cape Aghulas in Südafrika.

Zu einem Drittel hat sich ihr Traum schon erfüllt. 5250 Kilometer haben die beiden zurückgelegt. Aber 9054 Kilometer Strecke liegen noch vor ihnen. Für einen Menschen, der nur ein halbes Dutzend Mal auf einem Pferd gesessen hat und danach Tage nicht mehr richtig laufen konnte, klingt diese Reise wie ein Albtraum. Aber Christy und Billy sind quasi im Sattel aufgewachsen.

An einem langen Winterabend in Khartum erzählen sie von ihrem Abenteuer. Es ist schon dunkel, das Thermometer zeigt noch 36 Grad über Null. Oben blinken die Sterne, links stehen ein paar Pferde in den Boxen, rechts sitzen Billy und Christy auf Plastikstühlen. Moskitos stechen wie wild. Nur wenige hundert Meter entfernt, hinter den flachen Häusern, fließt der Blaue Nil. Hier, in diesem Reitstall im Sudan, machen sie gerade eine längere Pause, bevor sie weiter nach Süden ziehen.

Lesen Sie weiter, wie die Menschen in Nordafrika die Reise unterstützten.

Höllenritt im Wind des Himmels

Und sie nehmen sich Zeit. "Das ist kein Rennen", sagt Billy. Nichts lässt sich erzwingen auf einer solchen Tour. Sie müssen zäh sein und große Ausdauer mitbringen. Doch wer ihnen eine Weile zugehört hat, der ahnt, dass Kraft und Können der Reiter nicht ausreichen, um diese Reise zu bestehen.

Das Geheimnis des Erfolgs liegt vielmehr am afrikanischen Wegrand verborgen, was man später noch besser verstehen wird.

Ins Bild vom Marlboro Man passen die beiden Reiter nicht. Zwei nachdenkliche Menschen sitzen da vor den Boxen. Zwei wahre Pferdeflüsterer, wie sich bald herausstellt. Wenn sie das nicht wären, so kämen sie auch nicht weit.Christy ist Reitlehrerin, Billy Hufschmied. Sie ist aus Simbabwe, er aus Südafrika. Billy hat sein Handwerk beim Militär gelernt, doch das meiste, was er über Pferde weiß, hat er sich selber beigebracht. Er hat sich auf die Pathologie der Hufe spezialisiert und gehört zu jenen, die Pferde lieber barfuß laufen lassen als ihnen ein Eisen unter den Huf zu nageln.

Für schwieriges Terrain hat Billy besondere Pferdeschuhe konstruiert, die man den Tieren überzieht. Das mit den Hufeisen, sagt Billy, sei ein großer Streit unter Reitern. Aber je länger er sich damit beschäftige, umso mehr komme er zu dem Schluss, dass man auf Eisen und Nägel am Fuß verzichten sollte. Und so ist sein Pferd, mit dem er durch Afrika reitet, barfuß unterwegs. Und das seiner Partnerin trägt spezielle Schuhe, keine Eisen.

Balance zwischen Pferd und Mensch

Auch die Simbabwerin Christy ist mit Pferden seit ihrer Kindheit vertraut, zuletzt arbeitete sie in einem Team in Kapstadt, das die Tiere zur Therapie von behinderten Kindern einsetzt. Sie hat miterlebt, wie gut das Reiten sein kann, um Kindern neue Kraft und Freude zu verleihen. "Dabei sind Pferde selbst fast so wie Kinder", sagt Billy. Sie brauchen Führung und Zuspruch, man muss sie motivieren und umsorgen, ein Gespür dafür entwickeln, wann sie Angst haben und was sie brauchen, um sich wohl zu fühlen.

Das Schwierigste ist vielleicht, dass die Pferde abends niemals "nach Hause kommen". Jede Nacht ruhen sie woanders, die Umgebung ist fremd. Umso wichtiger ist es, dass die Balance zwischen Mensch und Pferd auf der langen Reise stimmt.

Billys Pferd, das den Namen Ennahali trägt, ist manchmal wie ein "ungezogener Teenager", sagt er. Der Wallach brauche viel Aufmerksamkeit, aber er sei auch ein zäher Kerl und habe ihn schon vor mancher Gefahr bewahrt.

Einmal, als sie durch Wasser ritten, weigerte er sich, weiter zu gehen. Wieder so eine Laune, dachte Billy. Na komm schon. Aber Ennahali hatte den richtigen Riecher, weiter vorne lauerte der Morast. Und wehe, die Reiter hätten nicht auf ihre Pferde gehört.

Auch Christys Wallach Chami ist kein einfacher Charakter, aber er hat sich, trotz mancher Schwierigkeiten mit den Hufen, tapfer durchgeschlagen. Beide sind Berberpferde, die sie zu Beginn der Reise in Tunesien gekauft haben.

Cape Blanc am Mittelmeer, dort waren sie losgeritten, am 10. Dezember 2005. Anfangs ging es zügig voran, im Schnitt machten sie 35 Kilometer am Tag, bevor sie nach 20 Tagen im Sattel die libysche Grenze erreichten. Und so groß war die Faszination der Tunesier über den verwegenen Plan, dass Billy und Christy in einiger Entfernung stets von der Polizei eskortiert wurden. Keinesfalls durfte denen, die so viel vorhatten, etwas zustoßen.

Beschämende Gastfreundschaft

Die großen Hürden lagen ja alle noch vor ihnen: Zum Beispiel 400 Kilometer libysche Wüste, die es zu durchqueren galt, bei glühender Hitze und immer in der Sorge, ob das Wasser reichen würde. Dafür heuerten sie einen Mann mit altem Peugeot an, der für sie die Kanister fuhr. Als das Wasser zu Ende war, stoppten sie Lastwagen auf dem Weg, die immer ein paar Liter übrig hatten.

Sie hätten das alles auch nicht geschafft, ohne die beschämende Gastfreundschaft der Leute. Wohin sie auch kamen, stets öffneten sich die Türen, sie bekamen zu Essen und zu Trinken, die Pferde durften grasen. Bezahlung? Oh nein!

Lesen Sie auf der nächsten Seite, wie Reiter und Pferde Wüsten und Krankheiten überstanden.

Höllenritt im Wind des Himmels

Einmal, da hat sich ein libyscher Trucker stundenlang mit ihnen hingesetzt und sie haben gemeinsam die Route durchgesprochen. Kilometer für Kilometer. Wo gibt es Futter? Wo gibt es Wasser? Wo sind Siedlungen, wo lauert Gefahr? "Der Mann besaß keine Karte, aber er hatte jeden einzelnen Kilometer im Kopf", erzählt Billy.

Es ist diese Erfahrung, die sie am meisten beeindruckt: Überall stoßen sie auf Leute, die sich überschlagen, um ihnen zu helfen. Es ist, als würden die Fremden auf ihren Pferden nur das beste aus den Menschen herauskitzeln. Alle wollen einen Beitrag leisten, dass diese tollkühne Reise auch wirklich gelingt.

In Libyen kauften sie sich schließlich noch ein Packpony mit dem Namen Rahaal. Viel können sie ja nicht aufladen bei so einem Ritt, je nach Terrain kann das Pferd 95 bis 130 Kilogramm tragen, da bleibt nicht viel für Proviant und Ausrüstung. Rahaal gehörte schon bald fest ins Team. Sie liebten ihn - und sollten ihn später noch sehr vermissen.

Temperaturen über 50 Grad

So haben sie also Libyen überstanden, sind weiter durch Ägypten geritten, und wo sie nicht mehr auf dem Lande weiter kamen, nahmen sie ein Boot den Nil hinauf. Noch schien alles gut, doch die härteste Prüfung stand ihnen noch bevor.

Im Sudan wurde die Wüste noch unerbittlicher, Temperaturen über 50 Grad, Tage ohne jeden Schatten. Das brachte Reiter und Pferde an ihre Grenzen. Die Tiere waren nun schwach. Auf den 5000 Kilometern, die sie bis Khartum zurückgelegten, hatten sie immer wieder Pausen eingelegt. Diesmal aber würde es länger dauern. Die Pferde brauchten Ruhe.

Doch am Nil kam alles noch schlimmer, die Pferde wurden krank. Ein durch Zecken übertragenes Fieber hatte sie gepackt. Und bevor die Medikamente anschlugen, war Rahaal, ihr geliebtes Packpony, nicht mehr zu retten. Chami und Ennahali aber überlebten, auch wenn sie nur langsam wieder zu Kräften kamen.

Mit Jobs die Reisekosten decken

Billy und Christy arbeiten seither als Reitlehrer in Khartum, sie haben ja keine Sponsoren, sie müssen sich das Geld für die Reise selbst verdienen. Längst aber planen sie schon die nächste Etappen: Nach der Wüste erwarten sie die Tücken der Tropen.

Durch den Südsudan wollen sie nach Uganda, vom Victoriasee durch Tansania und Sambia. Schließlich geht es durch den legendären "Caprivizipfel" - einen schmalen Landstrich, der Sambia mit Namibia verbindet - bis ins südliche Afrika. Die Endstation heißt Kapstadt, bis dahin sind es noch fast 10.000 Kilometer.

Aber sie haben es ja nicht eilig, die beiden Pferdeflüsterer am Nil. Und solange sie auf Menschen stoßen, die selbstlos ihre Häuser und ihr Essen teilen, können Billy und Christy weiterhin im Wind des Himmels reiten - quer durch das ganze, höllische Afrika.

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