Hippe kleine Städte-Schwestern:Wer Lissabon mag, wird Porto lieben

Lissabon-Portugal

Die beiden Schwestern Lissabon (links) und Porto gleichen sich in vielerlei Hinsicht

(Foto: krasnevsky/neirfy - Fotolia.com)

Verfallener Charme, historische Trambahnen, grandiose Aussichten: Die Städteschwestern Lissabon und Porto haben viel gemein. Deshalb sind sie auch nicht gut aufeinander zu sprechen. Doch selten hat sich ein Seitensprung so gelohnt wie der in Portugals Norden.

Von Sarah K. Schmidt

Mit Tausenden anderen vor Museen die Füße platt stehen, an völlig überhöhten Hotelpreisen verzweifeln und das klassische Sightseeing-Programm abspulen? Das muss nicht sein, denn es gibt lohnende Alternativen zu den überlaufenen Tourismus-Hotspots Europas. Kleine Städte-Schwestern bieten viel, zu günstigeren Preisen und ohne Anstehen. Für ein entspanntes verlängertes Wochenende sind sie nicht die zweite, sondern die erste Wahl. Wir stellen wöchentlich die schönsten vor.

Porto statt Lissabon

"Ich war übrigens neulich in Lissabon - ist wirklich total schön die Stadt, musst du auch mal hinfahren." Spätestens seitdem man ständig von Freunden, Bekannten und Kollegen diesen Satz hört ist klar: Portugals Hauptstadt ist ganz oben angekommen in der Hitliste der Städtereiseziele. Ein echter Geheimtipp ist dagegen Lissabons kleine Schwester Porto. Etwas weiter im Norden, mindestens genauso schön und noch unter dem Radar der meisten 0815-Urlauber.

Auch Porto liegt am Meer, auch Porto erhebt sich am einen Ufer einer Flussmündung. Bezaubernde alte Häuser, der melancholische Charme des langsamen Verfalls, alte Trambahnen, gläserne Aufzüge, großartige Aussichten, Kunst, Kultur, niedliche Cafés, gutes Essen und eine lässige Szene: Was Lissabons Reiz ausmacht, hat Porto ebenfalls zu bieten.

Dass sie in enger Konkurrenz stehen, wissen auch die beiden Schwestern - und sind gar nicht gut aufeinander zu sprechen. Das allerdings sollte allen herzlich egal sein, die es auf eine Wochenendeaffäre abgesehen haben. Nach dem Seitensprung nach Porto können Lissabon-Liebhaber ja wieder zu ihrer Stadt zurückkehren - wenn sie denn noch wollen.

Ansehen: Paläste des Kommerz und Barockkirchen

Anders als in Lissabon hielten in der Stadt am Duoro nicht die Könige Hof, sondern die Händler. Deshalb gehören die beiden Paläste der Stadt der Börse und dem Bischof. Der Wirtschaftsklub "Associação Comercial do Porto" hat sich beim Bau seines Palácio da Bolsa jedenfalls nicht lumpen lassen. Beim Äußeren des neoklassizistischen Baus haben sich die Herren Kaufleute zwar noch in seriöser Schlichtheit geübt, im Inneren protzt und prunkt es dagegen verschwenderisch. Unter einer Glaskuppel geht es durch die "Halle der Nationen", pompöses Highlight ist der "Salão Árabe" - ein üppig vergoldeter Festsaal, der selbst Könige staunen lassen dürften.

Zahlreiche prächtige Kirchen prägen die Altstadt. Die Kathedrale thront erhaben über der Stadt. Immer wieder wurde das wuchtige Gebäude umgebaut, darin und daran finden sich Überbleibsel aus sämtlichen Epochen: romanische Doppelturmfassade, gotischer Kreuzgang, Barock- und Rokoko-Fassade, Fliesendekor aus Azulejos. Gleich daneben steht der ebenfalls sehenswerte Paço Episcopal, der ehemalige Bischofssitz.

Neben der Barockkirche Igreja dos Clérigos steht der gleichnamige Turm, der Torre dos Clérigos. Der Aufstieg über 225 Stufen auf 76 Meter Höhe wird mit der besten Aussicht über die Stadt belohnt.

Panoramaweg ins Portwein-Paradies

Einen ganzen Panorama-Spazierweg bietet die Brücke Ponte Dom Luís I., die über den Douro führt und Porto mit der gegenüberliegenden Stadt Vila Nova de Gaia, kurz Gaia, verbindet. Der Stahlbau wirkt, als hätte man den Eiffelturm auseinandergefaltet und quer gelegt - tatsächlich hat das Bauwerk ein Student von Gustave Eiffel entworfen. Auf dem oberen Deck der Brücke haben Fußgänger viel Platz und müssen ihn nur mit einer Tram-Strecke teilen. Der Autoverkehr ist auf die untere Etage verbannt.

Wer sich schon einmal aufgemacht hat zum anderen Ufer, kann hier gleich noch das Portwein-Geschäft kennen lernen. Einst war Gaia ein Konkurrenzhafen von Porto, von hier aus haben Portweinproduzenten ihre Produkte in die ganze Welt verschifft. Und noch immer haben alle großen Fabrikanten am Ufer ihre Lagerhallen für den Export. Die meisten bieten Führungen durch ihre Weinkeller an (und ja, verkostet wird natürlich auch). So richtig zur Geltung kommen die Gebäude jedoch erst nach Einbruch der Dunkelheit, dann verbreiten die hell erleuchteten Werbe-Schriftzüge und Firmennamen ein wenig Vegas-Flair.

Verfallene Gässchen, Prachtboulevards und Azulejos

Auf der anderen Seite der Brücke beginnt die "Ribeira", portugiesisch für Flussufer. Das historische Viertel hat zwei Seiten. In Gassen und Sträßchen reihen sich wunderschöne alte, farbenfrohe Stadthäuser aneinander, die jedoch zunehmend verfallen und kaum noch bewohnt sind. Gerade zur Promenade am Fluss hin wurde viel renoviert - was jedoch eine stark touristische Prägung mit sich bringt. Einen Bummel wert ist zwar auch der Quai allemal, doch günstig und authentisch essen oder einkaufen kann man hier nicht.

Wie in Lissabon gibt es auch in Porto gepflasterte Prachtboulevards. Stellvertretend genannt, weil besonders schön, sei hier die Rua Santa Catarina. Am Ende der zentralen Einkaufsstraße liegt der Platz Praça da Batalha.

Die typischen blau-weißen Fliesen, die Azulejos, können in voller Pracht und gänzlich kostenlos im Bahnhof São Bento bewundert werden. Das ohnehin schon beeindruckende Gebäude wurde mit Szenen aus der portugiesischen Geschichte gestaltet. Von hier aus kann man übrigens in etwa einer halben Stunde mit dem Zug den Praia Miramar erreichen, ein wunderschöner Sandstrand bei einem kleinen Dorf.

Eine bunte Markthalle und eine magische Buchhandlung

In Porto finden sich auch Relikte vergangener Zeiten, die Supermärkten, Shoppingcentern und Amazon die Stirn bieten. Der Mercado do Bolhão ist eine Markthalle, wie eine Markthalle sein muss. Obst und Gemüse, Fleisch und Fisch, Blumen und Haushaltswaren werden hier verkauft. Es ist bunt, laut und lecker.

Ein ganz anderes Erlebnis ist ein Besuch in der berühmten Buchhandlung Livraria Lello e Irmão. Schon die Jugendstilfassade des Gebäudes wirkt verwunschen und wie aus der Zeit gefallen. Doch wer durch die Tür tritt, wird restlos verzaubert durch die fein ziselierte Holzvertäfelung, durch Regale über Regale und vor allem durch die rote Treppe, die sich doppelt verzweigt und auf eine Empore unter einem bunten Glasdach führt.

Harry-Potter-Leser werden sich an die Buchhandlung "Flourish&Blotts" in der Winkelgasse erinnert fühlen. Das kommt nicht von ungefähr. Autorin Joanne K. Rowling unterrichtete einige Zeit als Lehrerin in Porto. Wo sie ihre freien Nachmittage verbrachte, erklärt sich wohl von selbst.

Kunst, Kunst, Kunst

Das Nationalmuseum Museu Nacional de Soares dos Reis ist stilecht in einem Palazzo aus dem 18. Jahrhundert untergebracht und zeigt portugiesische Kunst vom 16. zum 20. Jahrhundert in seiner ganzen Breite.

Das Museu de Arte Contemporânea da Fundação Serralves hingegen ist für hochkarätige Ausstellungen moderner und zeitgenössischer Kunst bekannt. Entworfen wurde das Gebäude von Portugals Star-Architekt Álvaro Siza Vieira. Umgeben ist es vom weitläufigen Parque de Serralves, der den kulturellen Hochgenuss ins Freie erweitert. Beim Kauf eines Tickets ist freier Eintritt in der Casa de Serralves enthalten, einer Sommerresidenz, die der französische Architekt Charles Siclis und dessen portugiesischer Kollege José Marques da Silva entworfen haben und die zwischen 1925 und 1944 gebaut wurde - das wichtigste Gebäude im Art-Deco-Stil in Portugal.

Untergebracht in einem ehemaligen Gefängnis, kommen die Fotografien im Centro Português de Fotografia ganz besonders beeindruckend zur Geltung.

Anbeißen: Obszöne Sandwiches und Jugendstil-Kaffeehäuser

Wer nach Porto reist, muss ein Francesinha probieren, Vegetarier ausgenommen. Dieses ganz spezielle Sandwich wurde in Porto erfunden und die Liste der Ingredienzien liest sich schon fast obszön: Toastscheiben werden mit Schinken und portugiesischer Wurst belegt, dazu kommt Hack. Das Ganze wird in einer Tomatensoße, verfeinert mit Bier und Senf, serviert und mit Käse überbacken. So absurd wie die Zutaten ist auch der Name des Ganzen: Francesinha bedeutet "kleine Französin".

Wen man auch fragt in Porto, er wird einen anderen Geheimtipp haben, wo es die besten Francesinhas gibt. Regelmäßig genannt wird jedenfalls das "Café Santiago" - die lange Schlange spricht ebenfalls für dessen Qualität. Runtergespült wird die portugiesische Cholesterinkatastrophe übrigens standesgemäß mit einem Super-Bock-Bier.

Lissabon hat sein "A Brasileira", Porto hat das "Majestic": Ein Jugendstil-Kaffeehaus mit der Original-Innenausstattung aus den Zwanzigerjahren samt Stuckengel, Kronleuchter, Spiegelsaal. Während ein Pianist spielt, bringen livrierte Kellner Tee, Kaffee und Gebäck. Hier soll Mrs. Rowling übrigens die ersten Kapitel von Harry Potter geschrieben haben.

Einen super Mittagssnack gibt es im "A Casa Guedes". Imbissbude trifft es nicht, Restaurant auch nicht, Institution ist wohl der passendste Begriff. Die Spezialität sind die Sandes de Pernil, ein knuspriges Brötchen mit Schweinefleisch - und nach Geschmack mit Käse überbacken. Dazu ein portugiesischer Vinho Verde.

Multifunktional, mit Flussblick und schickimicki

Das "Miss'Opo" ist multifunktional, stylisch, schön und nur schwer zu beschreiben. Es ist ein Café, ein Laden, ein Projekt und sogar eine Miniherberge, in der man kleine, einfache Studio-Apartments mieten kann. In den rau verputzten Räumlichkeiten sitzt es sich auf schlichten Holzstühlen dennoch gemütlich. Es gibt Snacks, wechselnde Gerichte und sonntags Brunch. Man muss es erleben.

Direkt am Fluss liegt das "Casa de Pasto da Palmeira", ein kleines, feines Restaurant, gemütlich und farbenfroh eingerichtet. Wer dort einen Platz ergattern kann, sitzt draußen auf der Terrasse. Die regelmäßig wechselnden Gerichte sind frisch und kreativ, aber nicht abgehoben und oft asiatisch oder orientalisch inspiriert. Serviert werden fruchtige Salate, Frühlingsrollen, Couscous-Gerichte und ausgefallene Desserts. Einen optischen Blick ins aktuelle Menü gibt es auf der Facebook-Seite des Lokals.

Der "Mercado Bom Sucesso" ist ein bisschen schickimicki, aber das Konzept ist einfach gut. In einer großen, hellen Halle, die erst 2012 eröffnet wurde, gibt es Feinkostläden und Geschäfte - aber auch zahlreiche offene Essens- und Getränkestände. Es gibt regionale Gerichte, Wurst und Käse, aber auch Delikatessen, Sushi, Crepes oder Gebäck. Man schlendert herum, sucht sich aus, was einen gerade anlacht - und trifft sich dann an einem der weißen Tresen-Tischen, die zu langen Tafeln zusammengestellt sind. Abends gibt es oft außerdem Programm oder Livemusik.

Ausgehen: Casa da Música, Portwein und Märchen

Wenn nicht schon genug gute Gründe für eine Porto-Reise genannt worden wären, das "Casa da Música" wäre eine Art Totschlagargument. Nur wenige Städte auf dieser Welt haben ein so außergewöhnliches Kulturzentrum. Allein die Architektur des Gebäudes, das die niederländischen Architekten Rem Koolhaas und Ellen Van Loon entworfen haben, ist einen Besuch wert. Das vieleckige Konzerthaus vereint Beton mit Glas, eine vergoldete Holztäfelung mit Azulejos. Und auch das Programm ist vielseitig und überraschend. Klassische Musik auf höchstem Niveau, klar, aber auch sämtliche andere Musikrichtungen finden ihren Platz im Programm. Und in welchem anderen Konzertsaal legen schon regelmäßig gefeierte DJs zum Clubbing auf? Kurz: Ein Blick ins Programm lohnt in jedem Fall.

Wer bei Portwein bereits auf den Geschmack gekommen ist oder wer dies gegebenenfalls plant, findet in der "Vinologia" ein breites Angebot. Bei den mehr als 200 verschiedenen Sorten sollte ein Lieblingswein dabei sein. Die Bar ist urig, das Personal kennt sich aus und hilft gern bei der Auswahl. Zum Wein gibt es eingelegte Früchte, Käse oder Schokolade.

Es war einmal in Porto ...: So gehen Märchen los - oder heißen nette, alternative Szene-Bars im Retro-Look. Im "Era uma vez no Porto..." gibt es tagsüber Kaffee, abends Drinks und später wird hier ab und an aufgelegt - inspiriert vom Plattenladen nebenan. Weiteres Glanzlicht ist die Aussicht vom schmalen Balkon.

LED-Gewölbe, Schickeria-Clubs und Plan B

Höhle trifft Regenbogen: In der Bar "É Prá Poncha" im Zentrum tauchen LED-Lampen die geschwungene Gewölbedecke in immer wieder neue Farben. Da schmeckt der Cocktail gleich noch besser.

In Porto gibt es viele Clubs, sogar viele gute. Einer der besten und größten ist das "Indústria" - internationale DJs legen hier am Wochenende vor allem House, aber auch andere Musikrichtungen auf, und Hunderte feiern dazu. Der Laden gehört übrigens António Pereira - der Portugiese hat sich als DJ Vibe international einen Namen gemacht - und Merche Romero, Model, TV-Moderatorin und Ex-Freundin von Cristiano Ronaldo.

Das "Twin's" war eine der ersten portugiesischen Diskotheken überhaupt, hat sich über die Jahre seinen Schickeria-Ruf bewahrt - und ist stolz darauf, dass hier immer noch Stars und Sternchen vorbeischauen. Wen das nicht stört, wird das gediegene Ambiente begeistern.

Portos hippe Kreative trifft man im "Aniki Bóbó". In dem angesagten Club, der nach einem portugiesischen Filmklassiker aus den Dreißigerjahren benannt ist, gibt es regelmäßig Livemusik. Außerdem liegt er in der Rua da Fonte Taurina direkt am Flussufer in der Ribeira in einem Haus aus dem 17. Jahrhundert.

Noch nichts dabei gewesen? Dann bleibt noch "Plano B". Eine Etage ist eine richtig gemütliche Bar, mit angegliederter Kunstgalerie. Im Untergeschoss feiert die etwas alternativere Szene.

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