Gibt es ein Leselicht am Bett, sind Schuhputzutensilien und Nähzeug vorhanden oder kann sich der Gast - auf einer Allergikermatratze liegend - von einem Concierge bedienen lassen? Mithilfe von 270 Kriterien klassifiziert sich die Hotelbranche selbst. Anfang dieses Jahres wurde die Checkliste zur Vergabe von Hotelsternen überarbeitet.
Denn, so Markus Luthe, Hauptgeschäftsführer des Hotelverbands Deutschland (IHA), "die Sterne haben nur dann eine Bedeutung für Hotelier und Gast, wenn sie tatsächlich den Erwartungen entsprechen". Und diese verändern sich mit den sich wandelnden Freizeitgewohnheiten. Digitalisierung, Sicherheit und Schlafkomfort spielen deshalb fortan eine größere Rolle als bisher bei der Sternevergabe durch den Deutschen Hotel- und Gaststättenverband (Dehoga).
Als alleiniger Kompass bei der Hotelsuche dienen die Sterne den Urlaubern aber schon lange nicht mehr. Eine Studie des TNS Infratest Instituts im Auftrag des Dehoga kam im vergangenen Jahr zu dem Ergebnis, dass 47 Prozent der Urlauber die Hotelsterne bei der Wahl ihres Feriendomizils berücksichtigen. 52 Prozent ziehen aber mittlerweile auch Bewertungen auf Online-Plattformen zu Rate, der Verband Internet Reisevertrieb geht sogar von einem etwas höheren Anteil aus.
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Das mag mitunter auch daran liegen, dass die Sternevergabe Schwächen hat: Die Zertifizierung ist freiwillig und international schwierig vergleichbar. Der Standard eines Vier-Sterne-Hotels in Dänemark entspricht nicht unbedingt dem Standard eines ebensolchen in Italien, denn die Hotelverbände der einzelnen Länder vergeben die Sterne nach eigenen Kriterien. Zwar hat sich der Dehoga Anfang 2010 mit anderen europäischen Hotelverbänden zur Hotelstars Union zusammengeschlossen, die ein einheitliches System in den Mitgliedsländern gewährleisten will. Allerdings sind noch längst nicht alle klassischen Urlaubsländer in dieser Union vertreten. Ein Ende des Sternewirrwarrs ist nicht in Sicht.
Wenn Hotelsterne nur bedingt miteinander vergleichbar sind, warum dann nicht gleich ganz auf sie verzichten? Schließlich werden Hotels auch im Internet detailliert bewertet - vom Umfang des Buffets bis hin zur Sauberkeit der Bettlaken. Das Vergleichsportal Holidaycheck bewertet Hotels mit Sonnen und vergibt den Holidaycheck Award, Tripadvisor den Travellors Choice Award. Auch Reiseveranstalter krönen Hotels mit Preisen. Mit dem Tui Holly Award zum Beispiel werden bereits seit 22 Jahren die besten 100 Hotels aus dem eigenen Angebot ausgezeichnet. Entscheidendes Kriterium auch hier: das Gesamturteil der Gäste.
Der Anteil der Urlauber, der sich an Bewertungen im Internet orientiert, hat sich laut TNS-Studie in den vergangenen sechs Jahren verdoppelt. Aber es hat im gleichen Zeitraum auch der Anteil derer, denen die Hotelsterne als Richtlinie dienen, um immerhin sechs Prozent zugenommen. Existiert der vermutete Konkurrenzkampf zwischen Online-Plattformen und klassischer Zertifizierung am Ende also gar nicht?
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Die Bedeutung der Hotelsterne habe sogar zugenommen, meint Markus Luthe: "Subjektive Bewertungen sagen nichts darüber aus, mit welcher Erwartungshaltung ein Gast einen Kommentar geschrieben hat. Deshalb bedarf es der objektiven Bewertung der Sterne." Tripadvisor-Pressesprecherin Pia Schratzenstaller hält dagegen: "Mit einer persönlichen Meinung sage ich viel mehr aus als mit vier Sternen aus einem starren Katalog." Jeder legt eben auf andere Dinge wert - Familien und Geschäftsleute dürften eine grundverschiedene Definition von "gut" haben.
Je mehr Bewertungen, desto besser
Hotelverband und Bewertungsportale scheinen dennoch ihren Frieden miteinander geschlossen zu haben, beide Seiten halten eine Koexistenz für wichtig. In der Hotelbranche weiß man ohnehin um den Mehrwert von Online-Portalen, deshalb gibt es bei der Sternevergabe Extrapunkte, wenn Hotels den Gast um eine Bewertung bitten. Und vor einer Zertifizierung klicken sich die Prüfer durch die Online-Bewertungen des Hotels. Blind vertrauen darf man natürlich keinem der Bewertungssysteme.
Beate Wagner, Juristin bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen, rät, bei der Hotelbuchung ganz genau hinzuschauen, um offizielle Dehoga-Sterne nicht mit einem alternativen Sterne- oder Punktesystem des Reiseveranstalters zu verwechseln. Bei Vergleichsportalen im Internet besteht das Problem, dass jeder eine Bewertung abgeben kann, ganz gleich, ob er überhaupt im gelobten Restaurant gegessen hat oder im negativ bewerteten Hotelpool geschwommen ist.
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Miika Blinn, Digitalexperte beim Bundesverband der Verbraucherschützer, rät deshalb, beim Sichten von Online-Bewertungen auf einige Dinge zu achten. Als Faustregel gelte: "Je mehr Bewertungen, desto besser. So kann ein ausgewogeneres Gesamtbild abgeleitet werden." Außerdem seien Bewertungen umso aufschlussreicher, je aktueller und detaillierter sie sind, und Verbraucher sollten auch darauf achten, wer diese verfasst hat. Zudem lohne es sich, verschiedene Bewertungsportale zu vergleichen.
Die Hotelsterne geben also Auskunft darüber, auf welchem Niveau online gemeckert oder gelobt wird und welche Erwartungen die Urlauber hatten. Den "ungeschminkten Blick auf das, was Urlauber vor Ort erlebt haben", gebe es laut Schratzenstaller dann bei Tripadvisor und Co. Und Luthe ist sich sicher: "Der Gast ist clever genug, das Beste aus beiden Welten zu finden. Objektiv wie subjektiv."