Süddeutsche Zeitung

Tourismus in Deutschland:Gefühlte Sicherheit

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Am Ende des Sommers zeigt sich: Der Trend zum Urlaub in Deutschland ist stark. Und das zunehmend auch bei Migranten.

Von Hans Gasser

Ausgerechnet die Migranten! Das ganze Jahr über war von Flüchtlingen die Rede, von Menschen, die nach Deutschland kommen, um hier sicher zu sein vor Krieg, Armut oder Verfolgung. Das macht manchen Deutschen so viel Angst, dass sie, wie jüngst in Mecklenburg-Vorpommern, die xenophobe AfD zur zweitstärksten Partei gewählt haben.

Dabei zeigt sich nun, dass die Assimilation von Migranten ziemlich gut vonstattengeht, zumindest, was das Urlaubsverhalten angeht. Laut einer Erhebung der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen (FUR) sind deutschsprachige Ausländer sogar noch eine Spur reiselustiger als die Deutschen selbst. Und sie machen gerne Urlaub im eigenen Land, womit sie voll im Trend liegen.

So wollten 46 Prozent der türkischstämmigen Bevölkerung laut einer FUR-Befragung in den nächsten drei Jahren einen Urlaub in Deutschland machen. 2015 hatten knapp zehn Prozent von ihnen bereits einen solchen verbracht, das waren immerhin 600 000 Urlaubsreisen. Zwar gibt es noch keine Zahlen für den gerade zu Ende gehenden Sommer, aber es ist wahrscheinlich, dass wegen des Terrors und des Putschversuchs auch viele Türkischstämmige zum Baden lieber nach Spanien oder an die deutsche Ostsee gefahren sind.

Xenophobie hin oder her, an Mecklenburgs Ostseeküste freut man sich über die vielen Fremden

Und dort, an der Ostsee, zum Beispiel in Mecklenburg-Vorpommern, freut man sich natürlich - Xenophobie hin oder her - über die vielen Urlauber, egal ob mit deutschem, türkischem oder polnischem Pass.

Das kleine Bundesland mit seinen nur 1,6 Millionen Einwohnern hat einen weiteren Rekordsommer hinter sich. Im ersten Halbjahr 2016 hat man mit 11,7 Millionen Übernachtungen das bisher beste Ergebnis in der Landesgeschichte erzielt, 4,6 Prozent mehr als im auch schon sehr erfolgreichen ersten Halbjahr 2015. Statistische Zahlen für Juli und August gibt es noch nicht. Aber gemäß einer Umfrage des Landestourismusverbandes unter 200 Beherbergungsbetrieben gaben 30 Prozent von ihnen an, in diesem Sommer noch besser als im vergangenen gebucht worden zu sein, knapp die Hälfte sprach von einer gleich hohen Auslastung wie 2015.

"Wir rechnen damit, in diesem Jahr erstmals die Grenze von 30 Millionen jährlichen Übernachtungen zu durchbrechen", sagt Tobias Woitendorf, Sprecher des Landestourismusverbandes. Als Grund nennt er den sich immer noch verstärkenden Trend zu Urlaub im eigenen Land, die "gefühlte Sicherheit" sowie die verbesserte Infrastruktur, also neue oder renovierte Hotels, die mehr Nachfrage schaffen.

Die Deutschen ließen sich auch in diesem Sommer trotz Terror und Unsicherheit nicht von ihren Urlaubsreisen abbringen. Statt in die Türkei, wohin laut einer Tui-Sprecherin rund 40 Prozent weniger Urlauber wollten, fuhr man eben nach Griechenland (zweistelliges Plus), Spanien (sehr voll), Kroatien und Italien. Außer der Türkei bekam vor allem Frankreich die Auswirkungen der Terroranschläge vom November 2015 und Juli 2016 zu spüren. Nicht nur nach Paris, sondern auch an die Côte d'Azur und in andere französische Baderegionen reisten laut Tui diesen Sommer weniger Urlauber.

Traditionell verbringt laut FUR etwa ein knappes Drittel der Deutschen ihre Haupturlaubsreise im eigenen Land, zwei Drittel zieht es ins Ausland. Im ersten Halbjahr 2016 wuchs der Deutschlandtourismus um drei Prozent. Neben Mecklenburg-Vorpommern sind Schleswig-Holstein und Niedersachsen mit der Nordseeküste sowie allen voran Bayern die Zugpferde im Deutschlandtourismus. Fast 41 Millionen Übernachtungen erzielte das Land im ersten Halbjahr 2016, das waren 4,9 Prozent mehr als im Vorjahr.

Nicht nur Oberbayern, auch Franken und Niederbayern mit dem Bayerischen Wald haben zugelegt, sagt Jens Huwald, Geschäftsführer der Bayern Tourismus Marketing GmbH. Er führt dies auf ein Bedürfnis nach authentischen Erlebnissen zurück, aber auch auf die in den vergangenen Jahren erfolgte Modernisierung vieler Hotels, die in Bayern lange etwa den österreichischen Nachbarn hinterherhinkten. Bayern profitiert besonders von vielen Kurz- und Städtereisenden, das nun beginnende Oktoberfest leistet hier einen dicken Beitrag.

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Quelle:
SZ vom 15.09.2016
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