Headhunters crossing!:Und Graman tanzt den Nashornvogeltanz

Sarawak hat den Ökotourismus für sich entdeckt

Nina Berendonk

Der Batang-Ai-Stausee liegt flaschengrün im dunstigen Licht. Mitten auf der Wasserfläche greifen kahle Äste wie erstarrte Hände aus dem Wasser. Bevor das Wasser kam, standen hier fünf Langhäuser. Wie ein Vorhang verbirgt Regen die Mündung des Sungai Engkari, auf die der kleine drahtige Mann jetzt zwischen den Baumspitzen hindurch zusteuert.

Headhunters crossing!: Bako Nationalpark Sarawak

Bako Nationalpark Sarawak

Die praus, die hölzernen Langboote der Iban, haben seit Jahrhunderten die gleiche bewährte Form, nur aus dem hochgebogene Heck wird heutzutage eine rechteckige Öffnung ausgesägt; der grellfarbene Yamaha-Außenbordmotor braucht Platz.

Über dem metallischen Grün des Flusswassers türmt sich das Gewirr des Urwalds auf, selten unterbrochen durch eine Pfefferplantage oder ein Trockenreisfeld. Ab und zu schreckt ein Vogel durch den Motorenlärm auf, sonst bleibt alles unbewegt. Keine Straße führt in diesen Teil Sarawaks, Flüsse stellen die einzigen Verkehrsverbindungen dar.

Manchmal grüßt der kleine Mann Menschen auf Booten, die ihm entgegenkommen. Männer mit Baseballmützen am Steuer, Frauen mit Reisstrohhüten im Bug, ihre kleinen Kinder vor sich im Fahrtwind.

Keine Körbe, keine Köpfe

Noch eine langgezogene Schleife, und der Wald gibt den Blick auf Nanga Ukum frei. Von der Bootsanlegestelle führen regennasse Betonstufen hinauf zum Langhaus. Dünne Hühner picken, und kleine gefleckte Hausschweine wälzen sich im Schlamm zwischen den Pfählen, auf denen das Haus ruht. Eine schmale Holztreppe führt hinauf in sein Inneres. Auf der Schwelle steht Jarau Bunya, auf Lebenszeit gewählter Häuptling von Nanga Ukum. "Seid Ihr gut im Langhaus angekommen?" Es gehört sich nicht bei den Iban, andere Menschen mit ihrem Namen anzusprechen; höfliche Fragen ersetzen Begrüßungen und Dank.

Schräges Licht fällt durch die grob gezimmerten Hauswände auf die Reisstrohmatten, die den Plankenboden des langgezogenen Gemeinschaftsraums bedecken. Gedämpftes Gemurmel kommt aus einer Ecke, in der einige alte Frauen zusammenhocken, ein magerer brauner Hund hat sich in ihrer Nähe zusammengerollt. Ein Blick nach oben - keine Körbe, keine Köpfe.

Nach und nach kommen auch die übrigen Bewohner des Langhauses aus den Türen an der Längsseite des Gemeinschaftsraumes, um sich die Besucher aus der Nähe zu besehen. 28 Familien leben hier unter einem Dach und teilen sich ihr langgezogenes Wohnzimmer, nicht aber ihre Küchen und Schlafräume.

Werden Gäste bewirtet, so trägt jeder seinen Teil bei. Und Geschenke werden sorgfältig aufgeteilt, bis zum letzten kandierten Bananenstückchen. Leider haben die Geister dem alten Schamanen keinen Traum geschickt, in dem er seinen Nachfolger hätte erkennen können. Deshalb übernimmt der Häuptling das Ritual, das den Geist des Langhauses den Besuchern gegenüber gnädig stimmen soll.

Körper sind Fotoalben

Jarau Bunya hat sich umgezogen und schwenkt im langen schwarzen Lendenschurz ein todgeweihtes weißes Huhn über den Köpfen der Umsitzenden. Ohne das bedruckte T-Shirt kann man seine Tätowierungen auf Hals, Schultern und Armen ganz sehen.

"Die Körper der Iban-Männer sind ihre Fotoalben", sagt Panch. Zumindest einmal im Leben muss sich ein Mann auf eine weite Reise begeben. Das ist seit Jahrhunderten Sitte. Wanderten die Krieger früher durch den Urwald zu Handelsplätzen, um dort Vogelnester, Schildkröteneier, Schnitzereien und Webarbeiten gegen Seide, Porzellan und Schmuck zu tauschen, arbeiten die jungen Männer heute für einige Monate auf Baustellen in Brunei oder Sabah, um anschließend mit gekauften Schätzen zu Heim und Herd zurückzukehren.

Nur ein weitgereister Mann ist ein echter Mann, nur so einer hat etwas zu erzählen. Aber wie festhalten, wo man war und was man erlebt hat, wenn beschriebenes oder belichtetes Papier sich in der feuchten Urwaldluft innerhalb weniger Jahre in Brei auflösen würde? Die Iban tragen ihre Erinnerungen deshalb zusammen mit Schutzsymbolen unter ihrer Haut: als Tätowierungen aus Ruß und Honig.

Graman tanzt den Nashornvogeltanz mit unglaublicher Anmut. Wahrscheinlich sieht der junge Mann mit seinem Lendenschurz, den schweren Silberreifen um die Knöchel und dem Langschwert in der Hand seinen blutrünstigen Vorfahren sehr ähnlich. Aber die traditionellen Zeichen auf der Haut tragen weder er noch seine Altersgenossen.

Die Moderne hat Einzug gehalten bei den Iban, auch in einem so abgelegenen Langhaus wie Nanga Ukum. Und die Luft wird dünn für diejenigen unter ihnen, die nach wie vor im, mit und vom Dschungel leben: Malaysia ist noch immer einer der größten Exporteure von Tropenholz, riesige Waldflächen werden jedes Jahr in Plantagen umgewandelt. Der Natur und den reichen Bodenschätzen verdankt das Land seinen heutigen Wohlstand.

Kampf gegen Planierraupen

Je weiter sich die Nation ihrem Ziel, dem Status einer voll entwickelten Industrienation, nähert, desto weiter könnte das Bewusstsein wachsen, dass man mit der Massenrodung nicht nur die grüne Lunge, sondern auch die größte Touristenattraktion Borneos zerstört. Besonders Sarawak hat den Ökotourismus für sich entdeckt, der sich aber ohne intakte Primärwälder und frei lebende Orang Utans vermutlich nicht erfolgreich verkaufen ließe.

Während sich einige Iban-Stämme den Planierfahrzeugen entgegen stellen, haben andere den geldwerten Vorteil begriffen, der ihnen eine intakte Natur bei den Touristen einbringt - eine beklagenswerte Entwicklung, aber unter Umständen die einzige Chance für Borneos Regenwälder. Ein Wettlauf gegen die Zeit, trotz allem.

Die Häuptlingssöhne Guyu und Kanna haben Glück. Ihr Langhaus gehört zu einem der großen Nationalparks des Landes, ihr Wald steht unter staatlichem Schutz. Die Bewohner anderer Siedlungen im Urwald könnten eines Tages gezwungen sein, in die großen Städte zu ziehen. Um nicht zu verhungern.

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