Bunker:Hamburgs höchster Park

Hamburg

Bunker trifft Stadtgarten: So grün, wild und zerzaust stellen sich die Planer das Dach vor - passend zum Viertel.

(Foto: Simulation: Planungsbüro Bunker/Matzen Immobilien)

Seit Jahren arbeiten Anwohner, Architekten und Denkmalinteressierte an der Verwandlung eines Bunkers auf St. Pauli - geplant ist auch ein Hotel. Über ein Projekt, das neue Maßstäbe setzen könnte.

Von Sabine Richter, Hamburg

Seit 2019 wird der ehemalige Flakbunker im Herzen St. Paulis um fünf pyramidenartige Geschosse erweitert - derzeit wohl eine der interessantesten Baustellen Deutschlands. Die Tragkonstruktion wiegt insgesamt etwa 33 500 Tonnen, was dem Gewicht von 60 vollbeladenen Airbus A 380 entspricht. Die neuen Etagen erhöhen den denkmalgeschützten Betonklotz, der im Zweiten Weltkrieg bis zu 25 000 Hamburgern Schutz geboten hatte, um rund 20 auf 58 Meter. Der Rohbau ist bald fertig, kürzlich wurde die oberste Decke betoniert.

Geplant war die Eröffnung bereits für dieses Jahr. Erst warf die Pandemie mit ihren Beschränkungen den Zeitplan über den Haufen, nun bremsen Lieferschwierigkeiten und Baustoffknappheit das logistisch komplexe Projekt. Auch die Architekten wechselten. Inzwischen betreut das Planungsbüro Phase 10 aus Freiberg in Sachsen das Projekt.

Wie es da oben aussehen soll? "Ein wenig wild, ein bisschen zerzaust"

Entstehen werden ein Hotel, mehrere Gastronomieangebote und eine Dreifeldhalle für Schulsport und Kulturveranstaltungen. Geplant sind auch Räume für Stadtteilkultur, Ausstellungsflächen und Unterkünfte für Stipendiaten und Künstler. Im ehemaligen Leitstand und auf weiteren Flächen wird ein Gedenk- und Informationsort für die Opfer des NS-Regimes und des Zweiten Weltkriegs entstehen.

Aufsehen wird vor allem der öffentlich frei zugängliche Dachgarten erregen. In einer Höhe von fast 60 Metern entstehen mehr als 7600 Quadratmeter Grün- und Gemeinschaftsflächen, gestaltet von Landschaftsarchitektur+ Holzapfel-Herziger & Benesch. Zusätzlich werden 1400 Quadratmeter Fassadenfläche begrünt.

Nach oben führt ein 300 Meter langer, fünf Meter breiter, mit einem Geländer gesicherter "grüner Bergpfad". Er schlängelt sich vom Haupteingang außen um den Bunker herum bis zum Dach. Hier werden Hamburger und ihre Besucher einen weiten Blick über die Stadt genießen können, über den Hafen, die Elbphilharmonie bis zu den Harburger Bergen und über das Alte Land.

Die Hälfte der notwendigen 24 Stahltragarme ist bereits montiert. Jeder wiegt etwa 5,5 Tonnen und wird mit mehreren, jeweils zwei bis drei Meter langen Gewindestangen in der Außenfassade befestigt. Das Bodenfundament des späteren Weges bilden etwa 20 Zentimeter hohe Spannbetonplatten mit einem zusätzlichen 24 Zentimeter hohen Aufbau. Den Stadtgarten können Besucher auch über zwei neue Außenfahrstühle an der Ostseite des Gebäudes erreichen. Der Zugang ist barrierefrei.

Das Projekt gilt als Paradebeispiel gelungener Bürgerpartizipation

Der terrassenartig angelegte Garten wird auch im Winter grün sein, deshalb wurden 4700 Bäume, Sträucher, Hecken und Kletterpflanzen gepflanzt. Arten, die vor allem im nordeuropäischen und alpinen Raum beheimatet sind und Frost, Hitze und Sturm in mehr als 50 Meter Höhe aushalten, so Frank Schulze, Sprecher des Bunkerprojekts. "Ein französischer Garten würde nicht zu St. Pauli passen. Also wird es hier auf dem Bunkerdach natürlich und urwüchsig aussehen, ein wenig wild, ein bisschen zerzaust."

Die Pläne für den ehemaligen Flakturm IV sind in vielerlei Hinsicht außergewöhnlich. Das liegt auch an den Ausmaßen: 75 mal 75 Meter beträgt die Grundfläche des Monolithen. Und: Das Bauvorhaben wächst sozusagen von unten. Die Verwirklichung gilt als Paradebeispiel gelungener Bürgerpartizipation. Seit 2014 arbeiten Anwohner, Architekten und Denkmalinteressierte in der gemeinnützigen Anwohnerinitiative Hilldegarden an der Umsetzung. Auf einer Vielzahl öffentlicher Veranstaltungen und Ideenworkshops wurde über das Projekt informiert, diskutiert und zum Mitmachen eingeladen.

Die geschätzten Umbaukosten von etwa 46 Millionen Euro sowie der Unterhalt des Gebäudes werden durch den Erbpächter und Bauherrn Matzen Immobilien KG getragen und über die neuen Mietflächen finanziert. Direkte öffentliche Zuschüsse der Stadt wird es für Bau und Betrieb nicht geben.

Die Firma hatte den Bunker 1993 bis zum Jahr 2053 gepachtet. Die Laufzeit des Erbbaurechtsvertrags wurde gegen Bereitstellung und Pflege der öffentlichen Park- und Nutzflächen bis 2067 verlängert. Der Bunker bleibt also in der Verwaltung des Erbpächters beziehungsweise seiner Firma EHP. Ein städtebaulicher Vertrag sichert diesen Status für die gesamte Dauer des Erbpachtvertrages.

Das Hotel im Bunker soll 136 Zimmer haben

Wie vor wenigen Wochen bekannt wurde, bekommt das geplante Hotel in der Aufstockung des Bunkers einen neuen Betreiber. Die Hamburger RIMC Hotel & Resorts Gruppe soll das Hotel und die Gastronomieflächen betreiben. Sie unterzeichnete im September den Vertrag mit dem Vermieter EHP und dem Bauherrn Matzen Immobilien. EHP hatte den Betrieb neu ausgeschrieben, nachdem die im Herbst 2019 vertraglich beschlossene Zusammenarbeit mit NH Hotel wegen der Corona-Krise im Juni 2021 aufgekündigt wurde. Welche Marke auf St. Pauli zum Zuge kommt, soll zeitnah bekannt gegeben werden. Es sei wichtig, dass sich der neue Hotelbetreiber "authentisch einfügt in die pulsierende Kreativszene der Umgebung", so Projektleiter Paul Hahnert.

Die RIMC Hotels & Resorts Gruppe gilt mit aktuell mehr als 30 Hotels in acht Ländern und mehr als 2000 Mitarbeitern als eine der großen Hotelgesellschaften in Europa. Die Gruppe betreibt zum Beispiel das Camp de Mar auf Mallorca, das Sheraton in Offenbach und das Hotel Timmendorfer Strand. Die Unterkunft im Hamburger Bunker soll 136 Zimmer haben.

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