Übernachten im Schiffshotel:Hotel mit Kreuzfahrtvergangenheit

Übernachten im Schiffshotel: Viel Jugendstil: die Rezeption des Hotels Cap Polonio.

Viel Jugendstil: die Rezeption des Hotels Cap Polonio.

(Foto: Hotel Cap Polonio)

Der Luxusdampfer "Cap Polonio" brachte einst Passagiere nach Südamerika. Heute kann man im Jugendstil-Mobiliar des Schiffes übernachten - an Land.

Von Ingrid Brunner, Hamburg

Es ist schön, wenn man keine Agentur beauftragen muss, um sich eine interessante Firmengeschichte erfinden zu lassen wie die Schnurre "Von der Garage zum milliardenschweren Unternehmensimperium". Viel besser, und sogar wahr, ist die Geschichte vom Schiffsingenieur Otto Olbers, der den Gedanken nicht ertrug, dass "sein" Schiff, auf dem er zur See gefahren war, verschrottet werden sollte. Weshalb die Cap Polonio am Ende ihres Schiffslebens für immer in Pinneberg vor Anker ging. Die Cap Polonio, Baujahr 1914, fuhr in den Goldenen Zwanzigern im Liniendienst zwischen Deutschland und Südamerika. Mit der Weltwirtschaftskrise endete auch die Zeit der eleganten Transatlantikkreuzer. Als Olbers, mittlerweile war er Hotelier in Pinneberg geworden, im Jahr 1935 erfuhr, dass die Cap Polonio in der Abwrackwerft von Wilhelmshaven ihres Schicksals harrte, ersteigerte er kurzerhand das Inventar der ersten Klasse, ließ es ausbauen und in zehn Barkassen über die Elbe und die Pinnau nach Pinneberg bringen.

Übernachten im Schiffshotel: Im Festsaal hängen Bilder aus der Zeit, als der Dampfer in Betrieb war.

Im Festsaal hängen Bilder aus der Zeit, als der Dampfer in Betrieb war.

(Foto: Ingrid Brunner)

"Da ziehen Verrückte ein", sagten die Pinneberger damals. Es war ein Umzug, von dem sogar die örtlichen Zeitungen berichteten: In 65 Fuhren wurde die Schiffsladung vom Hafen in Olbers Hotel Stadt Hamburg transportiert: Lampen, Stühle, Tische, Sofas, Wandvertäfelungen, Heizungsverkleidungen und Kaminschirme, bleiverglaste Fenster, sogar Säulen - alles schönster Jugendstil. Olbers machte sich mit fachlicher Hilfe eines Schreiners daran, die edle Ausstattung in sein Hotel einzubauen, das seither Hotel Cap Polonio heißt und heute von Olbers' Nachkommen in vierter Generation betrieben wird. Derzeit sechs Nachkommen bringen das Kunststück fertig, den Betrieb gemeinsam in Teilhaberschaft zu führen. Jeder kann, keiner muss mitmachen, so haben sie sich verständigt.

Einer, der mitmacht, ist Marc Ostermann, er ist Küchenchef. Sein Handwerk hat er im Hotel Vier Jahreszeiten in Hamburg erlernt und mit Koch-Größen wie Michael Hoffmann oder Thomas Martin gearbeitet. Ostermann hat gerade Pause vor dem Abendgeschäft. Er dreht einen mit grünem Lederpolster bezogenen Stuhl um und deutet auf die Signatur im Sitzrahmen. C. Friese, Kiel Möbelfabrik und S. S. Cap Polonia, Hamburg steht da, und, etwas weiter: Luxuszimmer. "In jeden Stuhl hatte man zusätzlich die Kabinennummer und das Deck eingeprägt - damit jeder vom Personal wusste, wohin der Stuhl gehört", sagt Ostermann. Er erzählt vom Urgroßvater, dem sie ihr ungewöhnliches Geschäftsmodell - gewissermaßen ein früher Vorläufer eines Themenhotels - verdanken.

Übernachten im Schiffshotel: Das Hotel Cap Polonio: Auch das Haus, Baujahr 1908, ist im Jugendstil erbaut und steht seit 2021 unter Denkmalschutz.

Das Hotel Cap Polonio: Auch das Haus, Baujahr 1908, ist im Jugendstil erbaut und steht seit 2021 unter Denkmalschutz.

(Foto: Volker Renner)

Wie es sich fügt, ist auch das Haus, Baujahr 1908, im Jugendstil erbaut und steht seit 2021 unter Denkmalschutz. Deshalb sei der Anbau aus den Achtzigerjahren, wie Marc Ostermann etwas gequält sagt, aus heutiger Sicht eine Bausünde. Tatsächlich tut es ein wenig weh, die frisch und fachgerecht renovierte Fassade und dann den daran gestückelten Trakt mit Hotelzimmern zu sehen.

Also geht man besser hinein und wird sogleich von maritimem Flair umfangen. Rötlich-dunkles Edelholz am Empfang, der früher wohl einmal die Rezeption an Bord war. In den Fluren und im Restaurant hängen Ölgemälde der Cap Polonio und ihrer berühmteren Schwester, der Cap Arcona. Alte Plakate werben für die Atlantikpassage auf der Cap Polonio nach Südamerika. Schwarz-Weiß-Fotografien zeigen, wie luxuriös es früher an Bord zuging: Schon damals gab es einen mit Palmen bestückten Wintergarten und einen Swimming-Pool, die Passagiere in züchtigen Bade-Anzügen. Besonders prunkvoll war der Festsaal, der auch im Hotel zu den Prunkstücken zählt: Wandpaneele aus sieben Holzarten, darunter Rosenholz, in Intarsien-Arbeit gefertigt. In die Vertäfelung integriert sind ovale Bilder, die Dampfschiffe und Hafenszenen der damaligen Zeit zeigen.

Doch am nächsten kommt man der Illusion, auf einem Schiff zu sein, im Restaurant Rolin. Es fehlt nur noch das leichte Rollen der Atlantikwellen. "Benannt ist es nach Ernst Rolin, der sowohl auf der Cap Polonio als auch auf der Cap Arcona Kapitän war", erklärt Cousin und Mitinhaber Philipp Harder-Lobe. Über der Tür steht in Messinglettern "Kommodore" - der Titel des ranghöchsten Kapitäns einer Reederei. Auch hier sorgen elegant geprägte Ledertapeten, eine kunstvolle Kassettendecke und prachtvolle Bleiverglasungen für nostalgische Kreuzfahrt-Romantik.

Übernachten im Schiffshotel: Am nächsten kommt man der Illusion, auf einem Schiff zu sein, im Restaurant.

Am nächsten kommt man der Illusion, auf einem Schiff zu sein, im Restaurant.

(Foto: Hotel Cap Polonio)

Doch das Restaurant wäre selbst ohne dieses Interieur einen Besuch wert. Was Marc Ostermann allabendlich auf die Teller drapiert, wäre einen Stern wert - so beispielsweise die Vorspeise, die Gazpacho von gegrillter Wassermelone, Ziegenfrischkäse und Gurkensorbet oder die in Kapern-Limonenbutter geschmorten Seeteufelbäckchen mit geröstetem Pulpo auf sardischer Pasta mit mediterranem Gemüse. Französisch geprägte und norddeutsch inspirierte Küche nennt Ostermann das eher bescheiden. Er habe sich einen Kreis von Lieferanten in der Region aufgebaut, die ihn mit erstklassigen Produkten versorgten, darunter auch Biobauern, die extra für ihn seltene Gemüsesorten anbauten: "Kerbelrübchen oder Knollenziest musste ich früher aus Frankreich beziehen."

Um einen Stern möchte er sich trotzdem nicht bewerben, er will lieber auch weiterhin ein Lokal für die Pinneberger sein, will in der Weihnachtszeit auch mal eine traditionelle Gans mit Rotkohl, Pflaumen und Maronencreme braten. Und mit kleinen Knödeln, sagt er, die seien doch noch besser als Salzkartoffeln. Trotzdem: "Dass viele Gäste aus Hamburg extra zu mir zum Essen kommen, macht mich stolz." Und von noch weiter her, darf vermutet werden.

Das Seefahrer-Gen habe keiner von Otto Olbers' Nachkommen geerbt, sagt Philipp Harder-Lobe. Sie haben wohl wie die Cap Polonio in Pinneberg einen Hafen gefunden. "Was der Urgroßvater für das Inventar bezahlt hat, kann ich Ihnen leider nicht sagen." Doch dass es eine Investition war, die sich gelohnt hat, ist offensichtlich.

Infos: Hotel Cap Polonio, Fahltskamp 48, 25421 Pinneberg, 04101-533-0, cap-polonio.de

Hinweis der Redaktion: Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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