Süddeutsche Zeitung

Städtereise:Wo man in Hamburg gute Musik erleben kann

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Die Beatles, Udo Lindenberg, schon klar. Aber was macht die aktuelle Musikszene in Hamburg aus? Tipps für Clubs, Musikkneipen und Festivals.

Von Till Briegleb, Hamburg

Hamburg ist ja die Geburtsstadt der Beatles. Nicht ihrer Musiker, aber der Band, die rund um die Große Freiheit in den Liveclubs ihre Kinder- und Rüpeljahre verlebte. Deswegen startet jetzt rund 63 Jahre nach deren erstem Auftritt am 17. August 1960 im Indra auf St. Pauli ein Fan-Festival mit Coverbands und anderen Pilzkopf-Jüngern, das in rührender Anhänglichkeit das Elternrecht für die Fab Four für Hamburg reklamiert: die "Come Together Experience" am 30. Juni und 1. Juli. Das Programm findet seine Spielorte in den Kiez-Clubs, die es teilweise schon damals gab, darunter das Indra selbst.

Aber die eigentliche Ansage, dass Hamburg immer noch eine junge Musikstadt ist, obwohl die meisten Menschen dabei an Udo Lindenberg denken, kommt vom Reeperbahn-Festival, das die Tradition von St. Pauli als Herzzentrum der norddeutschen Popmusik als nun größtes Club-Festival Europas weiter trägt. Etwa 400 Konzerte bot das erste Festival nach den Pandemieeinschränkungen 2022 in Clubs und Clübchen, zu denen 40 000 Gäste strömten.

Der vier Tage den Stadtteil unter Beschlag nehmende Popmusik-Rummel ist mittlerweile auch ein internationaler Branchentreff. Wobei das eitle Rumgerenne von Menschen mit Plastikausweisen um den Hals sich für manche Indie-Seele schon so anfühlt wie die Kontinentaldrift zwischen Fußballfans und Fifa.

Aber trotz des enormen Expansionsdrangs des 2006 in kleinem Rahmen gegründeten Konzertmarathons bietet das Reeperbahn-Festival noch immer einen breiten Fächer von jungen Talenten bis würdig gealterten Stars wie Billy Bragg, der einer der Headliner der neuen Ausgabe Ende September sein wird. Und die Clubszene profitiert natürlich von dem Massentreiben, selbst wenn viele Gäste bei der Fülle des Programms Verpassenspanik ergreift, sodass sie überall nur drei Lieder lang bleiben.

Eine der Krachhöhlen, die seit Jahren für das Gedeihen der konzernunabhängigen Vielfalt in Hamburg sorgen, hätte sogar beinahe mal ein Hochhaus zum Einsturz gebracht. Ein Konzert der deutschen Punkband Madsen im Molotow Club, der damals noch im Keller des Nachkriegsensembles "Esso-Häuser" am Spielbudenplatz beheimatet war, soll 2013 einen so lauten Knack im Beton ausgelöst haben, dass die Hochhausscheiben noch in der Nacht zwangsgeräumt wurden. Seither befindet sich das Molotow auf der Westseite der Reeperbahn, ist aber auch hier noch der vielleicht wichtigste Verteiler der Botschaft, dass Livemusik glücklich machen kann.

Wie schon zu Zeiten von John und Paul spielt sich das subkulturelle Musikleben weiter primär in Gemäuern auf St. Pauli ab. Hier sind die großen Musikhallen von Docks, Große Freiheit und Kaiserkeller, deren Betreiber sich während der Pandemie leider durch laute Querdenker-Botschaften in der Clubszene völlig isoliert hatten. Der 1968 gegründete Grünspan mit seinem einflussreichen Wandbild von Werner Nöfer und Dieter Glasmacher liegt direkt daneben. Hier ist meist Disko, aber es gibt auch Konzerte im Tanzsalon von 1889, zu dem auch das Indra gehört, der Kreißsaal des Beatles-Debüts.

Das Schlupfloch für Bohemiens und ihre Musik ist der Golden Pudel Club, der nach einer langen wechselvollen Geschichte heißer Nächte, aber auch der Abrisse und Brände in einem bunten Betonblock bei der Hafenstraße fortlebt. Der mehr dem Soul-, Jazz- und Tanzgenre verpflichtete Mojo Club, in dem unter anderem die Aftershow-Partys des Elbjazzfestivals stattfinden, liegt unter einem gigantischen aufklappbaren Gullydeckel zwischen Tanzenden Türmen und Operettenhaus, Reeperbahn 1. Hier hatte der Club mit seinen legendären Konzerten und Tanznächten 1989 in einer leer stehenden Bowlingbahn begonnen, die wie so vieles in der Gegend nicht als kreativer Nukleus gewürdigt, sondern für ein Investorenprojekt abgerissen wurde.

Dieses destruktive Schicksal droht jetzt auch einem der wichtigsten Musikschuppen der Stadt, den Astra Stuben in der Sternschanze, einer ehemaligen Kneipe in einem Bahnviadukt, in der bestimmt jede Hamburger Band schon einmal aufgetreten ist - mit Blick von der Bühne durch die Scheiben auf die prägnante Stahlnietenbrücke, die jetzt mit allen umliegenden, teils denkmalgeschützten Häusern und weiteren Club-Katakomben geschleift werden soll, damit die Deutsche Bahn eine in Ausmaß und Aussehen nur monströs zu nennende Neubauüberführung hinquälen kann.

Fernab dieser umkämpften Areale im Zentrum bildet sich im Sommer ein weiteres temporäres Anziehungsfeld für Konzertgänger. Das Internationale Sommerfestival auf Kampnagel, das 1986 als Theaterfestival gegründet wurde, bietet inzwischen ein zwischen Musik und Performance ausbalanciertes Programm in drei Augustwochen - diesmal unter anderem mit dem Sun Ra Arkestra, natürlich ohne Sun Ra. Das Beatles-Festival findet ja auch ohne John und George statt. Aber vielleicht mit Paul und Ringo?

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