Neustart im Herbst:Hamburg im Kulturrausch

St. Pauli Theater

"Liebe in Zeiten des Abstands": Das St.-Pauli-Theater führt ein Stück auf, in dem es um die in der Pandemie etwas komplizierte Nähe geht. Hier die Schauspielerinnen Katharina Wittenbrink (links) und Katharina Blaschke.

(Foto: Oliver Fantitsch)

Literaturfestival am Hafen, Theater im Kiez, Dylan-Revival in der Elbphilharmonie: Die Stadt erwacht. Und versucht zu klären, wem Einlass gewährt wird.

Von Peter Burghardt

Ach Corona, schwere Zeiten, auch für Künstler. Und dann noch der Hamburger Kiez, wo sich die Menschen ja grundsätzlich gerne nahekommen, in allen Lagen. Da hatte der Regisseur und Komponist Franz Wittenbrink eine Idee, als ihn das St.-Pauli-Theater vor ungefähr einem Jahr um einen standesgemäßen Beitrag bat. Es entstand ein Liederabend mit diesem Titel: "Nicht anfassen! Liebe in Zeiten des Abstands".

Das Plakat dazu, man findet es häufig in Hamburg, zeigt einen Hintern mit grünem Slip und gelbem Handabdruck. Absolut jugendfrei, das St.-Pauli-Theater liegt zwar am Spielbudenplatz an der Reeperbahn, aber gleich neben der Davidwache. Es ist eines der ältesten Theater Deutschlands, gegründet 1841. Und Wittenbrinks Stück ist Musiktheater. Es geht, so liest man, um die in der Pandemie etwas komplizierte Nähe, in diesem Fall dreier Generationen von Frauen und Männern. "Dass der Mensch eigentlich ein soziales Wesen ist und die Sehnsucht nach Glück, nach Zweisamkeit, nach Gemeinschaft eigentlich eine der Haupttriebfedern des Menschen ist, haben uns auch die beiden Lockdowns nicht austreiben können", heißt es in der Ankündigung des Hauses.

Mit neuen Konstellationen und Umgangsformen würden sich die Figuren begegnen, drei Schauspielerinnen und drei Schauspieler, "mit Witz und Phantasie". Schöpfer Wittenbrink, 73, komponierte Songs und verwandelte andere - aus "Bad" von Michael Jackson wurde "Fett", mangels Bewegung. Er hat Erfahrung mit Kuriositäten, er schuf in seiner ausgedehnten Karriere unter anderem das Stück "Sekretärinnen" am Deutschen Schauspielhaus, es handelt vom täglichen Wahnsinn im Großraumbüro. Oder "Lust" am St.-Pauli-Theater. Lust und Großraumbüro litten zuletzt unter der Prämisse des Social Distancing, und die Umstände der Ära Home-Office verzögerten auch die Vorführung dieses Projekts: Die Proben hatten längst begonnen, trotz allem, die Ankündigung hing schon für Februar in den Schaukästen. Aber die Bühnen waren dicht. An diesem Mittwoch war nun die Voraufführung, an diesem Donnerstag ist Premiere.

St. Pauli Theater; St. Pauli Theater

3 G, mit 2 G, mit 2 G+? Im St.-Pauli-Theater hat man Corona-Abstandshalter aufgebaut.

(Foto: St. Pauli Theater)

In ganz Hamburg wird wieder gespielt oder gesungen, nach den Monaten der Zwangspause. Allein 14 Premieren melden im September die größten Theater der Stadt, darunter Dostojewskis "Der Idiot" am Thalia-Theater oder "Die Brüder Karamasow" und Shakespeares "Richard the Kid & the King", die gefeierte Salzburger-Festspiele-Inszenierung von Karin Henkel, am Deutschen Schauspielhaus. Oder "Wicked - Das Musical" im Stage Theater Neue Flora.

Es ist die Fortsetzung eines Kulturrausches, mit dem sich Hamburg aus der strengsten Phase im Kampf gegen die Viren verabschiedet. Von Mitte Juli bis Mitte August waren es Veranstaltungen, die unter dem Motto "Play it loud" häufig draußen stattfanden, eine Art Katharsis. Mehr als 185 000 Besucher meldeten die Veranstalter bei diesem Comeback. Jetzt beginnt zum Beispiel das Harbour-Front-Literaturfestival, an diesem 9. September mit Frank Schätzing im Kleinen Saal der Elbphilharmonie. Dann sind da auch das Reeperbahn-Festival und das Filmfest Hamburg.

Die Elbphilharmonie ist seit Anfang Juni wieder live, demnächst feiert dort Wolfgang Niedecken Bob Dylan, es folgt die Sächsische Staatskapelle mit Christian Thielemann. Anfang Oktober kommen die Wiener Philharmoniker mit Dirigent Alain Altinoglu und Gautier Capuçon am Violoncello, sie geben Antonín Dvořák und César Franck. Die Elbphilharmonie, dieser Hamburger Welterfolg - am 11. Januar 2022 wird sie schon fünf Jahre alt.

Mit 3 G, mit 2 G, mit 2 G+? Das sind Grundsatzfragen in diesen Wochen, da Hamburgs Kulturwelt wieder so richtig erwacht. Häusern, die mitmachen, bietet der rot-grüne Senat von Bürgermeister Peter Tschentscher die Option 2 G an, also Zutritt nur für Geimpfte und Genesene, nicht auch für Getestete. Dafür dürfen sie wie früher alle Plätze füllen. Die einen versuchen es, andere warten ab, es gibt viele Details zu klären. Christoph Lieben-Seutter regt die Version 2 G+ an, bei denen auch jene Zutritt hätten, die ein negatives PCR-Testergebnis vorweisen können. Bei "Nicht anfassen!" im St. Pauli Theater gilt noch 3 G. Mit Abstand, klar.

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