Wenn die "Space Program"-Ausstellung von Tom Sachs in den Deichtorhallen ironisch mit der Phantasie spielt, die Menschheit könnte vor den Konsequenzen ihrer Weltverschwendung ins All fliehen, dann ist die Hobenköök der Gegenentwurf: ein Ort, der zeigt, wie der Planet durch eine sehr geerdete Einstellung vielleicht doch noch zu retten ist - und zwar mit Genuss. Die große "Hafenküche" mit Markthalle und Restaurant, die einen Steinwurf hinter den Deichtorhallen im Oberhafenquartier liegt, hat sich einer gesunden und nachhaltigen Ernährungskultur verpflichtet, die strikt regional und saisonal arbeitet. Außer Wein, der nun leider gar nicht im Regen der norddeutschen Tiefebene gedeiht, kommt alles hier aus der Gegend zwischen Nord- und Ostsee.
Wässrige Kiwis oder Erdbeeren im Winter sucht das Kundenvolk hier vergeblich. Dafür schmecken die hübsch verpackten Produkte aus über 200 norddeutschen Biohöfen und Privatmanufakturen, die in der ehemaligen Güterabfertigungshalle verkauft und gekocht werden, so echt wie vor der Agrarindustrialisierung. Denn es war die Zunge eines Kochs, die zu dieser ökologischen Supermarkt-Alternative in der HafenCity geführt hat. Thomas Sampl, ein Gourmet-Chef, der vorher in Luxushotels und Edelrestaurants kochte, fand den Geschmack von Industriefleisch schon lange fad, als er sich aufmachte, Bauern in der Region zu besuchen und deren Weidetiere zu probieren. Aus diesen Kaumomenten erwuchs sein Netzwerk des Besseren.
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Irrsinn, der nach Umkehr verlangt
Sampl gründete vor drei Jahren mit der Anschubfinanzierung der Regionalwert AG, einer Organisation zum Aufbau ökologischer Lebensmittelerzeugung, seine "Hobenköök", und legt seither Wert darauf, dass er alle seine Lieferantinnen und Lieferanten persönlich kennt. Und deren Käse, Spargel, Gin oder Filet auch wirklich schätzt. Mit dieser Suche nach dem besseren Gaumenschmaus wuchs bei Thomas Sampl die Einsicht, dass der Irrsinn von Massentierhaltung, unreifen Früchten, die auf ihrer Containerreise um den halben Globus statt Geschmack nur Treibhausgase produzieren, und Lebensmittel, die mit Geschmacksverstärkern, Zucker und Salz überhaupt erst genießbar gemacht werden müssen, nach völliger Umkehr im Agrarsektor verlangen.
Mittlerweile veranstaltet Sampl in seiner quirligen Markthalle der guten Waren auch Gespräche mit Experten, die plausibel darlegen, warum Billigware im Supermarkt fälschlich "billig" heißt. Würden die Folgekosten der Agrarindustrie für Klima, Ozeane, Wälder, Gesundheit und aussterbende Tiere von den Herstellern und nicht den Steuerzahlen erbracht, wäre das Kotelett zwischen Styroporbett und Plastikfolie im Discounter um ein Vielfaches teurer. Und würde trotzdem nicht besser schmecken.
Aus dem Wunsch nach Leckerem entstand so eine ökologische und gesellschaftliche Mission in der Hobenköök, die zu einem der zentralen Zukunftsthemen eine abwechslungsreiche Hoffnung kocht. Vier Mahlzeiten, eine vegan, eine vegetarisch, einmal Fisch sowie Fleisch, werden aus den saisonal vorhandenen Produkten der Markthalle jeden Tag neu zubereitet. Bekehrung geht hier durch den Magen. Und die Botschaft kann aus dem großen Angebot auch mit nach Hause genommen werden: Weltrettung schmeckt super. Was nicht schmeckt, ist nicht nur Betrug am Gaumen.