Ausstellung in Hamburg:Freuds Fotograf

Der Fotograf Max Halberstadt
7. Mai 2021 bis 3. Januar 2022 im Museum für Hamburgische Geschichte

Am Hafen: Eine undatierte Aufnahme Halberstadts zeigt die Landungsbrücken von St. Pauli.

(Foto: Sammlung Rosenthal)

Max Halberstadt porträtierte den Psychoanalytiker und viele weitere Prominente, machte Landschaftsaufnahmen und Reklame. Bis die Nationalsozialisten an die Macht kamen. Eine Ausstellung entdeckt ihn nun neu.

Interview von Catrin Lorch

Max Halberstadt ist ein unbekannter Name in der Geschichte der Fotografie. Bislang wurden ihm höchstens die Porträts von Sigmund Freud, seinem Schwiegervater, zugeordnet - und dann wurde sein Werk erstmals im Rahmen der Ausstellung "Verdrängt, vertrieben, aber nicht vergessen" im Altonaer Museum gezeigt. Jetzt widmet ihm das Museum für Hamburgische Geschichte eine biografische Schau. Ein Gespräch mit dem Kurator Wilfried Weinke.

SZ: Wie kam es zu diesem Projekt?

Wilfried Weinke: Eigentlich begann das Projekt mit einem Fax, das ich im Jahr 1999 erhielt - aus Südafrika. Damals suchte ich für eine Ausstellung nach Fotografen jüdischer Herkunft. Und da meldete sich die in Johannesburg lebende Tochter von Max Halberstadt, die mir auch direkt eine Fotografie ihres Vaters zuschickte. Ein Porträt von Sigmund Freud. So begann meine Recherche. Ich bin Sammler und Jäger - und fand Bücher, Zeitungen, Fotografien, in denen Fotografien von Halberstadt gedruckt waren. Nach dieser Ausstellung zu den vier Fotografen im Jahr 2004 ist dies die erste Präsentation, die allein seinem Leben und seinem Werk gilt. Wir zeigen ihn von der Geburt in Hamburg im Jahr 1882 bis zu seinem - frühen - Tod im Alter von 58 Jahren in Johannesburg.

Der Fotograf Max Halberstadt
7. Mai 2021 bis 3. Januar 2022 im Museum für Hamburgische Geschichte

Max Halberstadt im Selbstporträt. Eigentlich wollte er Elektrotechniker werden. Aber das erlaubte die streng gläubige jüdische Familie nicht.

(Foto: Sammlung Spangenthal)

Wie fand Max Halberstadt zu dem damals noch jungen Medium der Fotografie?

Er stammte aus einer jüdischen Familie, sein Vater war koscherer Fleischer. Eigentlich hätte Halberstadt gerne Elektrotechnik studiert, aber dann hätte er am Sabbat arbeiten müssen, das erlaubte die Familie nicht. Als Fotograf war die Arbeitsgestaltung freier. Nach einer Ausbildung bei Rudolf Dührkoop reiste er durch Europa, war in Frankfurt, München und Paris, bevor er im Jahr 1907 sein eigenes Atelier eröffnete und 1909 die Meisterprüfung ablegte, da war er gerade mal 27 Jahre alt. Er wurde bei der Handwerkskammer schnell selbst verantwortlich für die Prüfung der angehenden Meister.

Ausstellung in Hamburg: Wilfried Weinke ist promovierter Literaturwissenschaftler, Publizist und Kurator zeitgeschichtlicher Ausstellungen. Er hat Bücher zur deutsch-jüdischen Geschichte Hamburgs und zur Exilliteratur veröffentlicht.

Wilfried Weinke ist promovierter Literaturwissenschaftler, Publizist und Kurator zeitgeschichtlicher Ausstellungen. Er hat Bücher zur deutsch-jüdischen Geschichte Hamburgs und zur Exilliteratur veröffentlicht.

(Foto: Ursula Wamser)

Das heißt, er arbeitete ab dann in Hamburg?

Ja, vor allem war er als Porträtist und Kinderfotograf sehr geschätzt. Er konnte eine Form von Natürlichkeit und Ungezwungenheit auf seinen Kinderbildern einfangen, die außergewöhnlich ist. Max Halberstadt erstellte Collagen, Landschaftsaufnahmen, aber auch Reklamefotografien für Unternehmen wie Siemens, Reemtsma, Dralle und Darboven. Zudem war er Mitbegründer der "Gesellschaft Deutscher Lichtbildner", der ersten berufsständischen Organisation der Fotografen. Schon im Jahr 1920 würdigte ihn das Fachmagazin Der Photofreund mit einem eigenen Heft.

Der Fotograf Max Halberstadt
7. Mai 2021 bis 3. Januar 2022 im Museum für Hamburgische Geschichte

"Lieber Papa": Noch bei der Emigration im Jahr 1936 schreibt Max Halberstadt seinen Schwiegervater Sigmund Freud so an. Alle offiziellen Fotografien, die es von Freud gibt, stammen von Max Halberstadt.

(Foto: Sammlung Weinke)

Und wie kam es zu den zahllosen Porträts von Sigmund Freud? Der lebte doch in Wien?

Halberstadt war der Schwiegersohn, er hatte dessen Tochter Sophie im Jahr 1913 geheiratet. Sophie starb allerdings schon früh im Jahr 1920. Sigmund Freud hatte ein inniges Verhältnis zu Max Halberstadt, er redete ihn in Briefen als "mein lieber Sohn" an und unterstützte die Familie während des Ersten Weltkriegs auch finanziell. Noch bei der Emigration im Jahr 1936 schreibt Max Halberstadt an ihn mit der Anrede "Lieber Papa". Auch deswegen lag es nahe, dass Freud ihn zu seinem Porträtisten erklärte, alle offiziellen Fotografien von Freud tragen den Namen Halberstadt als Urheber. Doch die Familie konnte nach dem Tod im Jahr 1940 in Südafrika die Copyrights nicht wahrnehmen, seine Witwe arbeitete in einem Labor, die Tochter musste aus ökonomischen Gründen die Schule abbrechen und wurde Schneiderin. Dennoch ist es erstaunlich, dass sein Name bis heute eine Leerstelle in der Geschichte der Fotografie ist, so aktiv und anerkannt Halberstadt bis zur Machtübertragung an die Nationalsozialisten war.

Aber wie konnte ein so prominenter Fotograf vergessen werden?

Nach dem Krieg gelangten etliche ehemalige Propagandafotografen aus der NS-Zeit in der Bundesrepublik in einflussreiche Positionen. In Hamburg war es zum Beispiel Fritz Kempe, er leitete nach 1945 die Staatliche Landbildstelle Hamburg und verfasste eine Geschichte der Fotografie in der Hansestadt. Dabei unterschlug er die Namen zahlreicher jüdischer Fotografinnen und Fotografen. Kempe wählte Formulierungen wie "Er ging ins Exil" oder "entzog sich der Arisierung". Ich finde das skandalös. Nicht einmal bei der Feier zum fünfzigjährigen Bestehen der "Gesellschaft Deutscher Lichtbildner" fand Halberstadt Erwähnung. Der Bruch, die Zäsur des Jahres 1933 in Deutschland, ist zumindest auf Hamburg bezogen vollkommen unterbelichtet.

Der Fotograf Max Halberstadt
7. Mai 2021 bis 3. Januar 2022 im Museum für Hamburgische Geschichte

Der Dokumentarfotograf Max Halberstadt hält das Treiben am Altonaer Fischmarkt fest.

(Foto: Sammlung Rosenthal)

Sie zeigen auch viel biografisches Material, arbeiteten eng mit der Familie zusammen.

Max Halberstadt ist erst im Jahr 1936 geflohen, seine Frau und seine Tochter konnten wenig später folgen. Wir zeigen jetzt auch Teile seiner Auswanderungsakte, in der er deklarieren musste, was er mitnehmen möchte: Geräte, Fotos, Filme. Man kann nachvollziehen, unter welcher Drangsal er stand. Die Tochter war damals elf Jahre alt - von ihr und ihren beiden Söhnen, die in den USA und in England leben, haben wir Material erhalten. Uns war es wichtig, sein Leben und sein Werk zu kontextualisieren. Wir zeigen auch Zeitungsausschnitte und Werbemotive, Glasnegative, sogar ein Autochrome, ein farbiges Selbstporträt Halberstadts. Es geht nicht nur um Vintage-Meisterwerke, sondern das ganze Leben dieses Fotografen. Leider verfügen wir kaum über Selbstaussagen, es gibt nur ein paar Briefe aus dem Exil an seine Frau, die ihm erst nach einem halben Jahr folgen konnte.

Wird es einen Katalog geben?

Den konnte ich bis zu Ausstellungsbeginn nicht fertigstellen. Aber das ist ein Glück: Mir werden seit der Vernissage immer wieder neue Sachen angeboten. Viele Hamburger kommen mit Fotografien - jüdische Familien aus der ganzen Welt haben sich gemeldet mit Fundstücken. Der Katalog wird nun in einer um viel neues Material erweiterten Form im nächsten Jahr herauskommen. Die Ausstellung ist noch nicht das Schlusswort in der Beschäftigung mit Max Halberstadt.

Die Ausstellung "Der Fotograf Max Halberstadt ,... eine künstlerisch begabte Persönlichkeit'" ist im Museum für Hamburgische Geschichte bis zum 3. Januar 2022 zu sehen.

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