"Die alte Druckerei" in Hamburg:Wein für alle

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Valerie Kauffeldt trägt eines der Mitarbeitershirts ihrer Bar - auch eine Hommage an ihren Papa, der hier früher gedruckt hat. (Foto: Anja Martin)

Trauben statt Typo: Eine junge Gastronomin will in Hamburg Gleichaltrige dort für Wein begeistern, wo lange Papier bedruckt wurde.

Von Anja Martin, Hamburg

Valerie Kauffeldt trägt das gleiche Shirt wie ihre Angestellten. Es ist schwarz, mit drei kleinen weißen Buchstaben in der Mitte: "dad" steht da. Die einen lesen Vater, die anderen sehen es als Akronym aus den Anfangsbuchstaben der Weinbar "Die alte Druckerei". Beides ist richtig. Die 28 Jahre alte Hamburgerin, blonder Pagenschnitt, blaue Augen, hat zwar nicht, wie man das sonst häufig kennt, den elterlichen Betrieb übernommen, dafür aber die Betriebsräume und mit ihnen ganz viele Erinnerungen. 45 Jahre lang führten zuerst ihr Opa, dann ihre Eltern im Kontorhausviertel in der Innenstadt eine Druckerei. Dann zogen sie mit dem Unternehmen an den Stadtrand, um ihrer Tochter die Fläche für eine eigene Geschäftsidee zu überlassen.

Wenn Kauffeldt an ihre Kindheit denkt, erinnert sie sich an den Geruch von Papier und die Lautstärke der Druckmaschinen, denn sie war mit ihren Geschwistern oft hier und durfte sich bunte Schnipsel und Aufkleber zum Basteln mitnehmen. Das Danke an die Eltern und die Wertschätzung fürs Vergangene - das steckt überall in ihrer Weinbar. Die Hinweise sind subtil, wollen sich nicht aufdrängen, sondern aufgefunden werden, denn das Plakative mag Valerie Kauffeldt nicht.

Außer dem Namen des Lokals und den Shirt-Aufdrucken sind das etwa die alten Farbdosen auf einem Regalbrett in der Ecke und eine hängende Papierbahn für wechselnde Sinnsprüche. Die Weinkarte wird selbstredend bei den Eltern auf Papier gebracht und klemmt auf einer alten Druckplatte. Eine antike Holzkommode beherbergte früher Buchstaben für den Bleisatz. Manches weist noch weiter zurück: Da ist ein kleiner Tresor, im Keller ein größerer. Denn die erste Nutzerin der Räume war eine Bank.

Ein Neuanfang mitten in der Pandemie

Aus produzierendem Gewerbe eine Gastronomie zu machen, und das in einem denkmalgeschützten Kontorhaus, erwies sich jedoch langwieriger als gedacht. Auch wenn die Maschinen der Druckerei viel lauter waren als das Ploppen von Korken und das Klirren der Gläser, mussten eine Schallschutzdecke installiert und Trittschall verlegt werden. Es brauchte eine neue Tür, weil die alte nach innen aufging, neue Fenster, weil der Austritt als Fluchtweg ein paar Zentimeter zu schmal war, rollstuhlgerechte Toiletten. Mit ihrer besten Freundin erstellte Kauffeldt das Raumkonzept, entwarf den Tresen, riss Wände raus und Tapeten runter. Elektrik und Wasser mussten neu gelegt werden.

Liebevoll neu gestaltet: die Räumlichkeiten der einstigen Druckerei. (Foto: Anja Martin)

"2020 habe ich komplett dafür gebraucht", sagt die Junggastronomin. Wenigstens deckte sich die Startverzögerung mit dem ersten Jahr Corona. Erst der zweite Lockdown machte sie nervös, denn nun war sie fertig, hatte viel investiert, zahlte schon lange Miete, bekam keine Corona-Hilfen und wollte endlich loslegen.

Inzwischen ist "Die alte Druckerei" seit einem Jahr offen, und Kauffeldt zufrieden. Auch die Gäste sind so, wie die Besitzerin es sich vorgestellt hat. "Leute wie ich." Soll heißen: Die Mehrheit ist zwischen 25 und 35 Jahre alt. Sie gehen gern aus und verbringen Zeit mit ihren Freunden. "Ich wollte nicht, dass hier nur Anzugträger reinkommen, die schlau über Wein fachsimpeln", erklärt sie. "Wein ist so ein schönes Produkt, ich wollte es einfach nahbarer machen."

Von Säbeln und kleinen Amseln

Sie selbst hat ihre Liebe dazu während des Hotelmanagement-Studiums bei einem halbjährigen Sommelierkurs in Südafrika erkannt. Die Zahl von 110 Weinen auf der Karte soll nicht abschrecken, sondern neugierig machen. Deshalb hat sie mindestens vierzig davon offen, schenkt 0,1 und 0,2 aus, damit sich Gäste durchprobieren und Entdeckungen machen können. Meist sagen Weinkarten nur den Kennern was, findet sie. Darum beschreibt sie die Weine kurz, verständlich, ohne viele Fachbegriffe und sehr persönlich, auch mit Funfacts.

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Wer weiß schon, dass Merlot "kleine Amsel" heißt, entweder weil die Traube so dunkel ist oder weil die Amseln sie so mögen. Dass es Napoleon war, der mit dem Sabrieren von Champagner anfing, also dem Öffnen der Flasche mit einem Säbel. Dass Pinot Noir leicht Sonnenbrand bekommt, Bordeaux Verschnitt ist, Vinho Verde definitiv nicht aus grünen Trauben gemacht wird, aber aus einer grünen Gegend kommt.

Eigentlich als Gag gedacht sind die ungewöhnlichen Kategorisierungen, die aber funktionieren. Wer wenig Zeit hat, kann die Auswahl über die Stimmung des Abends treffen. So finden sich Vorschläge für eine "Ladies Night", "Deep Talk" oder "Easy to drink". Was Kauffeldt unbedingt vermeiden möchte: "Dass der Gast halt einen Grauburgunder bestellt." Das wäre nicht nur langweilig, sondern auch schlicht unpassend für einen Ort, der früher voller Farben und bunten Papieren war.

Weitere Informationen unter die-alte-druckerei.de

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