Großbritannien: Skurriler Grabstein:Letzte Ruhe unter Rädern

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Bestattung auf Britisch: Auf der Insel der Exzentriker dürfen Spleens auch nach dem Tod ausgelebt werden. So ziert das Grab von Autoliebhaber Steve Marsh ein schwarzes Cabrio aus Granit.

Graue Wolken hängen am Himmel über dem Londoner Manor Park Friedhof. Durch ein opulentes Tor sieht man bereits den kleinen Turm der Kapelle, die an das Krematorium grenzt. Vorbei an moosbedeckten, viktorianischen Gräbern geht es durch den neueren Teil des Friedhofes - und da ist es dann: das etwas andere Grab.

Ein schwarzes Cabrio aus Granit schmückt das Grab von Steve Marsh im Manor Park Friedhof im Nordosten Londons. (Foto: dpa)

Steve Marsh, der im April 2009 starb, liegt dort unter einer BMW-Cabrio-Statue begraben. "Das ist natürlich schon eine Neuheit", sagt Friedhofsleiterin Janet Briggs, "aber für die Familie hat es die gleiche symbolische Bedeutung wie beispielsweise ein Engel oder ein Kreuz."

Auf dem Fahrersitz ein Foto des Verstorbenen

Auf einem deutschen Friedhof wäre so etwas undenkbar - doch auf der Insel der Exzentriker dürfen Spleens auch nach dem Tod weitergelebt werden. Das Cabrio ist eine Nachbildung des Wagens, den Marsh tatsächlich fuhr.

Wie viel das Gefährt für die letzte Reise gekostet hat, ist nur zu vermuten: Unter den Friedhofsgärtnern kursieren Gerüchte, der steinerne Wagen habe zwischen 20.000 und 40.000 Pfund gekostet - das entspricht etwa 23.800 bis 47.600 Euro. Die Witwe soll das exklusive Grabmal aus schwarzem Granit eigens aus Japan eingeschifft haben. Auf dem Fahrersitz ist ein Foto des Verstorbenen platziert.

Obwohl es anfangs Bedenken von Angehörigen anderer Verstorbener gab, gestattete Fiedhofsleiterin Briggs das außergewöhnliche Denkmal: "Es ist schließlich das Letzte, was die Angehörigen für ihre Liebsten tun können." Marsh, ein ausgesprochener Autoliebhaber, hatte sich den Grabstein gewünscht.

Briggs plädiert für mehr Individualität letzter Ruhestätten. Mit Grauen erinnert sie sich an den Besuch eines deutschen Friedhofes mit in dunklen Farben gehaltenen Grabsteinen und großen Bäumen, die kaum Licht durchließen. "Ich konnte den Tod richtig spüren. Alles war, im Vergleich zu hier, so morbid", sagt sie.

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Die nötigen Freiheiten für die außergewöhnliche Friedhofsgestaltung sind im britischen Gesetzestext zu den Richtlinien für Friedhofsleiter verankert: "Die Gestaltung der Gräber kann dazu dienen, auf individuelle Weise an den Verstorbenen zu erinnern, um den Hinterbliebenen Trost zu spenden", heißt es dort. Prinzipiell sollten die Richtlinien keinesfalls "zu streng und nüchtern" sein.

Genau das werfen einige Angehörige in Deutschland, denen es verwehrt blieb, ihre Trauer individuell zu gestalten, dem deutschen Gesetzgeber vor. In der Bundesrepublik ist das Bestattungsgesetz Ländersache. Oft haben einzelne Gemeinden eigene Friedhofsordnungen. Alles ist strikt geregelt und lässt wenig Freiraum.

Deutsche Bestattungskultur im Wandel

Ein Cabrio als Grabstein in Deutschland? "Ich vermute: nein", sagt Kerstin Gernig, Sprecherin des Bundesverbandes Deutscher Bestatter. "Nicht mit den teils anachronistischen Friedhofsordnungen."

Doch auch die deutsche Bestattungskultur sei im Wandel, meint Gernig. Um der Uniformität deutscher Friedhöfe zu entkommen, gebe es mittlerweile Alternativen wie so genannte "Gärten der Erinnerung": parkähnlich gestaltete Anlagen. "Das sind erste zarte Pflänzchen einer veränderten deutschen Bestattungskultur."

Auf dem Manor Park Friedhof hat sich dieser Wandel bereits in den achtziger Jahren angedeutet. Briggs Vorgängerin legte dafür sozusagen den "Grabstein": Sie genehmigte 1985 einen Pick-up Truck mit einem kleinen Kran auf der Ladefläche als Denkmal auf einer letzten Ruhestätte.

© dpa/Julia Häglsperger - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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