Ein Blick, der fasziniert - nur nicht den ersten Europäer, der den Grand Canyon zu Gesicht bekam: Der Konquistador García López de Cárdenas ließ im Jahr 1540 drei Soldaten die Hänge hinabsteigen, um einen Weg ins Tal zu dem offenbar winzigen Rinnsal dort unten zu finden, wie die Spanier abschätzig meinten - obwohl die einheimischen Führer von einem breiten Fluss sprachen. Doch die Soldaten mussten wieder umkehren: Es war zu steil, Wasser hatten sie auch nicht ausreichend dabei (noch heute ein lebensgefährlicher Touristenfehler). Also urteilte Cárdenas: völlig wertlos, dieser lästige Einschnitt in der Landschaft! 200 Jahre lang kam kein Europäer mehr zu der gigantischen Schlucht, die der Colorado ins Gestein gegraben hatte - hier der Blick in den Beaver Canyon in den 1950er-Jahren. So blieben auch die Stämme der Eingeborenen, die im Frühling und Sommer das Grün am Fluss nutzten, erst einmal unbehelligt.
In zwei strapaziösen Wissenschafts-Expeditionen erkundete der einarmige John Wesley Powell mit seinen Teams 1869 und 1871 in Holzbooten die Schlucht. Er bewältigte Stromschnellen und kletterte in die Felshänge, schrieb Berichte und zeichnete Karten - und gab dem "Grand Canyon" seinen Namen (lesen Sie hier in unserer Serie "Reisepioniere" mehr über den Mann, der den Grand Canyon erforschte). Seine Geschichten machten den Grand Canyon überhaupt erst bekannt, dann wurde die Schlucht bald als Reiseziel populär: Bereits in den 1880er-Jahren wuchs die Zahl der Touristen - und erst recht, nachdem von 1901 an eine Eisenbahn direkt an den Südrand fuhr. Diese frühen Touristen zeigten nicht nur beim Sonnenschutz die ganze Bandbreite der damaligen Hutmode. Sie waren auch bereit, im Sonntagsstaat auf Pferden und Mulis die steilen Pfade durch die Hitze hinab ins Tal zu meistern. Diese Gruppe (im Bild) war im September 1909 beim Abstieg - der Weg erscheint allerdings dank der Perspektive noch steiler als er ist, ein bestimmt gewollter Kniff des Profifotografen, einem der beiden Kolb-Brüder (siehe auch nächstes Bild).
Fotos bei Sehenswürdigkeiten zu stellen, gehört nicht erst seit Instagram zum Touristenprogramm. Das Muli ließ die Eseleien entspannt über sich ergehen. Es scheint generell ein braves Tier gewesen zu sein, das ohne Zaumzeug nur mit Halsring zu reiten war. Den Weg kannte es ja - und es konnte sowieso nur dem einzigen schmalen Steig in der Felswand folgen. Auch dieses Bild nahmen die "Kolb Brothers" auf dem Bright Angel Trail auf, wohl im Jahr 1910. Emery und Ellsworth Kolb eröffneten 1904 ihr Fotostudio am Rand des Canyons und verdienten ihr Geld mit Touristenbildern. Sie erkundeten und bildeten aber auch kaum zugängliche Gebiete ab - und gaben so Einblicke, die Besuchern sonst verwehrt geblieben wären. Auch heute können übrigens noch Muli-Touren gebucht werden: Am Nordrand nur mit Aussicht in den Canyon, am Südrand auch mit Abstieg - letztere sollten weit im Voraus reserviert werden, empfohlen werden 15 Monate (weitere Tipps für den Besuch im Grand Canyon finden Sie hier).
Zunächst entdeckten Bergleute, die sich auf der Suche nach Bodenschätzen am und im Grand Canyon niedergelassen hatten, dass mit Touristenführungen leichter Geld zu verdienen ist. Dann wurde die Erschließung des Canyons professionalisiert - und blieb doch keine leichte Aufgabe bei einer Tiefe von 1,6 Kilometern und einer Breite bis zu knapp 30 Kilometern. Im Bild stehen die Landvermesser im Jahr 1902 am Nordrand am Cape Royal, das von allen Aussichtspunkten den weitesten Rundumblick bietet: vom Marble Canyon im Osten bis nach Garden Creek im Westen und darüber hinaus.
Am beschwerlichen Bau der Wege waren auch Arbeiter des Civilian Conservation Corps (CCC) beteiligt, einer Job-Möglichkeit für junge Arbeitslose von 1933 bis 1942 während der großen Depressionszeit - ein Großteil ihres Lohnes ging an die Familien zuhause. In Nationalparks, nicht nur im Grand Canyon, errichteten die jungen Männer Camps, Mauern, Häuser, sie bauten Straßen oder pflanzten Bäume. In diesem Bild aus dem Jahr 1935 schlagen die Arbeiter den River Trail in den Fels, der auf einer Länge von drei Kilometern den Bright Angel Trail mit dem South Kaibab Trail verbindet. Er ist für Menschen und Mulis begehbar.
Auch für die Telefonverbindung waren CCC-Arbeiter zuständig. Auf dem Bild befestigen sie ein Kabel an einem Mast nahe der "Indian Gardens". Dass der Grand Canyon nicht verbaut wurde, dafür sorgten die klimatischen Extreme - und die Ernennung durch Theodore Roosevelt zum National Monument im Jahr 1908 sowie vor allem der Nationalpark-Status, der vom Kongress am 26. Februar 1919 verliehen wurde. Seit dem Jahr 1979 zählt der Grand Canyon außerdem zum Unesco-Weltnaturerbe.
Mit der wachsenden Beliebtheit des Grand Canyon nahm auch die Zahl der Autos im Park zu - hier sind sie im Jahr 1929 am Abgrund beim Yavapai Point geparkt. Ganz in der Nähe ist heute das Yavapai Geologische Museum zu besichtigen: Die verschiedenfarbigen Gesteinsschichten der Schlucht, die der Colorado-Fluss gegraben hat, gewähren einen Einblick in viele Millionen Jahre Erdgeschichte. Archäologen entdeckten außerdem Relikte früherer Stämme, die hier siedelten oder jagten.
In der modernen Zeit änderte sich das Design der Autos - und die Warteschlangen wurden länger, wie hier am Südeingang im August 1951. Jährlich besuchen inzwischen etwa fünf Millionen Menschen im Jahr den Grand Canyon - da ist es durchaus von Vorteil, dass die Schlucht 450 Kilometer lang ist und mal mehr, mal weniger beliebte beziehungsweise zugängliche Aussichtspunkte bietet.
Haben die Fahrer ihre Autos geparkt, treffen sie sich wie hier am Grandview Point an der Südseite wieder. Eine Holzbrücke führte auf den Aussichtsfelsen. Dieser ist im Jahr 1934 noch ohne Geländer, man durfte also den Blick nicht nur in die Ferne schweifen lassen.
Einige Jahre später, am 26. November 1956, wurde die Familie Purcell als Millionste Besucher in diesem Jahr willkommen geheißen - geländergesichert am Mather Point.
Während die meisten Besucher oben am Rand der großen Schlucht bleiben, leben auf den fruchtbaren Gebieten am Grund noch heute Mitglieder der Stämme wie der Havasupai: Das Bild dieser Frau mit einem Kind im typisch geflochtenen Korb und mit Pfeil und Bogen wurde, wie es 1930 in Mode war, nachträglich per Hand coloriert. Den wahren Farben der Steine und vor allem des Wassers wird dies bei weitem nicht gerecht: Havasupai bedeutet "Volk des blau-grünen Wassers". Die spektakulären Wasserfälle sind heilig, sie strömen nicht nur durch das Land, sondern sollen auch jedes Stammesmitglied durchfließen, so der Glaube. Wer also das Land betritt, steht in ihrem Heim und Herkunfsort. Tausende Besucher kommen jährlich in das Havasupai-Reservat und das Dorf Supai. Doch nur wer sich für einen Campingplatz oder für eine Nacht in der Lodge angemeldet hat, darf hierher wandern (mehr Informationen auf der Stammes-Webseite). Die Post kommt übrigens per Muli. Eine der wichtigsten Sicherheitsregeln im Reservat - neben ausreichenden Wasservorräten und dem Verbot, in die türkisfarbenen Wasserbecken zu springen wegen der Felsen: Vierbeiner haben auf den engen Bergwegen immer Vorrang. Wanderer drücken sich also besser an die Felswand, um nicht versehentlich in den Abgrund geschubst zu werden, und: "Erschrecken Sie die Pferde nicht!"
An Publeos der Native Americans sowie an spanischen Kolonialbauten orientierte sich die Frau, die den touristischen Bauten entlang des Grand Canyons ihren Stempel aufdrückte - zu einer Zeit, als Frauen als Architekten mehr als ungewöhnlich waren. Doch Mary Colter war sogar Chefarchitektin für die Fred Harvey Company/Santa Fé Eisenbahn und entwarf die Gebäude, in denen Besucher schlafen, essen und shoppen konnten - darunter den Desert View Aussichtsturm, Lookout Studio, Hermits Rest, Phantom Ranch, die Bright Angel Lodge und Hopi House. Auf dem Bild aus dem Jahr 1931 ist Mary Colter inmitten von Eisenbahn-Offiziellen bereit für die Gondelfahrt in den Canyon. Ihr Ruf war, unglaublich präzise bei ihrer Arbeit zu sein: Verwendete sie Natursteine, wurden sie genau so gedreht und gewendet, wie sie es wollte. Als einmal ein Vorarbeiter (nach ihren Plänen) weiterarbeiten ließ, obwohl sie die Baustelle verlassen musste, und ihr hinterher sein Werk präsentierte, ließ sie alles wieder einreißen. Das verschaffte ihr Respekt - und den Spitznamen "Old Lady Colter".
Andere waren mehr von der Natur am Grand Canyon fasziniert, wie Pauline "Polly" Patraw (links im Bild beim Vortrag über die Fauna im Nationalpark). Die Botanikerin erstellte eine Studie zum Pflanzenleben auf dem Kaibab Plateau und bewarb sich dann beim US-Forest-Service um eine Stelle als Ranger und Naturforscher - doch sie erhielt die Mitteilung, dass diese Posten nicht an Frauen vergeben würden. Also wandte sich Polly Patraw an den Grand Canyon Nationalpark und erhielt 1930 ihre Wunschstelle als erste Rangerin im Grand Canyon.
Dass es auch beeindrucken kann, wenn Berge gänzlich fehlen beziehungsweise die Herausforderung im Ab- statt Aufstieg liegt, wurde dem König von Nepal (entspannt mit der Hand auf dem Geländer) bei seinem Besuch 1960 am Mather Point gezeigt.
Ob der König auch in den Genuss der Gesangseinlage an der Grand Canyon Lodge kam, ist nicht überliefert: Die Angestellten im Collegealter (die Damen in Schürzenkleidern auf dem Bild) pflegten Besucher bei der Ankunft singend zu begrüßen und sie so bei der Abfahrt auch wieder zu verabschieden, hier im Jahr 1960. Dazwischen unterhielten die multitalentierten Mitarbeiter mit einer Talentshow, am Abend wurde mit den Gästen zur Musik einer Collegeband getanzt. Bevor sich nun jemand beschwert: Diesen ganz besonderen Gesangs- und Unterhaltungsservice gibt es heute nicht mehr. Aber der Besuch des Grand Canyons beeindruckt zum Glück auch ohne Animation. Wer will, kann ja selbst singen.