Wenig funktioniert bei der Bahn derzeit so, wie es sollte. Und wenn doch mal etwas klappt, dann ist es auch wieder nicht recht. Unlängst hat ein Fahrgast in der Zugtoilette einer Regionalbahn auf dem Weg von Düsseldorf nach Aachen die Sprinkleranlage ausgelöst, weil er auf dem WC geraucht hatte. Doch anstatt sich zu freuen, dass, wenn schon nicht Lappalien wie Fahrpläne, Klimaanlagen, Bordbistros oder das Wlan funktionieren, so wenigstens auf elementare Dinge wie den Brandschutz Verlass ist, schwoll stattdessen sofort das erwartbare große Gezeter an. Schon wieder Verspätung!, schimpften die Passagiere. Sachbeschädigung!, krakeelte die Bahn, die den als Übeltäter Gebrandmarkten ermitteln ließ und darüber für geraume Zeit natürlich prompt ihr Kerngeschäft vernachlässigte, nämlich das Fortbewegen von Zügen.
Dabei hat, was hier als lästiger Zwischenfall angesehen, um nicht zu sagen verunglimpft wird, extrem viel Potenzial, um die Fahrgäste mit der Bahn auf mittlere Sicht rundum auszusöhnen. Dafür wäre es in einem ersten Schritt allerdings notwendig, nicht immer sofort vom nur vermeintlich Naheliegendsten auszugehen, in diesem Fall der Unbelehrbarkeit oder gar Bösartigkeit der eigenen Kundschaft. Woher können wir denn sicher sein, dass der Passagier, der in mehrfacher Hinsicht als begossener Pudel aus dieser Geschichte hervorgegangen ist, sich um des Rauchens willen eine Zigarette angesteckt hatte?
Könnte nicht das Auslösen der Sprinkleranlage der gewünschte Zweck dieser Aktion gewesen sein und die Qualmerei nur das probate Mittel dazu? Die eine oder der andere mag es nach den zuletzt heftigen Regenfällen im Osten und Süden des Landes vergessen haben, aber in den vergangenen Wochen war es alles in allem sehr warm. Vielleicht war dem Mann schlicht zu heiß und er wusste sich mangels funktionstüchtiger Klimaanlage nicht anders abzukühlen. Aber selbst, wenn die Air Condition in Betrieb gewesen wäre: Dann wäre den einen garantiert zu kalt und es den anderen nicht kühl genug gewesen.

Kolumne „Hin und weg“:Werft statt Weltreise
Das Kreuzfahrtschiff „Odyssey“ sollte längst auf einer dreijährigen Reise sein. Doch es liegt seit Monaten in Belfast fest. Unerschütterliche Passagiere sind trotzdem an Bord.
Wann erkennt die Bahn, wie viel sie gewönne, würde sie ihren Service stark individualisieren? An Bord der Züge haben die Menschen Zeit, aufgrund der notorischen Unpünktlichkeit sogar mehr denn je. Sie vertun sie jedoch notgedrungen damit, den Mitreisenden ihre Krankengeschichten zu erzählen. Stattdessen: ein kleiner Buchladen in Waggon 21, in Nummer 25 eine Boutique, in Wagen 32 gibt’s Italienisch- und Französisch-Unterricht und einen Kochkurs im Bordrestaurant – und die Passagiere würden sich alsbald ärgern, wenn ihr Zug wider Erwarten den Fahrplan einmal einhalten sollte.
Dazu hie und da ein kleines Spaßbad aus einer Dschungelbrause, ganz legal. Nicht über Zigarettenqualm auszulösen mit der Folge von Aufruhr und polizeilichen Ermittlungen. Sondern als kleine Erfrischung und wohltuende Abwechslung auf einer langen Reise. Tickets zum Sparpreis bekommt nicht, wer sehr frühzeitig bucht, sondern wer an Bord eine Aufgabe übernimmt: Nacken massieren, Marmelade einkochen oder Kasperltheater spielen. Ganz abgesehen davon, dass in beinahe jedem Zug jemand an Bord sein dürfte, der auch mal eine Klimaanlage reparieren könnte, anstatt sich nur über ihren Ausfall zu beklagen. Wann erkennt die Bahn endlich das Potenzial ihrer Passagiere?
