Gespräch mit Flughafenkontrolleur:"Wahnsinn, was in einen Turban passt!"

Jahrelang hat Achim Lucchesi Passagiere am Frankfurter Flughafen überprüft. Ein Gespräch über unverschämte Fluggäste, schlechte Scherze, unmögliche Bemerkungen, bestechliche Kontrolleure und wie viel Geld in eine Babywindel passt.

Katja Schnitzler

Zwei Jahre lang hat Achim Lucchesi, 52, als Sicherheitsassistent Passagiere am Frankfurter Flughafen kontrolliert. Seine Erlebnisse veröffentlicht er nun in dem Buch "Die Bombe is' eh im Koffer. Geschichten aus dem Handgepäck". sueddeutsche.de sprach mit ihm über gefährliche bis ekelerregende Fundstücke und wie bestechlich Kontrolleure wirklich sind.

sueddeutsche.de: Herr Lucchesi, was war Ihr erschreckendster Fund in den zwei Jahren an der Sicherheitsschleuse?

Achim Lucchesi: Nitroglycerin. Einer hatte ein verdächtiges Fläschchen im Gepäck und als wir es auf Sprengstoffspuren getestet haben, ging das Gerät sofort los. Das Fläschchen haben wir ganz genau im Auge behalten, bis die Polizei da war. Aber dann war es doch ganz harmlos, nämlich ein selbstgemischtes Parfum. Das war schon sehr aufregend, aber unvergesslich bleibt eher ein ekelhaftes Erlebnis.

sueddeutsche.de: Wir hatten schon geahnt, dass das Wühlen im fremden Handgepäck auch unangenehme Überraschungen mit sich bringt ...

Lucchesi: ... und man sieht es den Besitzern der Taschen vorher nicht an! Der Fluggast hatte vielmehr einen unglaublich netten Eindruck gemacht, wie er ganz locker mit dem Laptop zur Kontrolle kam. Aber dann war er bald knallrot, als mein Kollege laut brüllte: "Was ist denn das für eine Sauerei?" Alle Menschen an fünf Kontrollstellen schauten zu uns, und mein Kollege hielt die Fundstücke auch noch schön in die Höhe: Hat der Kerl doch als Souvenirs von der letzten Nacht Damenslips, Zahnseide und Tampons mitgenommen - alle gebraucht. Wir waren stinksauer und haben dem Passagier gedroht, ihn nicht an Bord zu lassen, wenn er noch mal mit so einem Tascheninhalt zu unserer Kontrolle kommt. Dann haben wir erst mal unsere Hände desinfiziert. Gründlich.

sueddeutsche.de: Sie müssen nicht nur Unappetitliches aus den Taschen ziehen, sondern sich auch einiges anhören. Was wollen Sie wirklich nicht mehr hören?

Lucchesi: Der dümmste Satz wird leider von jedem Fünften gesagt: Wenn wir die Passagiere bitten, den Gürtel abzulegen, kommt sofort: "Dann fällt mir ja die Hose runter." Jeder Fünfte. Bei ein paar hundert Fluggästen am Tag - kaum auszuhalten.

sueddeutsche.de: Wie arrogant sind Passagiere eigentlich?

Lucchesi: Die meisten sind es nicht, aber manche Vielflieger. Die fragen dann überheblich, ob man nicht wisse, wer sie seien? Aber auch besonders arrogante Passagiere kann man kurieren, indem man sie auch noch die Schuhe ausziehen lässt. Und vielleicht noch einen Sprengstofftest beim Laptop macht. Ganz gemütlich.

sueddeutsche.de: Liest man über Ihre Erfahrungen am Frankfurter Flughafen, kann man den Eindruck bekommen, dass es allein vom Bauchgefühl eines Sicherheitsassistenten abhängt, ob etwas Gefährliches gefunden wird. Oder eben nicht.

Lucchesi: Eigentlich sollte das nicht so sein. Aber es kann zum Beispiel vorkommen, dass weibliche Assistenten Babys nicht allzu genau kontrollieren, weil die so süß sind. Und dann haben wir doch fast 8000 Euro in der Windel gefunden. Da hätte auch eine Bombe versteckt sein können.

"Nicht alle sind bestechlich"

sueddeutsche.de: Passagiere abtasten, Gepäck durchsuchen, immer die gleichen Fragen, oft die gleichen Antworten. Wie bleibt man trotzdem aufmerksam?

Lucchesi: Die Abläufe sind zwar immer gleich, aber die Menschen nicht. Und dann reißen einen auch immer wieder Schreckmomente aus der Ruhe: Wir haben mal eine Neun-Millimeter-Pistole im Handgepäck entdeckt, da rutscht einem schon das Herz in die Hose. Und obwohl sich herausstellte, dass die Waffe eine perfekte Nachbildung war, schaut man dann in den nächsten Wochen wieder etwas genauer hin.

sueddeutsche.de: Haben Sie einen Tipp, was Passagiere bei der Kontrolle auf gar keinen Fall tun sollten?

Lucchesi: Sie dürfen ein Wort nicht sagen, egal für wie witzig sie sich halten: Bombe. Denn selbst wenn es nur ein Scherz war - der Sicherheitsapparat läuft sofort an. Und wer auch noch so blöd ist, zu sagen, "Die Bombe ist im Koffer", darf sich gleich auf eine saftige Rechnung gefasst machen. Denn dann müssen alle Koffer wieder aus dem Flugzeug geladen und neu überprüft werden, auch alle Passagiere müssen wieder aussteigen und sich abermals durchsuchen lassen. Das dauert. Und die Parkgebühr für einen Jumbo kostet 1500 Euro pro Stunde.

sueddeutsche.de: Was wird Ihrer Meinung nach bei der Sicherheitskontrolle zu locker gehandhabt?

Lucchesi: Es gibt eine seltsame Hemmschwelle, wenn es um Religionen geht. Bevor man einen strenggläubigen Juden zwingt, seine Kippa abzusetzen - obwohl es einen Nebenraum gibt, in dem es die anderen Passagiere nicht sehen können -, lassen es die meisten Kontrolleure lieber bleiben. Und das mit Segen von oben. Oder Turbane werden nicht aufgewickelt. Ein Wahnsinn, wenn man überlegt, was da alles reinpasst!

sueddeutsche.de: Sie kritisieren, dass die Mitarbeiter bei der Flugsicherung in Frankfurt so wenig verdienen, dass einige leicht zu bestechen seien - fünf bis zehn Euro würden da schon ausreichen, um durchgewunken zu werden. Wie sicher fühlen Sie sich mit diesem Wissen im Flugzeug?

Lucchesi: Ich muss erst mal klarstellen: Bestechung gehört bei der Sicherheitskontrolle nicht zum Tagesgeschäft. Aber manche Teams machen das schon unter sich aus und teilen dann den Gewinn. Da geht es weniger um Sicherheitsfragen als um den Cognac für 2000 Euro, den der Passagier natürlich nur ungern an der Kontrollstelle zurücklässt. Also geht er mit dem Kontrolleur in die Kabine und steckt ihm 20 Euro zu. Natürlich werden bestechliche Mitarbeiter erwischt und entlassen, aber es kommt immer wieder vor. Auch dass Sachen, die vergessen werden, nicht im Fundbüro abgegeben werden. Bei durchschnittlich zehn Euro Stundenlohn ist die Verlockung leider sehr groß.

sueddeutsche.de: Wenn nun aber der Inhalt der ungeprüften Cognac-Flasche doch nicht so harmlos war wie vermutet? Fühlen Sie sich wirklich sicher im Flugzeug?

Lucchesi: Nein. Ich habe Flugangst.

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