Süddeutsche Zeitung

Kritik an Airbnb:Zoff ums Zimmer

Der Vermittlungsservice Airbnb wird immer erfolgreicher. Ein Urteil eines US-Gerichts verunsichert allerdings Wohnungsinhaber, die auf der Internet-Plattform Zimmer anbieten. Machen sie sich strafbar?

Von Janek Schmidt

Die Verlockung war groß. Die Gefahr aber auch - nur von ihr wusste Nigel Warren nichts. Als der New Yorker Software-Entwickler im September einen viertägigen Ausflug nach Colorado unternahm, nutzte er wie Millionen andere Menschen den Internet-Service Airbnb, um einen Teil seiner Wohnung unterzuvermieten. 100 Dollar bekam er pro Nacht für sein Zimmer im Manhattaner Szeneviertel East Village. Doch irgendein Nachbar, Hausbesitzer oder neiderfüllter Hotelier klagte gegen Warrens kleines Geschäft und machte es so zum großen Präzedenzfall.

Ende Mai verurteilte ein Verwaltungsrichter den Anfang 30-Jährigen wegen illegalen Untervermietens zu einer Strafe von 2400 Dollar. Das Gericht wollte damit wohl auch zeigen: Der neue Trend, seinen Besitz via Internet zu teilen, hat Schattenseiten.

Dabei verbinden sich immer mehr Internet-Nutzer genau zu diesem Zweck über soziale Netzwerke wie Facebook. Manche wollen in der Wirtschaftskrise einfach Geld sparen. Andere wollen zeigen, dass Eigentum für sie kein Statussymbol ist. Autofahrer vermieten ihre Privatwagen über Portale wie Nachbarschaftsauto, Segler teilen ihre Yachten auf Boatbound und Musiker lassen auf Gearlode Gleichgesinnte sogar an ihre Instrumente. Trendscouts haben hippe Namen für diese Entwicklung: Sharing Economy, Collaborative Consumption (gemeinschaftlicher Konsum) oder besonders poppig: Asset-Light Lifestyle (Leben mit leichtem Besitz).

Marktführer ist die Gästezimmer-Vermittlung Airbnb. Zurzeit findet man hier Angebote für 350.000 Zimmer in 192 Ländern. Im vergangenen Jahr nutzten drei Millionen Menschen das Portal, um eine Übernachtungsmöglichkeit bei Privatpersonen zu finden. Dafür zahlten sie eine Vermittlungsgebühr von neun bis 15 Prozent (je nach Höhe der Mietsumme) und verhalfen dem Unternehmen aus San Francisco nach Schätzung der Zeitschrift Forbes zu einem Jahresumsatz von 150 Millionen Dollar.

2011 war der Internet-Service schon einmal in die Schlagzeilen geraten, als ein Gast sein über Airbnb gemietetes Zimmer verwüstete und Schmuck stahl. Airbnb fühlte sich zunächst nicht verantwortlich, doch nach Kritik schwenkten die Manager um: Sie zahlten den Schaden und führten nach Umfragen unter den Nutzern etwa 40 Sicherheitsfunktionen ein. Vermieter sind zudem jetzt versichert gegen Schäden in Höhe bis zu einer Million Dollar.

Je größer das Unternehmen wurde, umso mehr Feinde bekam es aber auch: Nachbarn mit Angst vor Party-Touristen, Hausbesitzer mit Abneigung gegen Untermieter, konkurrierende Hotels mit teuren Sicherheitsauflagen und Finanzbeamte, die fürchten, dass Airbnb-Nutzer ihre Einnahmen nicht versteuern. Nachdem bereits Auto-Vermittlungen wie Relayrides und Uber Ärger mit US-Behörden und Kfz-Versicherern bekamen, war es eine Frage der Zeit, bis auch Airbnb auf Widerstand stoßen würde.

Getroffen hat es nun Nigel Warren: Bei seinem Urteil gegen den New Yorker berief sich der Richter auf ein drei Jahre altes örtliches Gesetz. Demnach darf ein Mieter sein Zimmer nicht für einen Zeitraum von weniger als einen Monat untervermieten, wenn er selbst abwesend ist. Kritiker führen an, dass so die den Hotels lästige private Konkurrenz ausgebremst wird. Befürworter hingegen loben, das Gesetz verhindere die Verwandlung von Wohnraum in inoffizielle Pensionen; dies schütze die Mieter und bewahre den Charakter innerstädtischer Viertel.

So oder so ist die Verunsicherung groß. "Sollen wir nun Buchungen stornieren?", fragt im Airbnb-Forum die Nutzerin Gab Z, und die New York Times ergänzt: "Wenn Airbnb weiß, dass viele seiner Angebote wahrscheinlich gegen örtliche Gesetze verstoßen, sollte es seine Gastgeber dann nicht warnen?" Das will das Unternehmen jetzt tun: Künftig soll ein Dialogfenster Vermieter daran erinnern, sich über die Rechtslage in ihrer Stadt zu informieren.

Deutsche Gastgeber haben es leichter. "Wenn jemand untervermieten will, darf er das zwar nur mit Zustimmung seines Vermieters", sagt Ulrich Ropertz vom Deutschen Mieterbund, "aber der Vermieter muss dem zustimmen, sobald der Mieter ein berechtigtes Interesse hat - etwa das Verdienen von Geld. Und wenn er nur einen Teil der Wohnung untervermietet."

Komplikationen kann es allerdings geben, wenn Städte, wie etwa Hamburg, sogenannte Zweckentfremdungsverordnungen haben. Die sollen verhindern, dass Wohnraum als gewerbliche Fläche genutzt wird. Ob Airbnb-Kunden davon betroffen sind, hat noch kein Gericht geklärt. Doch sagt Ropertz: "Wenn jemand seine Wohnung ein paar Mal im Jahr untervermietet, würde es mir schwerfallen, darin eine gewerbliche Nutzung zu sehen."

Es sei aber natürlich nicht auszuschließen, dass Finanzbeamte die Namen von Airbnb-Vermietern notieren und überprüfen, ob diese ihre Mieteinnahmen versteuern. Und das Technologie-Magazin Wired gibt zu bedenken, dass Bürokratien zunächst immer Widerstand gegen neue Entwicklungen leisteten. Doch kämen sicherlich bald Gesetze, die der Teilungswirtschaft helfen. Schließlich hätten ja "auch Bürokraten ein paar leere Zimmer übrig".

Aktualisierung vom 13. Juni 2013: Airbnb teilte inzwischen mit, dass es den Streit um die Untervermietung von Zimmern notfalls bis zum höchsten Gericht der USA ausfechten möchte. Das Unternehmen zögerte lange, sich in den Streit einzumischen, da Gastgeber offiziell ihre Rechtslage selbst klären müssen. Nun soll David Hantman, der zuvor bei Yahoo die Abteilung für Regierungsbeziehungen geleitet hat, den Kampf mit den Behörden aufnehmen wollen. Airbnb hofft nicht nur auf einen Freispruch für Warren. Das Unternehmen fordert auch eine Überarbeitung des Gesetzes gegen illegale Hotels und Klarheit für Millionen Menschen, die ihr Zimmer im Internet untervermieten.

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SZ vom 06.06.2013/cag
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