Gefahren beim Fliegen:Dicke Luft in der Kabine

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Weltweit leiden mehrere hundert Flugbegleiter an Krankheiten, die womöglich durch giftige Dämpfe in der Kabine ausgelöst wurden.

Hans Leyendecker

Die deutschen Fluggesellschaften fürchten eine hierzulande neuartige Sicherheitsdebatte, die zu einem "massiven Reputationsverlust" führen und "vermutlich Passagierrückgänge nach sich ziehen" könnte. In einem der Süddeutschen Zeitung vorliegenden Papier des Bundesverbandes deutscher Fluggesellschaften (BDF) spekulieren die Mitgliedsunternehmen über "eine neue Dimension" in einer bislang vorwiegend nur in Expertenkreisen geführten Diskussion.

Es geht um angebliche Giftstoffe in der Kabinenluft, die Ursache von Erkrankungen sein sollen. Die "neue Dimension", so steht es in dem BDF-Papier werde "erreicht, wenn durch die Medien sich das Thema vom bisherigen Betroffenenkreis Besatzungsmitglieder zum Betroffenenkreis Passagiere verlagern würde". Deshalb solle die Diskussion "proaktiv geführt werden". Das bedeute, "einheitliche Statements müssen bei Anfragen präsentiert werden". Es gelte, "eine gemeinsame Sprachregelung zu finden und eine abgestimmte Stellungnahme zu erstellen".

Öldämpfe und Nervengifte

Solche Formulierungen in einem internen Papier lassen immer, egal, um was es geht, auf größere Probleme schließen. Eine Sprecherin von BDF erklärte, bei dem Warnpapier vom 16. Juni handele es sich nur um "einen allerersten Entwurf". Auch das klingt nicht gut.

Seit Jahren wird die Diskussion über Krankheitsbilder von Flugbesatzungen, das so genannte "Aerotoxische Syndrom", vorwiegend von einer Fachöffentlichkeit geführt: Bei etlichen Flugzeug-Typen wird die Atemluft für die Kabine direkt am Triebwerk abgezapft und gelangt ungefiltert in die Kabine. Unter bestimmten Umständen können auf diesem Weg auch Öldämpfe und Nervengifte wie TCP in die Kabine gelangen. TCP wird in dem in der Luftfahrt üblichen Triebwerksöl als so genanntes Additiv verwendet, um bei hoher Temperatur einen Verschleiß zu verhindern.

Seit Jahren sammelt die Pilotenvereinigung Cockpit (VC) Verdachtsfälle. Immer wieder wird bekannt, dass Piloten vor der Landung Ölgeruch wahrnahmen und Sauerstoffmasken aufsetzten. Übertriebene Vorsicht?

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Wie der Sprecher der Pilotenvereinigung, Jörg Handwerg, der Nachrichtenagentur ddp sagte, gebe es weltweit mehr als 500 Fälle, in denen Crewmitglieder Erkrankungen auf das Einatmen von Giftstoffen in der Kabinenluft zurückführten. Ob diese die Ursache ihrer Erkrankungen richtig oder falsch deuten, ist unklar.

Laut BDF liegen "zur spezifischen Frage der Gesundheitsgefährdung bei Menschen durch Spuren von TCP in Flugzeugkabinen bisher weltweit keine wissenschaftlich fundierten Ergebnisse" vor. Handwerg fordert daher eine "unabhängige und umfassende Untersuchung der Kausalkette von der Kontamination der Luft bis hin zum Krankheitsbild".

Untersuchungsausschuss in Australien

Ein ehemaliger Pilot von Lufthansa-Cityline, der vermutlich dauerhaft fluguntauglich ist, klagt seit Jahren gegen seinen Arbeitgeber, weil er angeblich durch giftige Öldämpfe krank geworden sei. Ausgang ungewiss.

In anderen Ländern wird die Diskussion intensiver geführt, auch in den Parlamenten. So hat sich in Australien ein Untersuchungsausschuss mit dem Problem befasst. In diesem Jahr erhielt eine australische Flugbegleiterin eine Entschädigung in Höhe von 140. 000 Dollar zugesprochen, weil sie giftigen Dämpfen in der Kabine ausgesetzt war. Das rechtskräftige Urteil hat die deutschen Fluggesellschaften offenkundig alarmiert. Im BDF-Papier findet sich die Formulierung, das Urteil "könnte zum Präzedenzfall werden und somit auch Besatzungsmitgliede bei deutschen Fluggesellschaften zu Klagen motivieren".

© SZ vom 13.08.2010 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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