Gebühren-Gebaren in Europa:Die Maut-Frage

Vignette, Zahlhäuschen oder freie Fahrt: In Deutschland ist die Diskussion über eine Pkw-Maut in vollem Gange. Doch wie gehen andere Länder damit um? Ein Überblick.

Erst die Vignette und dann noch Zusatzmaut: In Österreich ärgern sich viele Autofahrer, wenn sie doppelt zur Kasse gebeten werden.

Maut; dpa

Bremsen und zahlen!

(Foto: Foto: dpa)

Denn neben der Vignettenpflicht für das gesamte österreichische Autobahnnetz herrscht auf einigen wichtigen Abschnitten noch eine zusätzliche Zahlpflicht. Und das sind gerade jene Strecken, die von Urlaubern oder Durchreisenden am häufigsten genutzt werden.

Zähneknirschend hat man sich in Österreich mit der Lösung, die seit 1997 gilt, abgefunden. Eine Kraftfahrzeugsteuer wird zusätzlich im Rahmen der Versicherung entrichtet. Bei Urlaubern sorgt die Regelung immer wieder für Ärger und Unverständnis.

Die für den Autobahnbau zuständige Autobahnen- und Schnellstraßen- Finanzierungs-AG (Asfinag) sieht sich im Recht: Die Erhebung einer "Sondermaut" sei durch die so genannte EU-Wegekostenrichtlinie gedeckt, sagte ein Asfinag-Sprecher. Schließlich gelte die Sondermaut nur auf 142 von insgesamt 2100 Autobahnkilometern auf Straßen mit hohen Errichtungs- oder Erhaltungskosten wegen Tunnels oder Brücken.

Gleich zweimal dran

Allerdings liegen diese zusätzlich gebührenpflichtigen Strecken auf jenen Autobahnen, die die meisten Urlauber auf dem Weg nach Süden benutzen. So sind auf sowohl auf der Brennerautobahn zwischen Innsbruck und dem Grenzübergang nach Italien als auch auf der Tauernautobahn A 10 und der Pyhrn-Autobahn A 9 zusätzliche Mautstellen eingerichtet.

Auch mit den Tarifen für die Vignette schafft sich die Asfinag Feinde. Denn ein deutscher Autofahrer, der etwa für zwei Wochen in Italien Urlaub machen will, muss gleich zwei Mal das "Pickerl" lösen: Eine Zweiwochen-Variante, die den Gewohnheiten der meisten Urlauber entgegen kommen würde, fehlt. Neben der Jahresvignette für 72,60 Euro gibt es nur eine Zweimonats-Variante für 21,8 Euro und eine Vignette mit 10 Tagen Gültigkeit für 7,60 Euro.

Die Asfinag, zu 100 Prozent im Eigentum des Bundes, ist in Österreich allein für Ausbau und Erhalt des Autobahn- und Schnellstraßennetzes zuständig. Der drittgrößte Autobahnbetreiber in Europa ist verpflichtet, die Maut-Einnahmen zur Gänze für den Straßenbau zu verwenden.

Die Einnahmen aus den Vignetten für Pkw und einspurige Fahrzeuge bringt jährlich rund 300 Millionen Euro in die Kassen der Gesellschaft, dazu kommen die Einnahmen für kilometerabhängige Maut, die Lastkraftwagen und Nutzfahrzeuge entrichten müssen. Dem stehen Ausgaben von 760 Millionen Euro im Jahr 2004 für Ausbau- und Erhaltung gegenüber.

>>> Wie lösen Italien, Frankreich, Schweiz und Tschechien die Mautfrage?

Die Maut-Frage

In Italien müssen Autofahrer seit Jahrzehnten Autobahngebühren zahlen, die Strecke Mailand-Rom kostet mittlerweile mehr als 30 Euro - aber besser als in Deutschland sind die Autobahnen trotzdem nicht.

Schweizer Vignette

Die Schweizer Vignette

(Foto: Foto: AP)

Zwar stöhnen die Italiener immer mal wieder über eine Mauterhöhung, doch eine echte Debatte über das Thema gibt es nicht: Kaum jemand sieht eine Alternative zum System.

Deutsche Urlauber kennen das seit den 50er Jahren: Wer auf die "Autostrada del Sole" will, muss erst mal ein Kassenhäuschen passieren, mitunter konnte man seine Lira direkt in einen Automaten werfen. Italien hat das älteste und größte Autobahn-Mautsystem in Europa, über 5600 Kilometer liegen in privater Hand, weniger als 900 Kilometer sind kostenfrei.

Benetton kassiert mit

1999 wurde das Geschäft mit der Maut privatisiert. An den Milliarden-Umsätzen sind heute 25 Betreibergesellschaften beteiligt, die nun für die Autobahnen verantwortlich sind. Die weitaus größte heißt Autostrada, auf ihrem Netz fahren täglich vier Millionen Autofahrer.

Einen Löwenanteil des Geschäfts hat sich die Bekleidungs-Familie Benetton gesichert, sie hält auch den Hauptanteil an den schicken "Autogrill"-Restaurants entlang den Highways. Über Mauterhöhungen wacht eine staatliche Kontrollbehörde.

Aber trotz der erheblichen Gebühren stöhnen Autofahrer über Staus, warten seit Jahren auf einen Streckenausbau etwa auf der Appenin-Strecke um Florenz. Doch eine Alternative zur Maut ist nicht in Sicht: Die fast 400 Kilometer lange Strecke von Salerno nach Reggio di Calabria ist zwar kostenfrei - dafür aber so schlecht, dass sie Italiener, wenn es irgend geht, meiden.

>>> Warum die Franzosen die Deutschen beneiden

Frankreich: Wenn französische Werbefilmer für schnelle Autos Reklame machen, zeigen sie die Traumwagen gerne auf deutschen Autobahnen: Dort kann man ungebremst von Mautstationen und oft ohne Geschwindigkeitsbegrenzung aus dem Wagen das Letzte herausholen.

Französische Autobahnen kosten dagegen grundsätzlich Gebühren. Und weil das seit jeher so ist, wird die Maut meist noch altmodisch per Hand an Zahlhäuschen beglichen. Die Autofahrer werden daher immer wieder zum Halten gezwungen, so dass sich vor allem in Urlaubszeiten kilometerlange Staus an den Mautstationen bilden. Erst langsam wird auf berührungsfreies elektronisches Kassieren umgestellt.

Sattes Geschäft

Bisher sind die vier Autobahngesellschaften mehrheitlich in Staatshand. Und sie sind eine Goldgrube. Im vergangenen Jahr machten die vier Unternehmen gemeinsam 907 Millionen Euro Überschuss - bei 5,8 Milliarden Euro Umsatz. Der Staat kassiert dabei nicht nur den ausgeschütteten Gewinn, sondern auch 16 Prozent des Umsatzes als Mehrwertsteuer und 15 Prozent als andere Steuern.

In wenigen Jahren wird der Gewinn kräftig in die Höhe schießen, wenn die Kredite für den Aufbau der Netze getilgt sind. Doch so lange will der klamme Staat nicht warten: Frankreich hat gerade die Privatisierung der Autobahngesellschaften eingeleitet, um mit den Einnahmen von elf Milliarden Euro schnell Haushaltslöcher zu füllen.

Gleichzeitig tritt der Zentralstaat die teuren mautfreien Fernstraßen (Nationalstraßen) an die Regionen ab. Eine Kfz-Steuer gibt es nicht.

Die Autofahrer werden von den Autobahngesellschaften mit 5,23 und 6,44 Cent je Kilometer zur Kasse gebeten. Auf der Strecke Paris-Lille ist man im Pkw mit zwölf Euro dabei.

Die einfache Fahrt von Paris nach Marseille kostet 52,10 Euro: 32 Euro kassiert die APRR für die Strecke Paris-Lyon und 20,10 Euro die Gesellschaft ASF für die Weiterfahrt bis ans Mittelmeer. Die Mautgebühren sind daher ein nicht zu vernachlässigender Teil der Reise- und Urlaubskosten.

>>> Die Besonderheiten der Schweizer-Maut auf der folgenden Seite

Die Maut-Frage

Die Schweizer Autobahnvignette gibt es seit 1985 jedes Jahr in einer anderen Farbe. Sie hat sich nach Angaben der Eidgenössischen Oberzolldirektion bestens bewährt - wenn sie denn auch an der Windschutzscheibe kleben bleibt.

Mit dem Jahrgang 2005 gibt es entsprechende Probleme. Wer sie abtrennt und vorlegt, bekommt eine Neue. Das die 2005er nicht so richtig haften bleiben, könnte am Klebstoff gelegen haben, die derzeit verkauften machen da keine Probleme mehr.

Aber eigentlich ist Abtrennen gar nicht erlaubt. Denn die Vignette für 40 Franken oder umgerechnet 25,50 Euro soll zumindest von Januar bis Ende Januar nächsten Jahres unablösbar haften bleiben. Wer sie etwa nicht aufklebt, sondern sie nur auf das Armaturenbrett legt, macht sich schon strafbar.

100 Franken oder 65 Euro sind dann fällig - und der zusätzliche Kauf einer neuen. Vignettenpflichtig sind Motorräder, Autos und Anhänger bis zu einem Gesamtgewicht von je 3,5 Tonnen, also auch Wohnwagen. 2004 brachte die Autobahnvignette 303 Millionen Franken (196 Millionen Euro) ein, die zweckgebunden in dem Straßenetat flossen. 2005 wurden bisher über fünf Millionen verkauft.

Mittlerweile gibt es besonders zum Jahresende einen schwunghaften Handel mit Schweizer Vignetten, etwa im Internetauktionshaus ebay. Da kann man sich schon einmal für zehn Euro für den Rest des Jahres eindecken.

Oder es werden Sammlerstücke angeboten, denn es soll auch Vignetten-Süchtige geben. Gar nicht gerne sieht die Polizei es, wenn Autofahrer durch die Zahl ihrer Vignetten auf der Autoscheibe signalisieren, wie alt ihr Schlitten bereits ist.

Eine solche Bepflasterung kann auch zu einem Bußgeld führen. Die Vignette darf nämlich nur vorne links unten oder oben sowie in der Mitte am Spiegel angeklebt werden. Alte Vignetten seien vorher zu entfernen, rät die Polizei.

>>> Tschechien und die Maut

Die Maut-Frage

Eine Pkw-Maut soll in Tschechien frühestens in fünf Jahren erhoben werden, aber schon jetzt ist die Nutzung vieler Straßen in Böhmen und Mähren kostenpflichtig: Wie die Nachbarländer Slowakei und Österreich, setzt Tschechien auf Vignetten.

Rund fünf Euro kostet der zehn Tage gültige Aufkleber, der vor allem an Tankstellen und in Postämtern verkauft wird. Wiegt das Fahrzeug mehr als 3,5 Tonnen, verdreifacht sich die Gebühr. Zur Zeit fließen durch die Vignetten jährlich etwa 33 Millionen Euro in den Staatshaushalt.

Zum dringend nötigen Ausbau des Autobahnnetzes reicht dies längst nicht. Spätestens seit dem EU-Beitritt am 1. Mai 2004 ist Tschechien ein wichtiges Transitland geworden - allein im sächsisch-nordböhmischen Grenzgebiet stieg der Verkehr um rund 50 Prozent.

Von 2007 an sollen Fahrzeuge über zwölf Tonnen daher eine Maut von durchschnittlich zwölf Cent pro Kilometer zahlen. Die Prager Regierung hofft, damit jährlich 500 Millionen Euro einzunehmen.

Allgemein gelten die erst wenigen Autobahn-Kilometer in Tschechien als qualitätsschwach. Verkehrsminister Milan Simonovsky räumt ein, dass Autofahrer die Gebühr eigentlich für Straßen zahlen, die mit dem Geld erst gebaut werden sollen.

Dabei werden wohl für motorisierte Prag-Besucher in absehbarer Zeit weitere Kosten hinzukommen: Die tschechische Hauptstadt erwägt nach dem Vorbild von London eine Gebühr für das Befahren des historischen Zentrums. Damit soll einerseits die enge Altstadt entlastet werden, andererseits hofft die Moldau-Metropole auf einen warmen Geldregen.

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