GDL-Ausstand:Was Sie über den Bahnstreik wissen müssen

Vor dem Lokführerstreik - Region Hannover

Wann kommt man weiter - und womit? Ein Mann wartet am Bahnhof von Seelze in der Region Hannover auf einen Zug.

(Foto: dpa)

Welche Alternativen gibt es zum Zugfahren? Wer profitiert von dem Ausstand und wie lange reicht die Streikkasse? Können Züge auch ohne Lokführer fahren?

Welche Alternativen gibt es zum Zugfahren?

Wer weiterhin auf die Schiene setzt, kann sich etwa zwei Tage vor Abfahrt über den Notfahrplan der Deutschen Bahn informieren - oder auf private Bahnunternehmen umsteigen. Diese sind gerade im Regionalverkehr eine Alternative, etwa der Metronom im Norden Deutschlands oder die Bayerische Oberlandbahn ganz im Süden.

Für wen weder das noch ein Flug in Frage kommt, dem bleibt nur der Straßenverkehr: Hier kommt man mit Fernbussen, Mietwagen oder als Car-Sharing-Nutzer voran, auch die Mitfahrzentralen haben aufgestockt. Private Fahrgemeinschaften suchen und finden sich zum Beispiel bei über #twitfahrzentrale bei Twitter (Detaillierte Informationen über andere Reisemöglichkeiten finden Sie hier).

Wer profitiert von dem Streik?

Schon beim Streik im November hatte Sixt euphorisch geworben: "HDGDL, GDL": "Hab dich ganz doll lieb, Gewerkschaft der Lokführer". Tatsächlich sind es Autoverleiher, Mitfahrzentralen und Taxifahrer sowie Fernbusunternehmen, die besonders vom Lokführerstreik profitieren. Sie alle hatten sich beim letzten Mal auf den den Ansturm vorbereitet: Zusätzliche Wagen wurden an Knotenpunkte geschafft, zusätzliche Fahrer in den Dienst geholt, zusätzliche Busse angemietet. Zu Recht: Die Anfragen stiegen rasant.

Beim Vergleichsportal billiger-mietwagen.de gingen die Klickzahlen stark nach oben. Andere Portale profitierten ebenso: Blablacar, eine Mitfahrplattform, konnte während des letzten Streiks die höchsten Nutzerzahlen seit dem Start auf dem deutschen Markt verzeichnen. Dementsprechend wurden die Serverkontingente aufgestockt, zusätzlich ging ein Aufruf an die Mitglieder raus, mehr Fahrten anzubieten.

Wieso sind Fernbusse nun doppelt so teuer?

Die Nachfrage schnellt in die Höhe - und die Preise zum Ärger der Kunden gleich mit. Schuld ist ein automatisches Preissystem, das die Ticketpreise dem Buchungsverhalten anpasst: Je mehr Leute mit Fernbussen fahren wollen, desto mehr kostet es. Ein kleiner Trost: Anbieter wie MeinFernbus haben eine Obergrenze, irgendwann wird die Fahrt nicht mehr teurer. Die ist aber in den Streiktagen erreicht. (Einen ausführlichen Artikel zu den teureren Fernbustickets lesen Sie hier.)

Wie viel Geld ist in der Streikkasse?

Und wie lange reicht die Streikkasse der GDL?

Die Gewerkschaft hat nach eigenen Angaben 34 000 Mitglieder. Sie alle leisten einen Monatsbeitrag in Höhe von 0,6 Prozent ihres Bruttogehalts, das ohne Zulagen zwischen 2500 und 3400 Euro beträgt. Damit finanzieren Gewerkschaften sich und ihre Leistungen - und statten ihre Streikkasse aus. Wie viel Geld darin liegt, ist jedoch das am besten gehütete Betriebsgeheimnis einer Gewerkschaft. Würde ein Arbeitgeber die Summe kennen, könnte er leicht kalkulieren, ob er lieber nachgeben sollte oder aber darauf hoffen darf, dass die Gewerkschaft nicht allzu lange durchhält. Allgemein wird angenommen, dass Gewerkschaften etwa 15 Prozent ihrer Beitragseinnahmen in die Streikkasse legen.

Eine kleine Berufsgewerkschaft wie die GDL verfügt jedenfalls über eine sehr viel kleinere Kasse als zum Beispiel die Millionen-Organisation Verdi. Allerdings gehört die GDL zum Beamtenbund (DBB); dieser Dachverband, der auch Angestellte organisiert, zahlt einer Gewerkschaft für jeden nachgewiesenen Streikenden eine Unterstützung von maximal 50 Euro pro Tag.

Aus all dem schließen Branchenkenner: Ein unbefristeter Streik würde die GDL bald ruinieren. Aber immer wieder zu befristeten Streiks aufrufen, das kann sie lange durchhalten. 2007 und 2008 streckte die GDL die Auseinandersetzung mit Nadelstichen dieser Art auf elf Monate; dann hatte sie erstmals einen eigenen Tarifvertrag für Lokführer erkämpft. Seitdem führte sie keinen größeren, teuren Streik mehr. Sie dürfte also etwas angespart haben.

Warum setzt man keinen Schlichter ein, um diesen Tarifkonflikt zu lösen?

So einfach ist das nicht: Bereits Ende September hatte die Bahn vorgeschlagen, zwei Moderatoren einzuschalten, die in dem Tarifstreit vermitteln sollen. Das haben aber sowohl die GDL als auch die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft EVG abgelehnt.

Die Gewerkschaften waren schon zuvor für ihre ablehnende Haltung von Politikern und dem Fahrgastverband Pro Bahn kritisiert worden. So warf etwa SPD-Chef Sigmar Gabriel der GDL vor, das Streikrecht zu missbrauchen.

Weshalb fahren Züge nicht ohne Lokführer?

Genervte Bahnreisende fragen sich: Sind führerlose Züge technisch möglich?

Züge, die nicht von Lokführern gesteuert werden, sind bereits Realität. Allerdings fahren sie weitgehend in regionalen Netzen. In fast drei Dutzend Metropolen weltweit verkehren längst fahrerlose U-Bahnen. In Europa sind das beispielsweise die Städte Barcelona, Kopenhagen oder Paris. Nürnberg ist die erste deutsche Stadt, in der solche Züge zum Einsatz kommen: Seit Sommer 2008 verkehren sie auf den Linien U2 und U3. Am Flughafen Düsseldorf transportiert der "SkyTrain" Fluggäste zwischen den Terminals, den Parkhäusern und dem Bahnhof auf einer Strecke von 2,5 Kilometern.

Führerlose Züge sind technisch also kein Problem. Damit diese ihre Fahrgäste möglichst sicher transportieren können, hilft es aber, wenn sie sich in einem möglichst geschlossenen System bewegen. In Tunnels wie bei U-Bahnen oder bei einer Schwebebahn wie dem SkyTrain sind kaum äußere Einflüsse zu befürchten. Zudem müssen sich diese Bahnen die Gleise nicht mit anderen Zügen teilen - im Gegensatz zum überregionalen Verkehr, bei dem sowohl Regionalbahnen als auch Güter- und Schnellzüge auf den Schienen unterwegs sind. Hinzu kommen Bahnübergänge als Gefahrenquellen. Die infrastrukturellen Voraussetzungen, etwa ein ausnahmslos eingezäuntes Schienennetz, müssten erst geschaffen werden.

Übrigens können selbst die führerlosen Bahnen nicht komplett auf menschliche Steuerung verzichten. Fahrdienstleiter und Disponenten sind weiterhin nötig, um für einen reibungslosen Ablauf zu sorgen.

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