Das schafft kein Flugzeug, zumindest nicht, wenn es in allen acht Städten landet: einmal rund durch Deutschland, von München über Nürnberg und Leipzig nach Berlin, weiter nach Hamburg, von dort nach Köln und über Frankfurt sowie Stuttgart zurück nach München - in weniger als zweieinhalb Stunden. Mit dem Zug indessen ginge das. Theoretisch. Wenn man ein Hyperloop-Netz baut.
Das kann man sich so ähnlich vorstellen wie ein Rohrpost-System: Kapseln mit Passagieren an Bord rasen durch Röhren, in denen ein Vakuum oder Teilvakuum herrscht. Geschwindigkeiten von bis zu 1000 Kilometern pro Stunde wären realistisch. Von Hamburg aus wäre man in einer halben Stunde in Köln, von München in einer Dreiviertelstunde in Berlin.
All das geht aus einem Konzept für eine deutsche Hyperloop-Strecke hervor. Es stammt aus dem Jahr 1991. Aber auch mehr als dreißig Jahre später schafft man gerade mal das kleine Teilstück von München nach Stuttgart in zwei bis knapp zweieinhalb Stunden, je nach Verbindung. Mangels Hyperloop mit einer klassischen Schieneneisenbahn. Eine Tour d'Allemagne mit dem Zug ist gegenwärtig eine Tagesreise.
In Springfield fährt eine Monorail-Bahn. Der Lokführer: Homer Simpson
Wie in vielen technologischen Sektoren herrscht auch im Schienenverkehr eine Gleichzeitigkeit des Ungleichzeitigen: Während einerseits kreative Menschen schon weit in eine mögliche Zukunft planen und prototypisieren, fühlt sich andererseits die Gegenwart oft noch sehr nach Vergangenheit an. Zum Beispiel, wenn man in einem nach Schmiermitteln und Kunststoffausdünstungen müffelnden Intercity durch die Lande rumpelt.
Sehr schön kann man dieses bizarre Nebeneinander im DB Museum in Nürnberg in der Sonderausstellung "Futurails" sehen. Präsentiert werden dort Schienenutopien aus drei Jahrhunderten, von denen einige realisiert worden sind, während die meisten eben das geblieben sind: Utopien. Die Gründe für das Scheitern innovativer Konzepte sind vielfältig: zu kompliziert, zu teuer, zu wenig vertrauensselig in den Augen der potenziellen Passagiere oder aber bereits in der Konzeptphase überholt von der technischen Entwicklung. Die Weltkriege und Wirtschaftskrisen haben ihr Übriges beigetragen.
Dem aktuell teilweise maroden Zustand der Bahn hierzulande zum Trotz gilt insofern: Die bisherige Bilanz aller futuristischen Konkurrenztechnologien, die die etablierte Adhäsions- respektive Reibungseisenbahn aus dem Feld schlagen wollten, ist ernüchternd. Denn die von englischen Ingenieuren und Tüftlern im 19. Jahrhundert ersonnene "Railway", die sich in den Anfängen des Eisenbahnzeitalters durchgesetzt hat, hat sich auch in der Folge und bis heute als die jeweils tauglichere Alternative erwiesen.
Ein Monorail-Zug, in Betrieb genommen 1961 - in der Autostadt Turin.
(Foto: Sammlung Wontorra)Sofern sich doch einmal andere Technologien durchgesetzt haben, geschah dies lediglich in Nischen: Das gilt etwa für Zahnradbahnen, um größere Steigungen überwinden zu können. Auch gibt es einzelne Monorail- und Magnetschwebe-Bahnen, speziell im Nahverkehr einiger Millionenstädte. Ein Grundproblem: Keine dieser Technologien ist kompatibel mit dem bestehenden Streckennetz und bedarf jeweils einer gesonderten Infrastruktur.
Dennoch üben etliche dieser Utopien, die sich im Alltag nicht behaupten konnten, eine starke Faszination aus. Klar, manches ist bloß kurios oder reiner Quatsch wie die Einschienenbahn von Charles Lartigue, die auf einer Art hüfthohem Metallzaun entlanggleitet, der die Landschaft bahnübergangslos in ein Hüben und Drüben teilt. Aber in manchen Utopien steckt ein Potenzial, eine Verheißung - mal liegt der Reiz in hohen Geschwindigkeiten, mal in der platzsparenden Integration in dicht bebauten urbanen Räumen und mal in der Reduzierung von Betriebskosten oder Wartungsaufwand.
Und dann ist da noch die Eleganz der Konstruktionen. Besonders gut lässt sich das an den Grafiken von Günter Radtke sehen, dessen zeichnerischer Nachlass dem DB Museum vermacht worden ist. Radtke hat gemeinsam mit Henri Nannen das Magazin Stern gegründet und als Chefillustrator vielem Gestalt verliehen, das sich nicht fotografieren ließ, darunter kühnen Visionen für den Verkehr der Zukunft. Nicht nur diese Grafiken sind näher an Science-Fiction als an der Realität. Ein Teil der Ausstellung befasst sich mit diesem Genre über Kunstgattungen hinweg: etwa mit den "Flash Gordon"-Comics, in deren Kosmos raketenförmige Einschienenbahnen unterwegs sind, oder mit der dystopischen Graphic Novel "Snowpiercer". Gezeigt werden auch Filmszenen mit futuristischen Schienenfahrzeugen, darunter "Metropolis", "Batman Begins" und eine "Simpsons"-Episode.
Darüber hinaus erzählen die Schienenutopien immer auch etwas über die Zeit, in der sie entwickelt worden sind. Über Hitlers Größenwahn, der unbedingt eine Breitspurbahn bauen lassen wollte mit einer Spurweite von 3000 Millimetern - in den zugehörigen Autoreisezügen hätten die Fahrzeuge quer abgestellt werden können. Oder über die Technikgläubigkeit in den Nachkriegsjahrzehnten, als man eine Zeit lang ernsthaft nachgedacht hat über den Bau nuklearbetriebener Lokomotiven.
Heute geht es eher um nachhaltigere Antriebsarten und um smarte Steuerungen, die in das bestehende System implementiert werden können, als um einen Wechsel des Schienensystems. Die Innovationen sind nicht mehr so augenfällig.
Wie offensichtlich spektakulär hingegen frühere Entwicklungen waren, veranschaulicht ein Film von mutmaßlich 1920, den der Künstler Denis Shiryaev 2020 koloriert und vertont hat: Er zeigt eine Fahrt mit der Schwebebahn in Elberfeld und Barmen (die beiden Städte wurden 1929/30 zu Wuppertal fusioniert). Unter der imposanten Metallkonstruktion sieht man noch Pferdegespanne und Menschen, die Handkarren über nicht asphaltierte Straßen ziehen. Manchmal ist der Schienenverkehr der Gegenwart eben doch voraus.
Futurails. Wege und Irrwege auf Schienen. Sonderausstellung im DB Museum in Nürnberg bis einschließlich 3.12.2023