Süddeutsche Zeitung

Fürstentum:Monaco für alle

Hinter dem Glamour des Fürstentums verbirgt sich eine ganz normale und doch ungewöhnliche Stadt.

Von Jochen Müssig

Der Polizist ist freundlich, aber bestimmt. Die Daten des Personalausweises werden per Funktelefon in die Zentrale gegeben und wie zur Abschreckung notiert. Im Wiederholungsfall könnte das bedeuten: Täter überführt! Was war passiert?

Ein Mann in Jeans und Pullover hatte auf dem Touristenpfad vom Ozeanographischen Museum zum Fürstenpalast in der Altstadt zwei nicht besonders auffällige Villen fotografiert.

Allerdings wohnt in der einen Stephanie von Monaco, in der anderen deren Schwester Caroline. Was folglich den Paparazzi-Verdacht des Polizisten sofort geweckt hatte. Aber da der Mann nicht einschlägig bekannt war, durfte er den Film behalten und weiter bummeln.

Monaco ist ein Musterstaat, oder besser ein Musterstädtchen, keine zwei Quadratkilometer groß und damit kleiner als der Englische Garten in München.

Spitzelnde Gärtner

Ein Polizist kommt auf 70 Einwohner, und mehr als 400 Kameras überwachen das Geschehen im Fürstentum. Darüber hinaus sind auch die 700 vom Staat angestellten, überall in der Stadt arbeitenden Gärtner angehalten, Auffälligkeiten in ihrer Umgebung zu beobachten und eventuell zu melden, und das nicht erst seit dem 11. September.

Dieses kleine Staatsgebiet gehört zu den großen Jet-Set-Plätzen der Welt und bietet gleichzeitig mehr Arbeitsplätze als Einwohner. Gibt es das überhaupt heutzutage noch: keine Arbeitslosigkeit, keine wirtschaftliche Unsicherheit?

Ein Land, in dem die Konjunktur blüht mit 41.000 Arbeitsplätzen für 32.000 Einwohner aus 112 Nationen, davon 812 aus Deutschland? Nur 7000 Einwohner sind Monegassen, die vom Staat Wohnungen mit günstigen Mieten bekommen, keine Einkommensteuer und keine Krankenkasse bezahlen müssen.

Monaco ist sicher, schön, reich - und damit sozusagen selbst ein Klischee. Die Eingabe der folgenden Begriffe bei einer Internet-Suchmaschine ergibt 12.400 Einträge für das Fürstentum, 87.200 für die Formel 1 von Monaco und für Caroline von Monaco 126.500.

Fußpflege für Croupiers

Das Laboratoire Asepta von Monaco muss sich dagegen mit nicht einmal 0,1 Prozent der Einträge von Caroline begnügen. Dabei handelt es sich um ein Familienunternehmen mit Tradition, das 1945 gegründet wurde und bis heute seinen Produktionsstandort in Monaco hat - trotz zehn Prozent höherer Löhne als im umliegenden Frankreich:

Henri Adam, einer der Gründer, entwickelte so sinnvolle Dinge wie das erste Fußpflege-Präparat speziell für die Croupiers des Casinos, die stundenlang auf den Teppichböden der Spielbank stehen mussten und über müde, schwere und schwitzende Füße klagten.

Der Firmensitz des Pflegemittelproduzenten liegt in Fontvielle, dem Arbeiterviertel von Monaco. In dieser Gegend bröckelt der Glanz, die Fassaden sehen mitgenommen aus, auch wenn die meisten Sozialwohnungen hier nicht als solche zu erkennen sind.

Ums Eck hat der einzige große Supermarkt des Landes und die einzige Filiale einer weltweit operierenden Hamburger-Braterei geöffnet. Auch das ist Monaco.

Während auf der Avenue Princesse Grace in Monte-Carlo die Ausstellungsräume von Maybach, Rolls-Royce und Bentley nur wenige Meter auseinander liegen und viel Platz zum Staunen bieten, sind in Fontvielle die Autosalons der unteren Kategorien zu finden: Da stehen die Porsches, Mercedes und BMW eng aneinander gerückt, als ob es sich um die Billigmodelle von Suzuki, Mazda und Toyota handeln würde.

Brot und Spiele

Wer sich gar für letztere Automarken interessiert, muss schon die Zeitungsinserate des ebenfalls in Fontvielle angesiedelten Monaco-Matin studieren.

Brot und Spiele: Ein paar Schritte weiter steht neben den Produktionsstätten der Arbeit das Stadion Louis II. Bis zu 20 000 Zuschauer kommen zu den Spielen des AS Monaco, das entspricht zwei Dritteln der Einwohnerzahl.

Prinz Albert ist obendrein Stammgast und erscheint, wie es sich für einen Mäzen gehört, mit Schal in den Vereinsfarben. Hinter dem Stadion, in der Avenue des Castelans, sind die Briefkästen auf der zum Stadion gewandten Seite rot, auf der anderen gelb - ein eindeutiges Indiz, dass man mit dem Überqueren der Straße bereits in Frankreich gelandet ist.

Kunstinteressierte verbinden die vier Stadtviertel mit dem Weg der Skulpturen. So kommt man leicht von Boteros Zigarette rauchender Frau in Fontvielle nach Condamine zu Cyrils Sainte Dévote, wie auch der Bahnhof von Monaco heißt, der jeden Tag Tausende von Pendler ins Fürstentum bringt.

Condamine ist vom Meer weg an die Hänge gebaut. Hier herrscht der Alltag, hier gibt's den Friseur, das kleine Lebensmittelgeschäft und sogar mal einen Papierschnipsel auf der Straße.

Natürlich videoüberwacht

71 Banken mit unterschiedlichen Namen haben allein 2200 Angestellte und bieten damit einen Bankschalter pro 450 Einwohner an. 80 öffentliche Aufzüge, Förderbänder oder Rolltreppen - natürlich alle videoüberwacht - helfen insbesondere in Condamine, die Höhenunterschiede bequem zu bewältigen.

Aber in Condamine ist die Oberstadt die gesellschaftliche Unterstadt. Denn unten am Meer liegen die sündhaft teuren Yachten aus allen Ländern der Erde.

Erstaunlicherweise kann man direkt am Yachthafen vor den Millionen schweren Dickschiffen für 9,50 Euro ein Plat du Jour, ein Tagesgericht, bekommen. Doch Monaco wäre nicht Monaco, wenn man nicht wählen dürfte.

Etwa zwischen einem dreigängigen Lunch im "L'Hirondelle" mit gerade mal 400 Kalorien zu 50 Euro oder drei Gängen bei Sterne-Koch Alain Ducasse im "Le Louis XV" für den vierfachen Preis.

Die Eigner der Yachten sind Investoren, weil Monaco für Sicherheit bürgt, wie kaum ein anderer Staat. Die bis zu 70 Meter langen Schiffe haben einen Kaufpreis ab 15 Millionen Euro. Die Liegegebühr pro Jahr kommt die Besitzer allein auf etwa 200.000 Euro.

7000 Euro pro Nacht

Trotzdem speisen sie zuweilen lieber bei Ducasse als an Bord und logieren im "Port Palace" über der Straße oder in der teuersten Hotel-Suite der Stadt, im "Hotel de Paris" für 7000 Euro pro Nacht.

Über die Schiffseigner herrscht allgemeines Stillschweigen. Wer seine Yacht in Georgetown auf den Cayman Islands angemeldet hat, ist meistens US-Amerikaner, wer Luxemburg beflaggt, ist oft Deutscher.

Zu mieten sind manche der Schiffe auch: Bootsverleih à la Monaco kostet zwischen 5000 und 110.000 Euro pro Woche.

Von einem Yachtbesitzer ist auch sein Name oder Pseudonym bekannt: Für Herrn Nasser aus Saudi-Arabien, der auf seiner Lady Moura, der größten Yacht im Hafen, einen Helikopter parkt, waren 15 Kilogramm Gold gerade die richtige Menge, um den Namenszug des Schiffes entsprechend effektvoll hervorzuheben.

Zum Vergleich: Im Salle Empire des "Hotel de Paris" wurden zwar 80.000 Goldblättchen für die Restaurierung des historischen Ballsaals verwendet, was alles in allem aber nur ein Kilogramm reines Gold ausmachte.

Sozialwohnungen und Luxus-Studios

Investoren kaufen sich nicht nur Yachten in Monaco, sondern auch schier unbezahlbare Penthouse-Wohnungen. Damit erzielen sie Mietpreise zwischen 3000 Euro für ein 65-Quadratmeter-Studio und wahnwitzige 19.500 Euro für eine Sieben-Zimmer-Wohnung mit Terrasse.

Monegassen wohnen dagegen zu günstigen Preisen in Sozialwohnungen, andere haben alte Mietverträge zu vernünftigen Konditionen, und die dritte Gruppe verdient genug, um die geforderten Preise bezahlen zu können. Das Bruttoinlandsprodukt liegt mit 55.000 Euro pro Jahr nur knapp hinter dem des Stadtzentrums von London, dem teuersten Pflaster Europas.

Der Zwergstaat mit Tiefen von minus 20 Metern (im Konzertsaal des Grimaldi Forums) bis plus 160 Meter an den Hängen des Landes hat nur ein Problem: Er platzt aus allen Nähten. Selbst dem Meer lässt sich kaum noch mehr Land abringen.

Ein Fünftel der Staatsfläche wurde bisher vom Meer gewonnen, doch jetzt sind Meerestiefen von 80 und mehr Metern bei der Landaufschüttung erreicht. Die Anstrengungen für eine weitere Expansion wären enorm und sind selbst für Monaco-Verhältnisse nicht mehr bezahlbar.

Was nicht heißt, dass es an Ideen mangeln würde: Der neue Deich mit Kreuzfahrtterminal am Hafen ist als eine im Meer verankerte Insel an die Hafenmole angedockt worden.

Gut das Doppelte eines auf festem Boden gebauten Piers hat dieser Insel-Deich gekostet.

Die Platznot sorgt auch für kleine, unscheinbare Eingänge, hinter denen sich monumental ausgestattete Höhlen wie Wundertüten verbergen: mit einem ganzen Bahnhof, dem Automobil-Museum des Fürsten mit mehr als hundert Fahrzeugen oder dem modernen Kongress- und Messezentrum.

Hier im multifunktionalen Grimaldi Forum trifft sich im "Karément" nicht nur die modebewusste Jugend der Stadt zum After-Work-Drink. Einen Stock darunter findet auch die Jahrestagung der deutschen Steuerberater statt. Was automatisch den Verdacht nährt, dass das Image vom Null-Steuer-Paradies doch stimmt.

Vom Residenten zum Hotelgast

Fakt ist: Es gibt keine Einkommensteuer in Monaco, aber jeder muss Mehrwertsteuer bezahlen wie im Rest Europas auch. Eine Briefkastenadresse reicht nicht, um in den Genuss der Steuervorteile zu kommen.

Man muss mindestens drei Monate in Monaco wohnen, um für ein Jahr die begehrte Residenz-Status-Karte zu bekommen - oder sechs Monate im Jahr für eine Drei-Jahres-Karte sowie zehn Monate im Jahr für eine Zehn-Jahres-Dauerkarte.

Ein Grund, weshalb viele einst im Fürstentum registrierte Prominente nicht mehr in Monaco gemeldet sind. Von den Formel 1-Fahrern wohnt nur noch Juan Pablo Montoya in Monaco, während Weltmeister Michael Schumacher in der Regel nur noch das Laufband im Fitnesscenter des "Monte-Carlo Grand Hotel" mit Blick auf die berühmte Haarnadelkurve zur Vorbereitung aufs Rennen benutzt.

Von allen Veranstaltungen bringt die Formel 1 Monaco jährlich die meisten Einnahmen. Wer dabei sein will, muss mindestens fünf Nächte in einem Hotel des Zwergstaates buchen.

Das Leben von den Steuereinnahmen

Und, so merkwürdig das bei Einkommensteuerfreiheit klingen mag, auch Monaco lebt letztlich zur Hälfte von Steuereinnahmen: Diese stammen aus Ereignissen wie der Formel 1, aus Bankgeschäften, aus dem Handel und dem Tourismus.

Auch Industrieunternehmen müssen Steuern abführen, und an Immobilientransaktionen verdient der Staat mit. Das Casino-Geschäft macht indes lediglich vier Prozent im Staatshaushalt aus, obgleich in den Salons privés schon mal in einer Stunde bis zu fünf Millionen Euro verspielt werden.

So ist Monaco, der kleine Staat und die normale Stadt mit ihren großen Anomalien. Zu diesen gehört auch, dass Monaco mehr Musiker beschäftigt als Soldaten. Wenn das nicht zukunftweisend ist.

Informationen:

Anreise: dba und Lufthansa fliegen von mehreren deutschen Städten nach Nizza. Preise von München nach Nizza ab 70 Euro pro Strecke. Von Nizza verkehren regelmäßig günstige Züge und Busse nach Monaco. Das Taxi kostet pro Strecke etwa 75 Euro, der Helikopter-Transfer 70 Euro. Innerhalb von Monaco verkehren für 1,40 Euro Busse, kaum eine Taxi-Fahrt kostet mehr als zehn Euro.

Unterkunft: Im Belle-Epoque-Stil ist das "Hotel Metropole" (ab 330 Euro für Doppelzimmer ohne Frühstück) gehalten. Im minimalistischen Design-Stil der "Port Palace" (ab 600 Euro). Das "Le Méridien Beach Plaza" (ab 220 Euro) hat direkten Zugang zum Mittelmeer. Besonders günstig ist das "Hotel de France" (ab 63 Euro).

Weitere Informationen: Monaco Informations-Centrum in 40212 Düsseldorf, Königsallee 27-31, Telefon: 0211/323 78 44, Fax: /323 78 46, E-Mail: monaco-duesseldorf@t-online.de, www.monaco-tourisme.com

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