Süddeutsche Zeitung

Frisch bezogen:Ohne Schnickschnack

Das Ruby Lissi in Wien umwirbt die lässig Urbanen. Und es reduziert das Angebot auf das, was die Zielgruppe offenbar braucht: ein gutes Bett, Stereo-Anlage auf dem Zimmer, Yoga-Matten auf dem Flur und ein schlichtes, gutes Frühstück.

Von David Pfeifer

Was einem sofort auffällt, wenn man in Wien ankommt: Man ist viel zu selten in Wien. Es gibt ja so viele gute Gründe, den alten, tristen Prater, das ewig prächtige Burgtheater, die kleinen Einzelhändler, das freizeitparkoptimierte Museumsquartier, den Volksgarten, die Albertina und den Würstl-Stand davor. Wenn man es demnächst wieder mal schaffen sollte nach Wien, kann man gut im Hotel Ruby Lissi absteigen.

Man findet es unter der Adresse Fleischmarkt 19 (ja, die Straße heißt so, noch ein guter Grund, mal wieder nach Wien zu fahren: die fantastischen Straßennamen). Die Adresse gehört gerade noch so zum ersten inneren Nobelbezirk am Schwedenplatz. Die allermeisten touristischen Attraktionen liegen in Laufweite. Zwei Gassen weiter ist das sogenannte Bermudadreieck, in dem sich nach Sonnenuntergang die Junggesellenabschiede stauen. Nach etwa fünf Minuten steht man vor dem Stephansdom, der derzeit allerdings von einer Baustelle umkränzt ist. Von außen macht das Hotel nicht viel her, aber drinnen schläft man ganz ausgezeichnet. Die Zimmer sind nicht groß, aber für ein paar Tage oder ein Wochenende völlig ausreichend, das Bad ist mit einer Regendusche ausgestattet. Statt einer überteuerten Minibar findet man auf jeder Etage Automaten, aus denen man sich "Manner"-Schnitten oder Mineralwasser ziehen kann.

Alles in allem also ein Hotel, wie man es jederzeit weiterempfehlen kann, lässig und absolut leistbar. Nur wenn man zuvor schon mal im Ruby Marie an der Ecke zur Mariahilfer Straße oder dem Ruby Sofie an der Marxergasse übernachtet hat, merkt man, dass man nichts entdeckt hat, sondern ganz im Gegenteil, umgekehrt entdeckt wurde: als Zielgruppe nämlich.

Denn alle drei Wiener Ruby-Hotels sind zwar durchaus individuell eingerichtet, aber sie folgen einem sehr klaren Konzept: Man findet sie in einer guten, aber nicht in der allerbesten Lage. Die Häuser liegen oftmals in etwas seltsamen Gebäuden, das Lissi beispielsweise in einem ehemaligen Teil der Post, und sie verzichten auf Eingangshalle, Marmor und Goldstuck. Ein anderes, das Lilly am Stiglmaierplatz in München, sieht aus wie der Büro-Bunker eines Versicherungskonzerns, was daran liegt, dass es in einem alten Wüstenrot-Haus untergebracht wurde.

In den Ruby-Hotels wurde reduziert auf das, was die Zielgruppe, der man nun offenbar angehört, braucht: ein gutes Bett, Stereo-Anlage auf dem Zimmer, Yogamatten auf dem Flur und ein schlichtes, gutes Frühstück. Was es hingegen nicht gibt: ein Fitnesscenter, Concierge, Spa und ein Edelrestaurant mit Zimmerservice. Doch wer reist schon nach Wien, um dort im Hotel zu Abend zu essen?

Der Ruby-CEO Michael Struck ist ein Mann Mitte 40, in Jeans und mit Sommersprossen. Nur die Doppelknöpfe am Hemdkragen verraten seine Vergangenheit als Unternehmensberater. Struck erzählt enthusiastisch und mit der spieltheoretischen Freude eines Wirtschaftswissenschaftlers, wie er zu seinem Lebensprojekt kam. Nach Jahren bei Boston Consulting und in der Leitung der Schörghuber-Unternehmensgruppe wurde er Chef einer Hotelkette. In solchen Jobs gehört es dazu, effizient zu denken und die Zahlen zu optimieren - doch man kann immer nur mit dem arbeiten, was man vorfindet. "In einem normalen Hotel geht unglaublich viel Geld für Personal drauf, für ein Restaurant, das auch dann betrieben werden muss, wenn keiner reingeht, oder für ein Spa, das nur vier Stunden am Tag genutzt wird", sagt Struck.

Lässt man all das weg, kann man sehr gute Schlaf- und Frühstücksqualität für wenig Geld anbieten - und trotzdem Gewinn machen. Bald sollen Häuser in Frankfurt, Düsseldorf und Hamburg eröffnen. Auf den ganzen Schnickschnack, den Hotels vor allem anbieten müssen, um in einem veralteten Bewertungssystem fünf Sterne zu bekommen, verzichtet Michael Struck bewusst: "Die Zielgruppe, die wir anvisieren, bucht übers Internet. Die schaut nur noch darauf, wie andere Kunden das Hotel bewertet haben. Kunden, die so ähnlich sind wie sie selber."

Die urbanen Großstädter, die in anderen Städten Kurzurlaub machen, oder Geschäftsreisende, die trotz Spesenverordnung Wert auf stilvolle Einrichtung legen, empfehlen die Ruby-Hotels in ihrer Filterblase weiter. Durch das Anmeldesystem per Computer spart man sich nicht nur Zeit beim Ein- und Auschecken - man gibt auch seine Mailadresse preis und wird fortan mit Angeboten versorgt, die einen günstig nach Wien locken wollen.

Der Unterschied zu vergleichbaren Hotelketten wie etwa den NH- oder Motel-One-Häusern findet sich in einer etwas lässigeren Haltung. Die Sound-Anlage im Zimmer ist von Marshall - ein Schriftzug, der Rock 'n' Roll-Fans sofort anspricht. In der Lobby hängen E-Gitarren an der Wand. Michael Struck beginnt zu schwärmen, wenn er von der Inneneinrichtung spricht, von den Konzepten, die er sich mit einer Handvoll Mitarbeitern ausdenkt. Im Ruby Lissi beispielsweise führen Stangen vor dem Waschtisch vom Boden bis zur Decke; sie tragen etwas, das aussieht wie eine Gepäckablage, von einem Zimmereck zum anderen. "Sehr gut erkannt", sagt Struck und freut sich, "das soll an die alten Gepäcknetze in Reisezügen erinnern. Das Haus stammt aus einer Zeit, als Kaiserin Elisabeth - Lissi -, noch kreuz und quer durch die k. u. k. Monarchie fuhr." Die Einrichtung der Ruby-Hotels ist überall ähnlich, das spart Geld beim Einkauf en gros. Aber sie wird dann eben für jeden Standort variiert.

Der Wüstenrot-Monolith am Stiglmaierplatz in München brauchte etwas Moderneres, eher 1980er-Jahre. Also stapeln sich Fernsehgeräte im Eingangsbereich, und die Teppiche in den Zimmerfluren zeigen das Motiv des TV-Testbilds. Die "Schickeria"-Leuchtschrift über der Bar kann man albern finden, aber Touristen denken halt an Monaco Franze und Baby Schimmerlos, wenn sie zu Besuch in München sind. Genauso wie sie an Kaiserin Elisabeth denken, wenn sie nach Wien fahren. Ein Werbeklischee vielleicht, aber das Ruby Lissi will auch kein Geheimtipp sein. Es tut nur sehr erfolgreich so.

Doppelzimmer ab 99 Euro, zuzüglich Frühstück ab elf Euro, www.ruby-hotels.com

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Quelle:
SZ vom 17.08.2017
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