Frisch bezogen:Nachts unter Soldaten

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Das Hotel Palacio de los Duques in Madrid ist eine Hommage an Diego Velázquez. Wer hier übernachtet, kann sich im Schlaf auf den Prado vorbereiten.

Von Antje Weber

Blass ist das blond gelockte Mädchen, das in Überlebensgröße von der Wand blickt, und es wirkt ziemlich ernst. Hat man es nicht schon mal gesehen? Selbst wer unvorbereitet im Gran Meliá Hotel "Palacio de los Duques" in Madrid eincheckt, ahnt angesichts der drei großen Mädchenporträts in der Lobby, dass es sich hierbei um bedeutende Kunst handeln muss. Gewissheit erhält, wer noch ein paar Schritte weitergeht, zur Rezeption für besonders exklusive Gäste: Dort hängt eine Kopie des berühmten Bildes "Las Meninas" von Diego Velázquez. Und in dessen Zentrum steht artig - die blonde Königstochter Margarita.

Zufall ist das alles nicht: Das erste Fünf-Sterne-Hotel, das in nächster Nähe zum Königspalast im Herzen der Madrider Altstadt liegt, hat sich dem großen spanischen Maler verschrieben. Velázquez machte im 17. Jahrhundert als Hofmaler des Habsburger-Königs Philipp IV. eine steile Karriere; seine Porträts vom blassen und blonden König und dessen Familie gehören zu den wichtigsten Bildern des sogenannten Goldenen Zeitalters. Velázquez gelang es, hinter Kostümierungen und Konventionen stets die Menschen sichtbar werden zu lassen; Hofnarren malte er dabei mit ebenso viel Respekt wie ihre Herrschaften. Virtuos spielte er mit Licht und Schatten, mit Spiegelungen und Details - das komplex konstruierte Werk "Las Meninas" etwa, das im Prado hängt, gehört zu den meistdiskutierten Bildern der Kunstgeschichte.

Warum und wie das Gran Meliá Velázquez huldigt, erschließt sich wie die Bilder des Malers erst nach und nach. Nicht nur durch die Lage nah dem Königspalast ist das Hotel mit Velázquez verbunden, sondern auch durch das historische Gebäude selbst und dessen frühere Besitzer. Ein Teil des Hotels, das im Sommer vergangenen Jahres nach einem etwa 19 Millionen Euro teuren Umbau eröffnet hat, ist in einem ehemaligen Kloster aus dem 13. Jahrhundert untergebracht; ein anderer in einem damit verbundenen Palast aus dem 19. Jahrhundert. Einer der einst hier residierenden Herzöge von Villahermosa war besonders kunstliebend und besaß sogar selbst einen echten Velázquez.

Mädchen, die Diego Velázquez malte: Bereits in der Hotel-Lobby erblickt man Kunst - und fühlt sich beobachtet. (Foto: Thierry Delsart/Meliá Hotels)

Das Bild wollte ihm, so die von Hotelmanagerin Ana Escribano gern erzählte Anekdote, ein Nordamerikaner für viel Geld abkaufen. Der Herzog jedoch erwiderte: "Meine Familie, mein Vaterland und die Kunst liebe ich sehr - und das Geld sehr wenig." Er verkaufte das Bild also nicht, sondern vermachte es dem Prado, wo "Don Diego del Corral y Arellano" jetzt recht streng und bedeutsam aus dem Rahmen blickt. Eine noble Geste des Herzogs, die er sich offensichtlich erlauben konnte.

Wer sich heute das "Palacio de los Duques" erlauben kann, taucht in eine Welt ein, die von Velázquez und seiner Zeit inspiriert, zugleich aber modern ist - eine Welt der Kontraste, der Spiegelungen, der Details. Das Konzept der Architekten Alvaro und Adriana Sans funktioniert wie ein Velázquez-Bild auf mehreren Ebenen. Neun seiner Gemälde hängen, verfremdet, an der Rezeption, in den Gängen und Zimmern. Die Planer haben meist Ausschnitte daraus vergrößert und farblich verändert: Überwiegend Gold-, Beige- und Schwarztöne sollen die auch bei Velázquez vorherrschenden Farben aufrufen. Die Gemälde in den Zimmern werden dort jeweils kurz erklärt. So kann der Gast zum Beispiel unter Feldherren und Soldaten schlafen, die dem Gemälde "Die Übergabe von Breda" entstammen. Die Szene stellt einen historisch bedeutsamen Friedensschluss aus dem 17. Jahrhundert dar; das niederländische Heer kapitulierte damals vor der Übermacht der Spanier. Im hoteleigenen Restaurant Coroa wiederum fällt der Blick auf die arbeitsamen Frauen auf dem Gemälde "Die Spinnerinnen" - und man freut sich bei einem zweiten Blick über einen Spiegel, der einen Ausschnitt dieses Bildes reflektiert.

Es sind solche Details, die den Charme des Hotels ausmachen. Und die Gegensätze, auf die man überall im Haus stößt: Helle Bereiche wie das original erhaltene schöne Treppenhaus des Palasts kontrastieren mit schummrigen Gängen und schweren Vorhängen. Im puristisch weiß gekiesten Garten wiederum, der ohne viel Natur auskommt, räkelt man sich dem Alltag enthoben in schwarzen Sofas - und sieht dabei am Nachbarhaus die trocknende Wäsche baumeln. Eine besonders schöne Aussicht hat man von der Dachterrasse samt Pool, die leider nur nutzen darf, wer noch mehr bezahlt und dann im "Red-Level-Bereich" eingebucht ist. Die untergehende Sonne spiegelt sich hier oben kurz im Windschutzglas und scheint so gleich zweimal unterzugehen - rechts original in den Hügeln, links in Kopie über der Altstadt. Auf effektvolle Kontraste setzt auch das Restaurant "Dos Cielos", das die Zwillingsbrüder und Michelin-Sterneköche Javier und Sergio Torres in den ehemaligen Stallungen des Palasts eingerichtet haben. Unverputzte Ziegelwände, warme Holztöne, dazu moderne Leuchten - gemütlich und doch elegant.

Vor dem hoteleigenen Restaurant Coroa räkelt sich die "Venus vor dem Spiegel". (Foto: Thierry Delsart/Meliá Hotels)

Irgendwann ist es aber an der Zeit, das Hotel-Refugium in einer ruhigen Seitenstraße zu verlassen und sich in das geschäftige Leben der Innenstadt zu werfen. Als erstes schlendert man unweigerlich über die einladende Plaza de Oriente zum Königspalast, wo die lange Schlange am Eingang, von Akkordeonspielern mit "Kalinka" unterhalten, dann allerdings doch abschreckt. Ein Rundgang über diverse Habsburger-Plätze mit ihren Reiterdenkmälern muss aber natürlich noch sein, bevor man sich zum Prado aufmacht, der zu Fuß durch die Altstadt in etwa 20 Minuten zu erreichen ist. Dieses Museum, eines der bedeutendsten der Welt, kann einen endgültig schwindelig machen angesichts der Kunstwerke, die hier versammelt sind - und die von Velázquez gehören selbstredend zu den wichtigsten.

Und so kann man nun, gemeinsam mit Scharen anderer Touristen, im Original studieren, was man bereits im Hotel erahnte: die Königstochter Margarita in verschiedenen Altersstufen zum Beispiel; die mythologisch verwobenen "Spinnerinnen"; eine mürrisch dreinblickende Königin Maria Anna, die aller Pomp und Prunk nicht zufrieden macht. Auch Velázquez selbst, dem an der Längsfassade des Prado ein Denkmal errichtet wurde, schaut erstaunlich melancholisch drein. Da sitzt der große Hofmaler, mit Pinsel und Palette in den Händen, und blickt auf eine zehnspurige Straße, von der ihm Gestank und Lärm entgegenschwappen. Und als Fotomotiv muss er auch noch ständig herhalten.

Nach all diesen Eindrücken gleich weiter ins nächste Museum? Ach, vielleicht doch erst im Hotel bei einem Nickerchen unter der "Übergabe von Breda" vom Schlachtengetümmel ausruhen.

Gran Meliá Palacio de los Duques, DZ ca. 350 Euro, www.melia.com/de/hotels/spanien/madrid/gran-melia-palacio-de-los-duques/index.html; Menü im "Dos Cielos" 75 Euro

© SZ vom 06.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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