Süddeutsche Zeitung

Frisch bezogen:Im Flugzeug vor die Terrasse

Das Hotel Fliegerdeich in Wilhelmshaven war früher ein Admiralscasino an der Meeresseite des Deichs. Dennoch ist der Bezug zur Fliegerei nicht unbegründet.

Von Dominik Prantl

Hoteldirektorin? "Das klingt für so ein kleines Haus doch bescheuert", sagt Marina Lücke. Sie ist deshalb natürlich die Kapitänin, was sonst. Schließlich tragen die Zimmer auch Bezeichnungen wie Economy, Business oder First Class statt altmodischer Kategorien wie Deluxe, Superior oder Suite. Das kleine Frühstück heißt Short Distance Flight, zu dem man Eggs Benedict ordern kann, als Upgrade. Zum Check-in gibt es eine Bordkarte.

Obwohl sie im kürzlich eröffneten Hotel Fliegerdeich in Wilhelmshaven derzeit noch die letzten Bretter im ersten Stock annageln, wird damit ziemlich schnell klar: Der Laden soll als Boutiquehotel aus der Reihe tanzen, und zwar ganz bewusst. Gehört der Fliegerdeich doch zu den Heimathafen-Hotels, die in ihrem Sortiment auch mal eine als "rotzig-rockig" charakterisierte Unterkunft namens "Bretterbude" führen. Selbst der Name "Fliegerdeich" passt auf den ersten Blick nicht so wirklich in eine Stadt, die sich seit ihrer Gründung vor exakt 150 Jahren vor allem über Wasser und Schifffahrt definiert. In Spaziergang-Distanz zum Hotel liegen das wirklich sehenswerte Marinemuseum und das Wattenmeer-Besucherzentrum. Die Bundeswehr hat hier ihren größten Stützpunkt für Seestreitkräfte. Und dann gibt es da noch einige Institute mit sehr langen Namen, die alle das Meer und Wörter wie Forschung oder Biologie in sich tragen.

Aber natürlich haben sich die Investoren etwas dabei gedacht, als sie ihr Objekt Fliegerdeich nannten. Schließlich heißt so auch die Straße, die zu dem Hotel führt, da Wilhelmshaven im frühen 20. Jahrhundert auch eine kurze Phase der Seefliegerei durchlebte. Das zuletzt jahrelang vor sich hingammelnde Gebäude diente damals als Casino für Admiräle. Als eines von ganz wenigen Häusern - auch hier passt es nicht ins Schema - hat es seinen Platz auf der dem Meer zugewandten Seite des Deichs. Der Keller ist daher zweigeteilt und mit Flugschotten ausgestattet, als Notmaßnahme gegen Sturmfluten. Dafür hat man auf der Terrasse das Gefühl, bei Flut direkt am angrenzenden Wasser des Jadebusens zu sitzen. Auf dem dürfen nach altem Recht auch heute noch Wasserflugzeuge landen. "Wer so was zufällig noch daheim rumstehen hat, kann theoretisch damit anreisen", meint Lücke.

Bei allen Parallelen zur Fliegerei: Mit der oft abgehobenen Gesellschaft des Luftverkehrs hat das Hotel wenig gemein und erst recht nicht mit dem hierarchischen Getue von Bundeswehr und Marine. Oder wie Marina Lücke sagt: "Es ist bei uns ein bisschen wie bei Ikea", was eine spannende Bereicherung in Wilhelmshaven sein dürfte, das, nun ja, eben Wilhelmshaven ist. Ein Ort, in dem das erste Haus am Platz Atlantic heißt, ein Klotz, der überall stehen könnte; aus dem die Einwohner seit den Siebzigern eher wegziehen und über den Lücke meint: "Viele Wilhelmshavener reden ihre Stadt schlecht."

Im Hotel wird alles und jeder konsequent niedergeduzt - vom Schüler bis zum Rentner

Man wäre daher nur zu gerne dabei gewesen, als die mit Argusaugen über die Sanierung wachenden Anwohner - etwa aus den naheliegenden Seniorenwohnungen - das Hotelrestaurant nach der Eröffnung vor wenigen Wochen zu persönlichen Testzwecken fluteten. Neben einer richtig guten Küche gehört zur Hotelphilosophie nämlich auch, alles und jeden mit einer Konsequenz niederzuduzen, dass es für die einen eine wahre Freude ist, für andere vielleicht eine Nummer zu leger. Aber Letztere will man womöglich auch gar nicht in einem der nur 13 Zimmer haben.

Die sind wie das ganze Haus im Industrial Style gehalten, wie es heutzutage so schön heißt. Also ein paar Ziegel hier und etwas Stahl dort, dazu Vintagemöbel und jede Menge Fliegerromantik in Bildern an der Wand, alles eher spartanisch, ohne etwas zu vergessen. Und irgendwie passt das Hotel damit wiederum ganz gut zu Wilhelmshaven.

Fliegerdeich Hotel & Restaurant, Fliegerdeich 3, 26382 Wilhelmshaven, Telefon: 04421 / 755 79 40, Doppelzimmer mit Frühstück ab 119 Euro, www.hotel-fliegerdeich.de

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Quelle:
SZ vom 16.05.2019
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