Frankreichs Ozeandampfer:Stolz der Grande Nation

Frankreichs Ozeandampfer: Vom Bunker ins Traumschiff. Die Schau Escal’Atlantic führt in die Zeit der französischen Linienschiffe.

Vom Bunker ins Traumschiff. Die Schau Escal’Atlantic führt in die Zeit der französischen Linienschiffe.

(Foto: Vincent Bauza)

Die Ausstellung Escal'Atlantic im alten U-Boot-Bunker in Saint-Nazaire zeigt die Pracht und den Glamour der alten französischen Linienschiffe. Sie erzählt auch vom jähen Ende dieser Epoche mit dem Aufkommen des Luftverkehrs.

Von Ingrid Brunner

Zugegeben, der Eingang zum Traumschiff ist ein wenig beklemmend. Man betritt es über eine Gangway im klotzigen U-Boot-Bunker, den die Wehrmacht in Saint-Nazaire gebaut und am Ende des Zweiten Weltkriegs hinterlassen hatte. Ein Monstrum aus Beton - unzerstörbar, ein Monument des Wahnsinns, gebaut 1941 bis 1942. Die Stadtplaner und Touristiker von Saint-Nazaire fanden, wenn sich diese Zeugen der Geschichte schon nicht wegsprengen lassen, sollten sie doch einen neuen, erfreulicheren Zweck erfüllen und somit eine Umdeutung erfahren. So wurde ein Teil der Bunkeranlage zum Museum der transatlantischen Linienschifffahrt umgewidmet, die in Saint-Nazaire vor 150 Jahren ihren Anfang nahm. Schon im Foyer der Ausstellung "Escal'Atlantic", was man in etwa mit "atlantischer Zwischenstopp" übersetzen könnte, erfasst die Besucher wieder französische Leichtigkeit. Sie tauchen ein in die Epoche der prachtvollen Linienschiffe, die in den Fünfzigerjahren mit dem Aufkommen des Luftverkehrs zu Ende ging.

Mit ihrer luxuriösen Ausstattung und Eleganz lagen die Paquebots, wie die Linienschiffe auf Französisch heißen, stets im erbitterten Wettstreit mit den englischen Oceanlinern. Gesellschaften wie Cunard oder White Star setzten alles daran, die französische Konkurrenz mit imperialem Glanz zu überstrahlen. Die Paquebots sind Teil von Frankreichs kulturellem Erbe, ihr Ruf ist legendär. Schiffe wie die Normandie (gebaut 1935), die Liberté (1950) und die France (1960) waren Stilikonen ihrer Zeit. Die angesehensten Künstler, Bildhauer, Glasbläser, Möbelbauer, die besten Silberschmieden, Porzellan- und Kristallmanufakturen Frankreichs statteten die Schiffe aus. Berühmtheiten ihrer Zeit reisten auf den glamourösen Kreuzfahrtschiffen; zum Beispiel Marlene Dietrich auf der Paris, Juliette Greco auf der France, Tennessee Williams und Fernandel auf der Liberté, Charlie Chaplin auf der Lamorcière.

Auf Fluren öffnen sich Kabinentüren, sie führen in Gepäckräume mit alten Überseekoffern von Louis Vuitton, in ein Musikzimmer, ein Schlafzimmer ausgestattet mit Originalmöbeln, aufs Promenadendeck oder in den Maschinenraum. Doch die Besucher befinden sich nicht in einem bestimmten Schiff, sondern in einer Simulation, ausgestattet mit Tausenden Originalobjekten aus verschiedenen Schiffen, die zu einer Gesamtschau zusammengestellt sind. Ein elegantes Art-déco-Wandbild schmückt die Eingangshalle: Die Füchse des Raumausstatters und Bildhauers Jean Dunand waren Teil des großen Freskos "Die Jagd", das den Rauchersalon der Ersten Klasse auf der Normandie dekorierte. In einem anderen Rauchersalon, dem der France, können Besucher einen Kaffee trinken. Sie blicken dabei hinab auf Vitrinen, in denen das Tafelgeschirr und -silber der Schiffe ausgestellt ist.

Zu den 20 Ausstellungsräumen gehören aber auch die unteren Decks, in denen mittellose Emigranten zusammengepfercht waren, die sich in der Neuen Welt ein besseres Leben erhofften. Im Bauch des Schiffes befindet sich auch ein Kartenraum, wo Kinder und Erwachsene in die Rolle eines Reedereidirektors schlüpfen und selbst Schiffe um die Welt dirigieren können.

Saint-Nazaire wurde aufgrund seiner geschützten Lage an der Loire-Mündung früh ein wichtiger Hafen in Frankreich, von dem Schiffe nach Übersee ablegten. Noch früher wurde die Stadt Standort des Schiffbaus und ist es bis heute geblieben. Saint-Nazaires Werft Chantiers de l'Atlantique ist neben der Meyer-Werft in Papenburg und den Fincantieri-Werften in Italien Produktionsstätte für die größten und technisch komplexesten Kreuzfahrtschiffe der Welt. An Größe konnten es seinerzeit auch die Normandie mit Platz für 1972 Passagiere und 1350 Bedienstete oder die France aufnehmen, mit einer Kapazität von 2032 Passagieren und 1100 Crewmitarbeitern.

Die Schau Escal'Atlantic bietet Gelegenheit, der goldenen Zeit der Ozeandampfer nachzuspüren, ohne dabei seekrank zu werden. Man verlässt sie im Rettungsboot: Man nimmt Platz, ein Mitarbeiter lässt die an Ketten hängende Barge sacht hinab Richtung Ausgang. Im Museumsshop kann, wer will, noch ein Originalobjekt - etwa eine Teekanne oder einen Aschenbecher von einem der Schiffe erstehen. Mit Echtheitszertifikat.

Eintritt 14 Euro, Kinder zwischen 4 und 14 zahlen 7 Euro, www.leportdetouslesvoyages.com/de

Hinweis

Die Recherchereise für diesen Beitrag wurde zum Teil unterstützt von Veranstaltern, Hotels, Fluglinien und/oder Tourismus-Agenturen.

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