Frankreich:An der Glanzbar

Kristallglas von Lalique hat Art-déco und Jugendstil verschönert. Am Firmensitz im Elsass hat jetzt ein neues Hotel eröffnet - mit leicht zerbrechlicher Einrichtung.

Von Ingrid Brunner

Wer die Lobby des Château Hochberg betritt, blickt sofort auf die Bar. Über einer Front aus weißem Quarz und einer Glaswand mit eingeschliffenen Blumenmotiven schwebt ein moderner Kristallleuchter. Gläser, Vasen, Tresen: Alles glänzt, funkelt und leuchtet. Hat man womöglich die Rezeption des Hotels verpasst? Keineswegs: Sie fügt sich links vom Eingang lediglich dezent ins Konzept der Innenausstattung ein. Auch sie ist aus weißem Quarz, in der Mitte mit Lorbeer-Ornamenten verziert. Gleich daneben an den Wänden die Original-Lorbeeren: Paneele mit eingeschliffenen Blattmotiven, entworfen 1923 vom Glaskünstler René Lalique für den Orient-Express.

Lalique-Verehrer erkennen natürlich sofort die Anspielungen und modernen Repliken, die sich wie ein roter Faden durch das gesamte Haus ziehen. René Lalique hat im elsässischen Wingen-sur-Moder nach dem Ersten Weltkrieg eine Glasfabrik eröffnet und mit seinen Parfümflakons, Automobil-Kühlerfiguren, Lampen und Schmuckentwürfen den Jugendstil und das Art-déco geprägt. Wingen-sur-Moder ist so etwa wie das Graceland für Lalique-Fans: Hier befindet sich die heutige Kristallmanufaktur Lalique, das Lalique-Museum und die Villa Lalique. Das einstige Wohnhaus des 1945 verstorbenen Firmengründers steht inmitten eines Parks und ist schon länger ein Luxushotel, opulent ausgestattet mit Originalmöbeln. Gleich daneben befindet sich ein Zwei-Sterne-Restaurant, dessen moderner Anbau vom Architekten Mario Botta entworfen wurde.

Viele Besucher aus Deutschland, Frankreich, der Schweiz und sogar aus Japan kommen eigens hierher, um Lalique-Kunst im Original zu sehen. Und bei aller Verehrung für René Lalique: Erst sein Sohn und Nachfolger Marc hat die Produktion von gewöhnlichem Glas auf Bleikristallglas umgestellt. Erst dieses Material ermöglichte es, die Oberflächen zu satinieren und damit den Hauteffekt zu erzielen, der von Sammlern so geschätzt wird: Davon schwärmt während einer Werksführung auch Denis Mandry, der Leiter der Cristallerie Lalique, und streicht zärtlich über die Skulptur einer sitzenden Nackten. Frauen, vor allem weibliche Körper, waren neben Blumen und Tieren das wichtigste Motiv von Vater und Sohn Lalique. Heute seien kleine bunte Lalique-Fische der Bestseller, sagt Mandry. Kleine Fische können sich auch Menschen mit kleinem Geldbeutel gerade noch leisten.

Die Region liegt eine gute Autostunde von Straßburg entfernt, inmitten des Naturparks Nordvogesen. Hügel und Wälder prägen die Landschaft. Zugleich ist sie traditionell ein Zentrum der Glas- und Kristallproduktion, mit den Orten Meisenthal, Saint-Louis-lès-Bitche und Wingen als Zentrum. In Wingen arbeiten und leben die Menschen bei und von Lalique - noch ein bisschen mehr, seit im vergangenen August das Château Hochberg als zweites Hotel im Dorf eröffnet hat. Der Schweizer Unternehmer Silvio Denz, ein begeisterter Sammler von Lalique-Objekten, hat es 2014 gekauft und ließ es zum Hotel mit Restaurant umbauen. Bereits 2008 hatte er die Kristallmanufaktur sowie die Villa Lalique erstanden.

Reisekarten

SZ-Grafik

Château Hochberg war nie im Besitz der Familie Lalique, ist aber dennoch mit der Glas-Tradition verbunden. Ursprünglich trug es den Namen des Besitzers Eduard Teutsch, der es zwischen 1863 und 1866 im Stil des Second Empire erbauen ließ. Hohe Fenster, schwarzes Schmiedeeisen und Bänder aus rosa Sandstein auf der weißen Fassade zeugen noch heute von der Epoche. Nun beherbergt der denkmalgeschützte Bau 15 Zimmer und Suiten sowie ein Restaurant. Das Interieur stammt vom Designer-Duo Christine und Nicola Borella. Sie beschränkten sich auf klare, minimalistische Formen und ein Farbspektrum zwischen Weiß, Beige und Grau - und setzen sich damit ab vom bunten, ornamentalen Stil der Laliques. In den drei Speisesälen des Restaurants lässt sich besichtigen, wie aktuelle Kristallkunst aussehen kann. Der Künstler Damien Hirst schuf eine Serie von Schmetterlingsreliefs, deren Herstellung er im Lalique-Werk selbst überwacht hat. An den Wänden hängen die drei Motive "Hope", "Love" und "Beauty" in zehn Farben, eingefasst von schlichten Silberrahmen.

Florale Dekors auch in den Zimmern und Suiten: Dahlia, Ombelle (Blütendolde) und Venise, drei Lalique-Klassiker, finden sich eingraviert in Spiegeln, in Glasplatten, als Badarmaturen. Hier präsentiert sich der Werkstoff Kristall ästhetisch, aber zum Anfassen und kein bisschen museal. Grobmotoriker müssen nicht verkrampfen: Die Gefahr, etwas zu zerbrechen, ist hier nicht größer als in anderen Hotels.

Die Küche des Château Hochberg profitiert davon, zum Reich des mit Zwei-Sterne-Kochs Jean-Georges Klein zu gehören. Klein und sein Chef Exécutif Jérôme Schilling sind verantwortlich für beide Restaurants, jenes der Villa Lalique und des Château Hochberg. Während dort aber die französische Haute Cuisine zelebriert wird, setzen sie im Château auf Bistro-Chic: Eine ambitionierte Küche mit regionalen Produkten, kreativ, aber weniger pompös: Der Gast kann auch nur einen oder zwei Gänge wählen ohne dass das Personal die Stirn in Falten legt. Überaus wohlschmeckend sind etwa die Amuse-Gueules: moderne Flammkuchen-Versionen, belegt mit Sprossen, feinem Gemüse oder Käse.

Reiseinformationen

Anreise: Mit dem Zug von Deutschland nach Straßburg Hauptbahnhof, von dort weiter mit der Regionalbahn in einer guten Stunde Fahrzeit nach Wingen-sur-Moder. Mit dem Auto von Straßburg sind es knapp 60 Kilometer auf der A4 nach Wingen-sur-Moder.

Unterkunft: Das Château Hochberg ist Montag und Dienstag geschlossen. Die Kategorie "Chambres des Verriers" kostet unter der Woche für zwei Personen 140, am Wochenende 160 Euro pro Nacht im Doppelzimmer. Die "Suites Lalique" kosten an Wochentagen 290, am Wochenende 320 Euro pro Nacht für zwei Erwachsene und ein Kind, www.chateauhochberg.com

Musée Lalique: von Dienstag bis Sonntag geöffnet, Eintritt 6 Euro, www.musee-lalique.com

Erwähnenswert ist auch die Handschrift des Sommeliers Romain Iltis: Er bietet 80 Weine im Offenausschank an und schlägt auf der Speisekarte zu jedem Gericht den passenden Wein vor. Die legere und zugleich anspruchsvolle Gastlichkeit zielt auch auf die Einheimischen ab. Das ist wichtig, um das entlegene Hotel gut auszulasten. Einziges Manko: Das Haus hat kein Spa. Schade, wenn man überlegt, wie gut Kristallobjekte solche Räume inszenieren könnten. Immerhin: In den Bädern des Château Hochberg glänzen sie schon.

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