Fragen rund ums Fliegen II:Dürfen Piloten im Cockpit schlafen?

Knapper Treibstoff, müdes Personal und sinnlose Regeln: Piloten verraten Geheimnisse über das Fliegen - und geben wertvolle Tipps.

Katja Schnitzler

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Umgebautes Flugzeug dient als Luxushotel nahe Apeldoorn

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Was passiert wirklich hinter der Cockpit-Tür? Warum müssen die Passagiere bei Start und Landung die Kopfhörer abnehmen und die Rollos hochschieben? Und muss man wirklich Angst vor Turbulenzen haben? Die Fragen zum Fliegen, Teil 2. (Hier finden Sie Teil 1: Kann jeder ein Flugzeug landen?)

Dürfen Piloten im Cockpit schlafen?

Der Kapitän schnarcht, der Autopilot lenkt? Dieses Bild wird sich zum Glück wohl in keinem Cockpit bieten. Dass ein Autopilot allein das Flugzeug fliegen kann, ist sowieso ein Märchen: Während das Gerät einen Teil der manuellen Arbeit abnimmt, prüfen die Piloten Instrumente und Wetter, achten auf den Funkverkehr und reagieren auf Unvorhergesehenes. Doch wenn der Kapitän aus Erschöpfung kurz vor dem Einnicken ist, darf der müde Flieger zwar nicht schlummern, aber immerhin tiefenentspannen: Er schließt also für wenige Minuten die Augen, um sich danach wieder besser konzentrieren zu können. "Das ist sicherer, als wenn er versucht, die Augen mit Gewalt offen zu halten - muss aber eine Ausnahme bleiben", erklärt Pilot und Sprecher der Vereinigung Cockpit, Jörg Handwerg. Eine Voraussetzung gibt es: Der zweite Pilot muss hellwach sein.

Sicherheitsmaßnahmen nach Terrorwarnung

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Sagen Piloten den Passagieren alles - oder beschönigen sie brenzlige Situationen?

Der Kapitän sagt, 'Das Triebwerk läuft nicht rund', und am Flügel qualmt es bereits? Kaum vorstellbar. "Natürlich sollte man nicht unnötig Ängste schüren, aber auch nichts beschönigen - sonst leidet die Glaubwürdigkeit", rät der Sprecher der Vereinigung Cockpit. Allerdings sollten Piloten beachten, dass viele Menschen überzogene oder falsche Vorstellungen davon haben, wie gefährlich eine Situation wirklich ist. Gut zu wissen ist auf jeden Fall, dass "grundsätzlich etwa die Hälfte der Triebwerke ausfallen können und das Flugzeug dennoch weiterfliegt".

Die schlimmsten Runways der Welt, Joao Carlos/pilotoutlook

Quelle: Funchal auf Madeira. Joao Carlos/pilotoutlook

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Welche Landung ist für Piloten nur schwer zu bewältigen?

Es gibt Wetterphänomene, die das Landen zum Kunststück machen, etwa Bodennebel oder starke Winde - doch diese Situationen trainieren Piloten regelmäßig. Und es gibt Flughäfen, auf denen die Landung schwierig, sehr schwierig oder kaum zu schaffen ist. "Auf einigen Airports können nur speziell ausgebildete Piloten landen", erklärt Alexandra Bakir, Sprecherin der zweitgrößten deutschen Fluggesellschaft Air Berlin. Dazu gehört etwa der Flughafen auf der Insel Madeira, der direkt an einem Steilküstenhang liegt.

Southwest Posts First Loss In 17 Years, Due To Fuel-Hedging Write Down

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Wie lange reicht der Treibstoff?

Tankt ein Flugzeug mehr Treibstoff, verbraucht es wegen des höheren Gewichts auch mehr: Diese Rechnung kalkulieren etliche Airlines so knapp wie möglich: "Vornehmlich kleine Airlines und Low Coster mit wenig finanziellem Spielraum haben teils rigorose Vorschriften, die den Piloten nicht erlauben, so viel Treibstoff zu tanken, wie sie es für richtig halten", berichtet Jörg Handwerg (VC). Andere Airlines würden zwar zu Sparsamkeit anhalten, die letzte Entscheidung aber den Piloten überlassen. Doch ist der Sprit ohne viel Spielraum berechnet, kann jedes Gewitter und jede Verspätung zur Folge haben, dass das Kerosin knapp wird und ein anderer Flughafen angesteuert werden muss.

TURKEY-ISTANBUL-BOSPHORUS-LIGHTINING-FEATURE

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Muss ich im Flugzeug Angst vor Blitzen haben?

Nein, meistens nicht. Es knallt laut, man sieht ein grelles Licht - und fällt nicht vom Himmel. Moderne Jets bilden einen Faradayschen Käfig, Metallnetze in der Außenhaut leiten den Blitz ab. Allerdings könnten Teile des elektronischen Systems ausfallen. Das kann besonders in der sensiblen Start- und Landephase gefährlich werden, da den Piloten weniger Zeit zum Reagieren bleibt. Daher werden Gewitter wenn möglich weiträumig umflogen. Sollte ein Teil des Bordsystems ausfallen, müssen die Passagiere nicht in Panik geraten, beruhigt Alexandra Bakir von Air Berlin: "Alle wichtigen Bordsysteme sind mindestens doppelt vorhanden." Bei ihrer Airline hätten Blitzschläge noch nie zu einem Systemausfall geführt.

Flugzeug

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Inzwischen müssen Passagiere nach deutschem Recht auch in der Luft angeschnallt bleiben, wenn sie sitzen. Was kann passieren, wenn sie den Gurt aus Bequemlichkeit ablegen?

Ein Flugzeug gleitet die meiste Zeit ruhig dahin, an Bord herrscht Enge, schlafen in halbwegs bequemer Position ist fast unmöglich. Wer jetzt entnervt den Gurt löst, reist gefährlich: "Ihnen kann die Decke auf den Kopf fallen", warnt Jörg Handwerg. Schließlich könnte das Flugzeug jederzeit in einer Luftverwirbelung nach unten sacken. Angeschnallte Passagiere werden mit nach unten gezogen, nicht angeschnallte werden Opfer eines physikalischen Gesetzes: der Trägheit der Masse. Ihr Körper bleibt an Ort und Stelle, so dass er an die herabstürzende Decke prallt, "dabei kam es schon zu Genickbrüchen und Todesfällen", berichtet Handwerg.

HLX im Aufwind

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Warum dürfen Flugbegleiter auf Reiseflughöhe umherlaufen, müssen aber angeschnallt sitzenbleiben, wenn das Flugzeug noch am Boden ist?

Wer sich wann im Flieger abschnallen darf, ist bei deutschen Fluglinien streng geregelt: Passagiere nur, wenn sie wirklich müssen. Stewardessen und Stewards sind weniger geschützt, bei unvorhergesehenen Turbulenzen haben sie das Nachsehen. Tatsächlich sind sie in erster Linie aus Sicherheitsgründen an Bord, haben aber mit der Versorgung der Passagiere alle Hände voll zu tun.

"Es wäre für die Gesundheit der Flugbegleiter sicherer, wenn auch sie während des Reisefluges permanent angeschnallt sitzen bleiben könnten", erklärt ein Sprecher der Unabhängigen Flugbegleiter Organisation (UFO). Fluggäste wären allerdings wenig erbaut, wenn sie auf einem Langstreckenflug weder Getränke noch Essen oder andere Serviceleistungen erhielten. Turbulenzen gehören also zum Berufsrisiko. Doch zumindest am Boden und bei Start und Landung müssen sich auch Flugbegleiter anschnallen, falls die Maschine abrupt bremsen muss. "Überhaupt sind das die unfallträchtigsten Phasen jedes Fluges", sagt der UFO-Sprecher.

Möglicher Sprengsatz vor Air-Berlin-Flug entdeckt

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Welche Art der Turbulenz ist besonders unangenehm?

Turbulenzen sind Luftverwirbelungen, ausgelöst durch das Wetter oder Hindernisse in der Luftströmung wie etwa andere Flugzeuge. Durch ihre unterschiedliche Beschaffenheit gibt es alle Arten von Turbulenzen mit unterschiedlicher Dauer und Stärke. "Besonders unangenehm ist die sogenannte CAT, die Clear Air Turbulence, da man diese nicht im Voraus erkennen kann", erklärt Jörg Handwerg. Auch die Wirbelschleppen anderer Flugzeuge, die bisweilen unsichtbar im Luftraum nachrotieren, hätten einen Effekt auf ein Flugzeug, als würde man am Boden mit dem Auto mit hoher Geschwindigkeit über eine Schwelle fahren.

Doch nur extreme Turbulenzen, wie sie in Gewittern vorkommen, könnten ein Flugzeug zum Absturz bringen. Turbulenzen hingegen, wie die meisten Gäste sie erlebt haben, sind "als leichtes Wackeln anzusehen", so Handwerg - und eher lästig. Daher versuchten Piloten, diese zu vermeiden: "Wir sagen immer, ein Flugzeug hält mehr aus als ein Gast."

Flugzeug Sitzreihen Billigflieger

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Wie steht es um die Hygiene im Flieger?

Gesund in den Flieger, krank wieder heraus - manchen Passagieren kommt das so vor, obwohl die Umluft gegen Bakterien und Viren gefiltert wird. Sitzt der Kranke direkt daneben, nützt der Filter natürlich nichts. Selbst wenn niemand am Nachbarplatz hustet, können sich Passagiere noch anstecken, besonders bei Billigfliegern - die Krankheitserreger kontaminieren etwa den Klapptisch oder den Verstellknopf für die Rückenlehne. Handwerg: "Bei den Premium Carriern werden diese Dinge geputzt, im Gegensatz zu den Billiganbietern, die dazu keine Zeit eingeplant haben, wenn das Flugzeug nur umdreht." Ein Desinfektionstuch kann da - ob in Bus, Bahn oder Flugzeug - die Freude an der Reise erheblich steigern.

Komfort für Passagiere Die besten Sitzplätze im Flugzeug

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Wann essen eigentlich die Piloten?

Im Beruf hastig das Essen nebenbei hinunterzuschlingen, gilt als ungesund. Für Piloten ist das Alltag, denn Pausen wie für ihre Kollegen am Boden sind nicht vorgesehen. "Entweder man schafft es, während des Fluges etwas zu essen, oder man muss dies am Boden parallel zu den Vorbereitungen auf den nächsten Flug tun", erläutert Jörg Handwerg. Auf Kurz- oder Mittelstreckenflügen bleibt allerdings selten genug Zeit zum Essen, sagt Alexandra Bakir von Air Berlin. Nur Langstreckenflieger können Durst und Hunger auf jeden Fall stillen - sie sagen einfach der Crew Bescheid.

Deutsches Mond-Programm wuerde 1,5 Milliarden Euro kosten

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Sind Piloten immer ausgeruht genug zum Fliegen?

Das sollten sie sein, sind es aber nicht immer - selbst wenn sie ausgeschlafen zum Dienst antreten. Denn die Europäische Union erlaubt, dass Piloten und Kabinencrew bis zu 14 Stunden am Stück arbeiten, bei Nachtflügen elf Stunden und 45 Minuten - viel zu lang seien diese Zeiten und würden zudem oftmals überschritten, kritisiert unter anderem die European Cockpit Association (ECA), die mehr als 38.500 Piloten aus 38 Ländern vertritt: Die Erschöpfung der Crew könne Leben kosten, beinahe 20 Prozent aller schwerwiegenden Flugzeugunfälle seien darauf zurückzuführen, so die ECA.

Es könnte noch schlimmer werden, fürchtet Jörg Handwerg von der deutschen Vereinigung Cockpit: "2012 treten die neuen Regelungen, die EASA Rules, in Kraft, die aufgrund des extremen Lobbyismus der Luftfahrtgesellschaften noch schlechter und somit unsicherer ausfallen könnten. Bei dieser Diskussion versucht die Industrie massiv ihre wirtschaftlichen Interesen nach mehr 'Flexibilität' durchzusetzen." Dies würde eine noch höhere Belastung der Menschen auf Kosten der Sicherheit bedeuten.

Stewardess Flugzeug

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Warum müssen Passagiere bei Start und Landung ihre Laptops verstauen, die Rollos hochschieben und auch noch die Kopfhörer abnehmen?

Der Landeanflug kann sich je nach Wetterlage oder Verkehrsaufkommen am Zielflughafen hinziehen. Da wäre es schön, noch ein wenig länger seinen Laptop nutzen, die Kopfhörer auflassen und die Rollos für ein Nickerchen schließen zu können. Stattdessen heißt es verstauen, abnehmen, hochschieben. Nicht dass die Piloten elektronische Störsignale aus dem Laptop fürchten. Vielmehr müssen alle losen Gegenstände verstaut werden, damit sie im Falle eines Absackens, Aufpralles oder beim starkem Bremsen nicht mit dem Vielfachen ihres Gewichtes durch die Kabine fliegen.

Auch das Abnehmen der Kopfhörer soll nicht den Spaß verderben: Vielmehr müssen die Passagiere im Notfall die Anweisungen des Kabinenpersonals überhaupt hören können. Und geschlossene Rollos machen bei einem Ausfall der Beleuchtung nicht nur noch dunkler, sie behindern auch die Sicht des Personals nach draußen - und das muss im Ernstfall so schnell wie möglich entscheiden können, welche Flugzeugseite für einen Notausstieg sicherer ist.

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Weshalb sollten selbst Strandurlauber nicht mit Flipflops fliegen?

Ein Platz in der Economy-Class ist unbequem genug, also sollten sich Passagiere die Lage so erträglich wie möglich machen. Dazu gehört bei längeren Flügen auch, sich der Schuhe zu entledigen - natürlich nur, wenn keine unangenehmen Gerüche die Mitpassagiere belästigen. Bei einer Reise in der Sommerhitze ist man versucht, schon in Strandschlappen oder leichten Sandalen ins Flugzeug zu steigen. Wer sicher reisen will, sollte aber bei Start und Landung besser festes Schuhwerk tragen. Muss das Flugzeug evakuiert werden, sollte jeder trittsicher sein und nicht nach dem Verlust von Flipflop & Co barfuß auf dem heißen Asphalt stehen.

Mutter Kind Flugzeug Fenster

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Muss ich für mein Kind einen Sitz mit an Bord nehmen?

Vor nicht allzu langer Zeit noch durften Kinder im Auto herumturnen, gemütlich auf der Rückbank schlafen und auch vorne auf dem Beifahrersitz Platz nehmen. Heute müssen Kinder bis zwölf Jahre oder unter 150 Zentimetern Körpergröße mit einem eigenen Sitz geschützt werden - anschnallen müssen sich alle, auch die Erwachsenen. Denn inzwischen sind auch Crashtest-Dummys in Kindergröße ungebremst durch etliche Windschutzscheiben und auf die Menschen vor ihnen geprallt - ein überzeugendes Argument für die Anschnall- und Sitzpflicht. Doch im Flugzeug ist alles anders.

Zwar verwandelt sich auch hier ein Kleinkind unter zwei Jahren bei einem Aufprall, starkem Abbremsen oder Turbulenzen in ein unhaltbares Geschoss. Doch um das zu verhindern, ist in Europa seit 2008 nicht ein Kindersitz, sondern ein sogenannter Schlaufengurt vorgeschrieben - der zuvor in Deutschland verboten war. Schließlich schützt er Erwachsene vor herumfliegenden Kindern, doch für die Kleinen selbst besteht Lebensgefahr. Der Gurt verläuft direkt über dem Bauch, so dass Quetschungen innere Verletzungen verursachen können. Eine Notlandung könnte zudem tödlich enden, wenn der erwachsene Begleiter mit dem Kind auf dem Schoss nach vorne geschleudert würde.

Wer also sicher mit seinem Kleinkind reisen will, muss einen zusätzlichen Sitz buchen, auf dem er einen für Flugzeuge zugelassenen Autositz festschnallt. Der Platz kostet je nach Fluglinie bis zu zwei Drittel des Vollpreises - "und die Unternehmen wehren sich deswegen gegen die Einführung der Kindersitze, da sie den Platz lieber an einen Erwachsenen verkaufen. Man nimmt lieber wissentlich die Lebensgefahr für Kinder in Kauf", kritisiert Jörg Handwerg von der Vereinigung Cockpit.

Sonnenuntergang am Düsseldorfer Flughafen

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Ist Pilot noch ein Traumberuf?

"Hier kommt die Wahrheit über das Pilotendasein: Du hast nicht so viel Freizeit wie die Nachbarn denken, du verdienst nicht so viel Geld wie die Verwandten glauben und du hast nicht so viele Geliebte wie deine Frau meint. Trotzdem kann ich einfach nicht fassen, dass ich für das hier bezahlt werde." So wird ein US-Pilot in einer Umfrage des Reader's Digest zitiert - offenbar gilt das auch für deutsche Piloten. Denn trotz zeitlicher und finanzieller Zwänge, der schlechten Vereinbarkeit von Familie und Beruf und der Last der Verantwortung sind Piloten "Überzeugungstäter", wie Jörg Handwerg von der Vereinigung Cockpit betont: "Entgegen vieler anderer Berufe findet man im Cockpit kaum jemanden, der diesen Beruf nicht liebt." Eine durchaus beruhigende Aussage für alle Passagiere an Bord.

© sueddeutsche.de/Reader`s Digest/kaeb/dd/boen
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