Fragen & Antworten: Überfüllte Züge:Pflicht zum Aussteigen

Im Reiseverkehr an Ostern mussten Züge teilweise geräumt werden, sie waren viel zu voll - wie es dazu kommen kann und welche Rechte Bahnfahrer haben.

Von München nach Hannover auf dem Gang? In vielen ICE drängeln sich mehr Gäste, als es Plätze gibt. Vereinzelt mussten Züge schon geräumt werden: So mussten am Ostermontag 60 Passagiere in Halle einen überfüllten ICE verlassen. Doch eine Reservierungspflicht als Lösung will auch niemand.

Besonders Wochenendpendler kennen das Reisen in vollen Zügen: Freitagabends und am Sonntagnachmittag im ICE Frankfurt-Berlin oder Hamburg-Köln fahren viele im Stehen oder richten sich notgedrungen auf dem Fußboden ein. Dabei lassen sich Sitzplätze reservieren, meistens jedenfalls. Zur Pflicht machen will die Bahn dies aber nicht, auch wenn über Ostern zwei völlig überfüllte Züge gestoppt werden und zahlreiche Fahrgäste notgedrungen aussteigen mussten.

Die Auslastung zu steuern, ist für den bundeseigenen Transportriesen nicht einfach. Die wichtigsten Fragen und Antworten ...

Wie kommt es, dass Züge so voll sind?

Der Kundenandrang ist nicht konstant, sondern schwankt auch bei Fernzügen stark, die täglich 340.000 Fahrgäste befördern. Früh am Morgen strömen Hunderttausende Pendler zur Arbeit, über Feiertage rollen Reisewellen durch die Republik. Dagegen sind zum Beispiel am Samstagnachmittag viele Züge leer. Für die Planer kommt es darauf an, die Flotte so auszulegen, dass sie in Spitzenzeiten nicht völlig überlastet ist, aber auch nicht viel zu groß für die übrigen Zeiten. Exakt zu berechnen ist das nicht. Denn anders als beim Fliegen, wo nur der an Bord kommt, der auch ein Ticket für eine bestimmte Maschine hat, gilt am Bahnhof im Prinzip für alle Züge: Einfach einsteigen, bitte!

Ab wann gilt ein Zug als überfüllt?

Während es im Flugzeug keine Stehplätze gibt, können Züge auch fahren, wenn die Sitze allein nicht ausreichen. Doch es gibt auch Grenzen, wie ein Bahnsprecher erläutert. Aus Sicherheitsgründen dürfen die Züge nicht zu mehr als 200 Prozent besetzt sein. Das wären bei einem ICE mit etwa 750 Sitzplätzen maximal 1500 Fahrgäste. Die Zugbegleiter müssen es im Auge haben, wenn das Limit überschritten wird. "Das passiert äußerst selten", versichert der Sprecher. Über Ostern mit traditionell starker Nachfrage seien bei mehr als 5000 Fernzugfahrten nur ein ICE und ein Intercity betroffen gewesen. Mit Durchsagen oder in direkter Ansprache werden Reisende dann gebeten auszusteigen, dafür gibt es einen 25-Euro-Gutschein.

Wer darf sitzenbleiben?

Bahnkunden mit einer Reservierung können in der Regel auch in stark überfüllten Zügen weiterfahren. Letztlich entscheidet der Zugbegleiter, wer aussteigen muss - meist Reisende ohne gebuchten Sitzplatz. Doch auch Schwangere oder ältere Menschen könnten ohne Reservierung bleiben, so ein Unternehmenssprecher.

Was passiert, wenn nicht genug Leute freiwillig aussteigen?

Meist ist dies der Fall - falls nicht, darf die Bundespolizei den Zug zum Teil räumen. Auch wer unfreiwillig den Zug verlassen muss, erhält den Reisegutschein in Höhe von 25 Euro und kann die Fahrt mit einem anderen Zug fortsetzen. Nutzer einer Regionalbahn können aber nicht immer ohne weiteres in einen Fernzug wechseln: "Das muss man im Einzelfall entscheiden", sagt der Bahnsprecher.

Reservieren als Pflicht?

Wie kann die Bahn überfüllte Züge vermeiden?

Um die Auslastung gleichmäßiger zu verteilen, locken die Planer mit Schnäppchen-Angeboten zu weniger gefragten Zeiten. Dafür müssen sich Fahrgäste wie beim Fliegen auf eine Verbindung festlegen. Doch die Wirkung ist begrenzt, da Reisende mit 50-Prozent-Bahncard ganz flexibel für die Hälfte fahren. "Wo starke Nachfrage absehbar ist, sollten Entlastungszüge eingesetzt werden", sagt der Vorsitzende des Fahrgastverbands Pro Bahn, Karl-Peter Naumann. Allerdings habe die Bahn wegen Technikproblemen vorerst kaum Reserven.

Wie teuer ist der Sitzplatz?

Manche Reisende gehen auf Nummer sicher und steigen gar nicht erst ohne Reservierung ein. Damit sind auch gezielt Plätze am Fenster oder mit verstärktem Handyempfang buchbar. Doch das kostet am Automaten 2,50 Euro und am Schalter 4,50 Euro je Strecke, die nicht jeder ausgeben möchte.

Warum sind Reservierungen nicht vorgeschrieben?

Mit einer Reservierungspflicht wie bei Fernzügen in Frankreich ließe sich Überfüllung vermeiden. Doch davon halten die deutschen Bahner wenig: "Wir wollen ein offenes System behalten, jeder kann kommen und Zug fahren, wann er will", sagt Personenverkehrsvorstand Ulrich Homburg. Vorgeschrieben sind Reservierungen für 11,50 Euro allein bei ICE-Sprintern, die ohne Halt etwa von Berlin nach Frankfurt rauschen. Die Möglichkeit zur Spontanreise ist auch den Kunden wichtig, wie Pro-Bahn-Chef Naumann sagt. Reservierungen wären aufwendig, gerade für kürzere Strecken. Züge nicht mehr zu fast 100 Prozent reservierbar zu machen, sondern einen Puffer freier Plätze zurückzuhalten, sei auch keine Lösung, heißt es bei der Bahn. Dann würde ja beim Buchen angezeigt, dass der Zug ausverkauft sei.

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