Flugtarife:Economy-Flüge: Nichts mehr inklusive

Flugzeuge am Himmel

Ob "Light" oder "Basic" - Tarife bieten immer weniger Inklusiv-Leistungen.

(Foto: Ina Fassbender/dpa)

Leistungen wie Freigepäck, Platzwahl und Getränke kosten nun auch bei traditionellen Fluggesellschaften in immer mehr Tarifen extra - und Passagiere beginnen ein Katz-und-Maus-Spiel mit den Airlines, um doch noch zu sparen.

Von David Denk

Fein raus war schon immer, wer, den Travel-light-Gedanken auf die Spitze treibend, ganz ohne Gepäck unterwegs war. So wie Abe Pheil, der schon froh sein konnte, dass er selbst überhaupt an Bord sein durfte beim ersten kommerziellen Flug der Luftfahrtgeschichte. Es war der 1. Januar 1914, neben dem Piloten war nur Platz für einen Passagier - und auch wirklich nur für den. Lediglich 23 Minuten dauerte der Flug innerhalb Floridas, von Saint Petersburg nach Tampa, auf dem Landweg damals eine Tagesreise - und wer braucht schon Gepäck, wenn er abends wieder im eigenen Bett schlafen kann?

Stolze 400 US-Dollar hatte Pheil bei einer Wohltätigkeitsauktion für sein Ticket bezahlt - ein Betrag, für den man heute von Deutschland nach New York und wieder zurückfliegen kann. Ein Stück Handgepäck ist dabei für jeden inklusive, beim Aufgabegepäck ist die Frage längst nicht mehr so pauschal zu beantworten: Immer mehr Fluglinien streichen das Freigepäck im günstigsten Tarif auch auf der Langstrecke, insbesondere bei Reisen nach Nordamerika, was umso perfider ist, weil viele dort nicht zuletzt zum Shoppen hinfliegen und sich daher spätestens auf dem Rückweg gezwungen sehen, ein Gepäckstück hinzuzubuchen. Seit dem 10. April greift dieser neue Economy-Light-Tarif bei der Airline-Allianz Sky Team (Air France, KLM, Delta) auf Strecken in die USA und nach Kanada, auch Oneworld (British Airways, Iberia, Finnair, American) verkauft auf Transatlantik- und Asienflügen mittlerweile Basic-Tickets.

Economy-Passagiere können schon froh sein, dass sie selbst überhaupt mitfliegen dürfen

Ob Light oder Basic - beides steht für ein entkerntes Flugerlebnis, weit weg vom Komfort vergangener Tage. Überspitzt formuliert sind Economy-Passagiere heute Abe Pheils Erben, die froh sein können, dass sie selbst überhaupt mitfliegen dürfen. Wer als kostenbewusster Reisender Gepäck aufgeben, sich den Sitzplatz aussuchen oder die Freiheit haben möchte, den Flug gegen Gebühr umzubuchen, zahlt künftig oft drauf, weil die neuen Einstiegspreise nicht unbedingt niedriger angesetzt sind als die bisherigen, sondern nur weniger Inklusivleistungen enthalten.

Haben traditionelle Fluggesellschaften sich lange als Antithese zur neuen Low-Cost-Konkurrenz begriffen und vermarktet, bewegen sich diese beiden Pole längst aufeinander zu. Frank Fichert, Professor und Luftverkehrsexperte an der Hochschule Worms, beobachtet ein "generelles Bild der Angleichung der Geschäftsmodelle"; die Angebote der Billigkonkurrenz würden in diesem Bereich "kopiert".

Fichert weist jedoch darauf hin, dass es mit Business und First Class "auch in Zukunft Marktsegmente geben" werde, "die nur von den klassischen Netzwerkgesellschaften bedient werden". Wer viel Geld für sein Ticket ausgibt, braucht sich nicht umzustellen. Alle anderen sollten künftig noch stärker aufs Kleingedruckte achten; dass nicht nur der Preis stimmt, sondern auch die darin enthaltenen Leistungen. Es ist das Ende einer der letzten verbliebenen, auf Kurz- und Mittelstrecken bereits erodierten Gewissheiten: Wer Linie fliegt, darf auch ohne Aufpreis Gepäck aufgeben.

Seit dem 16. Oktober 2017 bietet auch die Lufthansa auf Flügen von Skandinavien in die USA über ihre Website "das Economy-Tarifprodukt 'Light'" an; das sei "noch günstiger als der niedrigste Normaltarif". Zu einer möglichen Ausweitung auf Flüge ab Deutschland heißt es auf Anfrage aus der Pressestelle von Europas größtem Luftfahrtunternehmen: "Derzeit stellt die Lufthansa Group lediglich Überlegungen an, den genannten Tarif ohne Gepäck flächendeckend auch auf der Langstrecke einzuführen. Hierzu gibt es aber noch keine Entscheidung über die genaue Umsetzung und über Details dieses Tarifs."

Und was sagt Lufthansa dazu?

Bittet man die Lufthansa um eine Begründung für die Abkehr von freiem Aufgabegepäck in jeder Tarifstufe, argumentiert die Airline mit den Bedürfnissen der Kunden, auf die man durch die passgenaue Auswahl von Komponenten eingehe. Beim Bundesverband der Deutschen Luftverkehrswirtschaft (BDL) spricht man von "à la carte pricing" und frohlockt: "Dadurch, dass bestimmte Leistungen zunehmend optional werden, kann der Kunde Kosten sparen."

Das ist allerdings bestenfalls die halbe Wahrheit: Felix Methmann, Reiseexperte beim Verbraucherzentrale Bundesverband, begrüßt die zunehmenden Wahlmöglichkeiten, widerspricht jedoch der Darstellung von einer Ersparnis für den Kunden. "Dass das Gepäck aus dem Preis rausgenommen wird, heißt nicht, dass der Preis sinkt" - im Gegenteil. Der Verbraucherschützer spricht von einer "kaum versteckten Preiserhöhung" und wählt die Analogie eines "Chipsherstellers, der angesichts steigender Kosten nur noch 180 und nicht mehr 200 Gramm in die Tüte füllt, um den Preis halten zu können".

Methmann spricht von "Augenwischerei": dass ein Nutzen für den Kunden behauptet wird, wo doch eigentlich Profitstreben Motor der Entscheidung ist. "Gerade auf der Langstrecke müssen doch so gut wie alle Passagiere Gepäck mitnehmen", sagt er. Vom neuen Tarif profitieren also vor allem die Anbieter. Im Premium-Segment sieht Methmann Lufthansa & Co. zumindest auf den billigen Plätzen nicht mehr. Für diesen Anspruch stünden "nur noch Fluggesellschaften aus Asien oder dem Nahen Osten, die auch in der Economy Class weiterhin einen guten Service anbieten".

"Demnächst muss man noch zahlen, um aufs Klo gehen zu dürfen"

Bei der Lufthansa hingegen, die damit wirbt, die "einzige europäische Fünf-Sterne-Airline" zu sein, beharrt man darauf, seinen Passagieren ein Premiumprodukt anzubieten, "am Boden (von der Buchung bis zum Einstieg ins Flugzeug) und an Bord", heißt es. "Dabei investiert das Unternehmen weiterhin dreistellige Millionenbeträge in Innovation, Digitalisierung und Personalisierung des Angebots." Das mag stimmen; ganz hinten in der Holzklasse kommt davon allerdings am wenigsten an. "Demnächst muss man noch zahlen, um aufs Klo gehen zu dürfen", sagt Verbraucherschützer Methmann und meint das nur ein bisschen ironisch.

Im Preiskampf haben sich Fluggesellschaften schon viel ausgedacht, um mehr zu verdienen: Die unter anderem von Ryanair-Chef Michael O'Leary ins Gespräch gebrachten Stehplätze blieben zwar ein Gedankenspiel - zumindest fürs Erste -, angesichts des stetig reduzierten Reisekomforts wäre deren Einführung aber nur konsequent. Je nach Airline, Buchungsklasse und Flugziel können - neben dem Aufgabegepäck - auch Sitzplatzreservierung, (alkoholische) Getränke, Mahlzeiten und der Zugriff auf das (komplette) In-Flight-Entertainment-System mittlerweile extra kosten. Sicher ist beim Fliegen eigentlich nur noch, dass nichts mehr sicher ist - außer der Fortbewegungsart an sich.

Dem Kunden bleibt als Gegenwehr eigentlich nur Abgebrühtheit, um nicht zu sagen: Dreistigkeit. Auf Billigflügen ist zu beobachten, wie Passagiere teilweise ihren halben Hausstand mit in die Kabine zu nehmen versuchen - in der Hoffnung, am Gate nicht zusätzlich zur Kasse gebeten zu werden; für die zulässigen Handgepäckmaße optimierte Gepäckstücke sind Verkaufsrenner. Das Katz-und-Maus-Spiel zwischen Airline und Kunde wird sich durch die neuen Bestimmungen auch auf der Langstrecke wohl weiter verschärfen.

Ryanair hat Trolleys und Rucksäcke seit dem 1. November 2017 weitgehend in den Frachtraum verbannt, als Reaktion auf Verspätungen und notorisch überfüllte Gepäckfächer über den Köpfen der Passagiere. Das größere der zwei erlaubten Handgepäckstücke muss standardmäßig am Gate abgegeben werden; beide mit an Bord nehmen darf nur, wer einen Aufpreis zahlt. Halten wir fest: Durch am Flugpreis gemessen teure Aufgabegebühren hat Ryanair ein Problem geschaffen, welches das Unternehmen nun durch neue Regeln zu entschärfen versucht. Das ist schon Ironie für Fortgeschrittene. Und man hat nicht direkt den Eindruck, als wäre das der Konkurrenz eine Lehre.

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