Flugreisen:So kommen Fluggäste zu ihrem Recht

Sicherste Verkehrsmittel Flugzeug

Schlichtungsstellen übernehmen für Reisende seit November die Verhandlungen mit Fluggesellschaften. Dies gilt allerdings nicht für Pauschalreisen.

(Foto: Reuters)

Der Flug ist verspätet oder hebt gar nicht ab, aber die Airline weigert sich, eine Entschädigung zu zahlen. Auf diese drei Arten können Passagiere dennoch einen Ausgleich erzielen - doch nur ein Weg ist garantiert kostenlos.

Ein Pilot war krank, eine Entschädigung für die Verspätung gibt es nicht. Das bekamen sowohl Erwin Gierl als auch Roger Wildner von der Luft­hansa zu hören, nachdem ihre Flüge jeweils rund sechs Stunden verspätet am Ziel ankamen. Beide gaben sich damit nicht zufrieden. Sie forderten einen Ausgleich nach der EU-Flug­gast­rechte­ver­ordnung. Am Ende hatten sie Erfolg.

Erwin Gierl und seine Frau bekamen zusammen 500 Euro für ihren Flug von Nizza nach München. Roger Wildner und seine Part­nerin erhielten für ihren Rück­flug von Indien nach Deutsch­land 1 200 Euro. An ihr Geld kamen die Paare auf unterschiedlichen Wegen. Die Gierls nutzten den Inkasso­dienst Fairplane und mussten ihm 135 Euro für seine Arbeit bezahlen, als der Erfolg fest­stand. Die Firma hatte die Entschädigung durch­gesetzt und das Kostenrisiko über­nommen. Roger Wildner kam mit einem Anwalt zum Erfolg. Die Kosten musste die Luft­hansa tragen.

Der Weg über die Flug­gast­helfer

Seit dem 1. November 2013 können verärgerte Flug­gäste auch eine Schlichtungs­stelle zur außerge­richt­lichen Beilegung des Streits mit der Air­line einschalten. Finanztest beleuchtet die Vor- und Nachteile der drei Wege zum Geld. Die neue Möglich­keit der Schlichtung ist für Flug­gäste besonders attraktiv: Sie ist kostenlos und eröffnet die Chance auf eine Entschädigung ohne Abzüge. Wildner und Gierl konnten sie noch nicht nutzen. Ihre Flüge fanden 2012 statt. Die Schlichter kümmern sich nur um Neufälle seit November 2013.

An die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (Söp) in Berlin können sich alle wenden, die mit Air Berlin, Luft­hansa, Germania, Germanwings, Condor oder Tuifly geflogen sind. Auch viele ausländische Fluggesell­schaften wie etwa Ryanair und Easyjet sind ange­schlossen. Ist die Söp nicht zuständig, kann die Schlichtungsstelle beim Bundesjustizamt helfen. Beide Stellen kümmern sich aber derzeit nicht um Beschwerden von Geschäfts­reisenden.

Schlichtung auch bei Gepäck­ärger

Bevor ein Schlichter tätig wird, muss der Flug­gast versucht haben, seine Ansprüche direkt bei der Air­line geltend zu machen. Erst nach zwei Monaten ohne Erfolg sind die Schlichter dran. Beschwerdeformulare finden sich auf den Internet­seiten der Schlichtungs­stellen. Die Schlichter kümmern sich nicht nur um Entschädigungen für verspätete oder gestrichene Flüge. Sie sind auch zuständig, wenn Gepäck verloren­gegangen ist oder die Fluggesell­schaft eine notwendige Taxi­fahrt oder Hotel­über­nachtung nicht bezahlt. Die privaten Inkasso­dienste EUclaim, Fairplane, Flight­right und Refund.me verfolgen solche Ansprüche für den Flug­gast dagegen nur in Einzel­fällen.

Ein Schlichter­spruch ist sowohl für den Flug­gast als auch für die Air­line unver­bindlich. Akzeptiert die Fluggesell­schaft eine für den Passagier güns­tige Schlichtungs­empfehlung nicht, muss er seinen Anspruch auf anderem Weg weiterverfolgen. In der Regel wird er dann die Hilfe eines Rechts­anwalts oder eines der privaten Inkasso­dienste benötigen. Für Erwin Gierl und seine Frau war der Inkasso­dienst Fairplane die richtige Adresse. Sechs Monate, nachdem sie ihren Fall dort einge­reicht hatten, zahlte die Luft­hansa die anfangs verweigerten 500 Euro. Davon gingen 135 Euro an Fairplane und die übrigen 365 Euro an das Paar Gierl.

Viel Arbeit hatten die beiden Bayern nicht. Sie mussten lediglich ihre Flug­daten auf der Internetseite von Fairplane eingeben, die Flugti­ckets an das Unternehmen schi­cken und dem Anwalt von Fairplane eine Voll­macht erteilen.

Im Erfolgs­fall gibt es eine Provision

Die Unternehmen betreiben das Inkasso für den Flug­gast notfalls mit Rechts­anwalt und Klage. Zahlt die Fluggesell­schaft schließ­lich, erhält die Firma eine Erfolgs­provision, je nach Anbieter bis zu 30 Prozent (siehe Tabelle). Kann der Anbieter für den Passagier nichts erreichen, hat dieser keine Kosten. Anwalt und Gericht bezahlt der Inkasso­dienst. Die Dienste sind auch eine Alternative für alle Flug­gäste, die sich scheuen, ihre Ansprüche gegen­über der Fluggesell­schaft zunächst einmal selbst zu formulieren. Selbst für Kunden mit Rechts­schutz­versicherung sind sie interes­sant. Denn wer die Versicherung einschaltet und verliert, muss oft eine Selbst­beteiligung von 150 Euro zahlen.

Roger Wildner und seine Part­nerin Brigitte Willimek waren allerdings nicht zufrieden mit ihrem Dienst­leister. Vier Monate, nachdem das Paar seinen Fall der Firma Flight­right zur Prüfung übergeben hatte, meldete diese sich mit einer negativen Entscheidung. Die Chance, vor Gericht eine Ausgleichs­zahlung durch­zusetzen, sei in Wildners Fall als äußerst schlecht einzustufen, heißt es in der Absage. Roger Wildner ließ sich dennoch nicht entmutigen. Er ging zum Anwalt.

Dieser forderte die Luft­hansa schriftlich auf, 1 200 Euro zu zahlen, und hatte neun Tage später die Zusage. Bei Flight­right hätten Wildner und seine Part­nerin von den 1 200 Euro rund 360 Euro Erfolgs­provision abgeben müssen. Nun bleibt ihnen die Summe ohne Abzüge, denn die Kosten für den Anwalt muss die Fluggesell­schaft über­nehmen.

Nicht für jeden die richtige Adresse

Wildners Erfahrung zeigt, dass die Dienste nicht für jeden die richtige Adresse sind. Eine Absage von dort bedeutet nicht zwangs­läufig, dass der Flug­gast keinen Anspruch auf eine Entschädigung hat. Flight­right-Geschäfts­führer Philipp Kadelbach hält die ablehnende Antwort an Roger Wildner für einen Einzel­fall.

Inzwischen hat die Firma aus Potsdam ein "Qualitäts­versprechen" einge­führt. Jeder, der mit Flight­right keinen Erfolg hat, aber anschließend mit einem Anwalt, einer Schlichtungs­stelle oder einem anderen Inkasso­dienst zum Ziel kommt, soll von Flight­right nach­träglich 50 Euro erhalten.

Dienste sehen Schlichtung kritisch

Den Start der Schlichtungs­stellen sehen die gewinn­orientierten Inkasso­dienste kritisch. Sie befürchten, dass die Flug­gäste über die Schlichtung nur einen Bruch­teil der Entschädigung erreichen, die ihnen zusteht. Einen Versuch sind die Schlichter aber auf jeden Fall wert. Denn recht­lich riskieren die Kunden nichts. Während des Schlichtungs­verfahrens können die Rechte der Flug­gäste nicht verjähren. Und wenn ihnen das Ergebnis nicht gefällt, können sie immer noch andere Wege gehen.

So arbeiten die privaten Inkasso­dienste

Ein Prozess mithilfe eines Anwalts ist immer mit einem Risiko verbunden. Klagt ein Flugpassagier auf Zahlung von 600 Euro und verliert er, hat er rund 770 Euro für den eigenen Anwalt, das Gericht und die Gegen­seite zu zahlen. Eine Alternative zur Klage auf eigenes Risiko sind die privaten Unternehmen EUclaim, Fairplane, Flight­right und Refund.me. Sie verdienen ihr Geld als Inkasso­dienst für Flug­gäste.

Die Dienste streiten für den Passagier mit der Fluggesell­schaft und tragen die Kosten, wenn eine Klage scheitert. Im Gegen­zug bekommen sie bei Erfolg bis zu 30 Prozent Provision. Die Flug­gast­helfer über­nehmen ausschließ­lich erfolg­versprechende Fälle. Sie picken sich die Rosinen heraus. Manchmal sind die Dienste sogar zu vorsichtig und lehnen Passagiere ab, die gute Chancen auf eine Entschädigung haben - so wie Flight­right im Fall von Roger Wildner.

Tückische Klauseln

Manchmal zeigt sich eine Fluggesell­schaft nach dem Auftreten eines Inkasso­dienstes kompromiss­bereit und bietet einen Teil der Entschädigung oder einen Flug­gutschein statt einer Entschädigung in bar an (Vergleich). Ob der Passagier ein solches Vergleichs­angebot annimmt, entscheidet er - nicht der Dienst. Aber: Die Geschäfts­bedingungen von Fairplane erlauben es dem Dienst, zum Beispiel von der Fluggesell­schaft angebotene Flug­gutscheine abzu­lehnen, ohne vorher die Einwilligung des Passagiers einge­holt zu haben.

Flight­right konnte bislang die Über­nahme weiterer Kostenrisiken verweigern, wenn der Dienst die Annahme eines Vergleichs­angebots für "wünschens­wert" hielt, der Flug­gast aber nicht. Nach einer Finanztest-Anfrage strich Flight­right diese Klausel aus den Bedingungen. Nach den aktuellen Flight­right-Konditionen darf der Dienst dem Flug­gast bei Vergleichen aber zusätzlich zur Provision Anwalts- und Gerichts­kosten in Rechnung stellen, wenn diese nicht die Air­line zahlt. Laut Philipp Kadelbach, Geschäfts­führer von Flight­right, kommt das selten vor.

Teure Kompromisse

EUclaim behält sich bei Kompromissen mit der Fluggesell­schaft vor, die Provision auf Basis der zu Anfang geforderten Summe zu berechnen. Beispiel: Akzeptiert der Kunde ein Angebot von 400 Euro statt der geforderten 600 Euro, zahlt er als Provision 27 Prozent von 600 Euro, also 162 Euro - plus der immer fälligen 25 Euro. Jan Rameken von EUclaim bestätigt, dass die Vertrags­bedingungen das zulassen. "Tatsäch­lich rechnen wir aber immer nur auf Basis der wirk­lich gezahlten Summen ab."

Passagiere beauftragen die Inkassofirma, Geld einzutreiben. Wenn der Fall dem Anwalt des Dienstes übergeben wird, hat der Flug­gast aber mit diesem direkt einen Vertrag. Geht ein Dienst während eines Prozesses pleite, könnte der Passagier zum Beispiel auf den Anwalts­kosten der Air­line sitzenbleiben, wenn er verliert.

Informationen

Recht: War Ihr Flug mehr als drei Stunden verspätet oder wurde er annulliert, können Ihnen je nach Strecke zwischen 250 und 600 Euro Entschädigung zustehen. Voraus­setzung: Der Start­flughafen oder ein Sitz der Air­line müssen in der EU liegen.

Frist: Sie haben ab Ende des Jahres, in dem der Flug lag, drei Jahre Zeit, um Ihren Anspruch geltend zu machen. Bis Ende 2014 können Sie also noch die Entschädigung für Flüge aus dem Jahr 2011 verlangen.

Beschwerde: Wenden Sie sich erst an die Air­line, dabei hilft ein Formular aus dem Internet (www.goo.gl/Fyhxw6). Blockt diese ab, können Sie sich mit Flügen ab November 2013 an einen Schlichter wenden (siehe Adressen). Ist die Schlichtungs­stelle für den öffent­lichen Personen­verkehr (Söp) nicht zuständig, leitet sie Ihre Beschwerde an die Schlichter beim Bundes­justiz­amt weiter. Verläuft die Schlichtung erfolg­los, kann Ihnen ein Anwalt oder ein Inkasso­dienst helfen.

Hilfe: Wollen Sie gar nichts selbst schreiben, können Sie direkt zum Inkasso­dienst oder Anwalt gehen.

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