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EU-Kommission macht Rückzieher:Flüssigkeitsverbot doch nicht gelockert

Bislang dürfen Flüssigkeiten nur in 100-Milliliter-Flaschen an Bord gebracht werden. Das sollte sich nun ändern - doch die Flughäfen sind noch nicht soweit.

Eigentlich sollten am 29. April die strengen Regeln für Flüssigkeiten im Handgepäck gelockert werden, wenn auch nur für einen Teil der Passagiere, nämlich für Transit-Reisende. Doch auch diese Erleichterung wurde wieder kassiert: Die EU-Kommission macht einen Rückzieher.

Verkehrskommissar Sim Kallas verlangte einen Aufschub für die neuen Regeln, die Transitpassagieren ab diesem Wochenende das Mitführen von Flüssigkeiten von mehr als 100 Millilitern aus Duty-Free-Shops erlaubt hätte. Der Grund: Die meisten Mitgliedsstaaten wollten aus Sicherheitsbedenken bei der Lockerung nicht mitmachen.

Deswegen wäre die Verwirrung für die Passagiere größer gewesen als die Erleichterungen, begründete Kallas seinen Schritt. Er zog damit die Notbremse, nachdem sich in den vergangenen Tagen Chaos angekündigt hatte. Denn bis zum Freitag haben nur Deutschland, Dänemark, Finnland und Schweden an ihren Flughäfen neue Geräte installiert, um die Flüssigkeiten zu scannen.

Die EU-Behörde empfiehlt den Staaten daher, die geplante Lockerung auf unbestimmte Zeit zu verschieben. Die letzte Entscheidung treffen die Mitgliedsstaaten - alle seien einverstanden. Auch in Deutschland bleibt es vorerst beim Status Quo.

Ohne einheitliche Anwendung der neuen Regeln wäre es für Passagiere kaum nachvollziehbar gewesen, bei welchen Flügen ihre oft teuren Kosmetika oder Flaschen mit Alkohol konfisziert worden wären oder nicht. Bis wann die Kommission nun die einheitliche Regellockerung erreichen will, blieb am Freitag zunächst offen.

Der geplante Schritt ist der erste, um die 2006 aus Sorge vor Terroranschlägen eingeführten Restriktionen abzubauen. Bis 2013, so das von der EU beschlossene Vorhaben, sollen diese auch für innereuropäische Flüge fallen.

Der Flughafenverband ADV (Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen) begrüßte die Entscheidung der EU-Kommission, kritisiert aber den Zeitpunkt:"Die Empfehlung der EU-Kommission zur Aussetzung der Regelung kommt viel zu spät. Deutschland hat sich als einer von wenigen Staaten an die rechtliche Verpflichtung der EU-Kommission gehalten, hat viel Zeit und Geld investiert und bleibt nun darauf sitzen. Jetzt werden die EU-Mitgliedstaaten bestraft, die sich an die Regeln gehalten haben", beklagte Hauptgeschäftsführer Ralph Beisel.

Erst in zwei Jahren soll nach dem Willen der EU-Kommission das Flüssigkeitsverbot gänzlich fallen. Hintergrund der Regelung ist der Umstand, dass die Sprengstoff-Detektoren lange Zeit nicht auf differenzierte Untersuchungen von Flüssigkeiten ausgelegt waren.

Diese Sicherheitslücke versuchten sich Terroristen 2006 im Londoner Flughafen zunutze zu machen, als sie Flüssigsprengstoff zu schmuggeln versuchten, weil sie mehrere Flugzeuge gleichzeitig explodieren lassen wollten - glücklicherweise erfolglos. Daraufhin wurden die verschärften Regeln eingeführt.

Eine Aufhebung soll nur möglich sein, wenn gefährliche Flüssigkeiten durch entsprechende Geräte erkannt werden. Zugleich gab aber die EU den Zeitplan vor: Erste Stufe 2011, zweite Stufe und völlige Aufhebung 2013. Die Geräte sind noch nicht alle reif für den harten Dauereinsatz am Flughafen.

Sie müssen nicht nur zuverlässig Sprengstoff von harmlosen Flüssigkeiten unterscheiden. Ein Prototyp, ansonsten gut bewertet, schwächelte beispielsweise bei Schokocreme. Der süße braune Brotaufstrich unterscheidet sich nach Angaben von Fachleuten bei der Analyse nur ganz geringfügig von einer bestimmten Sprengstoffsorte.

Es geht auch um Randbedingungen. Ein Gerät, das gefährliche und harmlose Flüssigkeiten unterscheidet, wenn der Kontrolleur sie in Form einer Probe einfüllt, ist das eine. Ein Apparat, der die Gefährlichkeit durch das geschlossene Handgepäckstück und die geschlossene Flasche so sicher und schnell erkennen kann, dass die Analyse (im harmlosen Fall) beendet ist, wenn der Passagier durch den Körperscanner nebenan gegangen ist, ist das andere. Die Maschine muss zudem in der üblichen Flughafen-Umgebung aufgestellt werden können und leicht genug für den Transport an die Kontrollstellen und die Aufstellung sein.

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