Süddeutsche Zeitung

Drohnen-Alarm in London-Gatwick:Ein Flughafen im Ausnahmezustand

  • Wegen Drohnen über dem Rollfeld ist der Flugverkehr auf dem Airport London-Gatwick eingestellt.
  • Wann er wieder aufgenommen werden kann, ist unklar.
  • Mindestens hunderttausend Passagiere sind betroffen: Gatwick ist der siebtgrößte europäische Flughafen.

Von Cathrin Kahlweit, London

Unter Reisenden, die von London-Gatwick aus in die Weihnachtsfeiertage fliegen wollen, macht sich derzeit Panik breit. Der zweitgrößte Flughafen des Landes, eine halbe Stunde südlich der Hauptstadt gelegen, ist seit Mittwochabend, neun Uhr Ortszeit, im Ausnahmezustand. Und es ist bislang nicht klar, wann dieser Ausnahmezustand enden wird.

Weil eine, zeitweilig sogar zwei Drohnen stundenlang über dem Sicherheitszaun und einer Landebahn gesichtet wurden, entschlossen sich die Behörden aus Sicherheitsgründen, den Flugverkehr einzustellen. Mehr als 800 Flüge wurden bislang gestrichen. Im schlimmsten Fall, so meldeten einige Medien, könne der Flughafen "tagelang" geschlossen bleiben. Der Flughafenleitung zufolge müssen sich Passagiere darauf einstellen, dass es in jedem Fall am Freitag bei der Schließung bleibt. Denn die Drohnen, die mit startenden und landenden Flugzeugen kollidieren könnten, wurden immer wieder über dem Flugfeld gesichtet.

Der Billigflieger Ryanair lässt wegen der Schließung Gatwicks seine Jets am Freitag auf einen anderen Londoner Airport ausweichen. Das gab Ryanair am Donnerstagabend bekannt. Die Flüge starten und landen vorerst in Stansted nordöstlich von der britischen Hauptstadt.

Alle Flüge der anderen Londoner Flughäfen sind ausverkauft

Eine Drohne sei "aufgetaucht und verschwunden, aufgetaucht und verschwunden", sagte Flughafenchef Chris Woodroofe dem Sender Sky News. "Während ich hier stehe und wir sprechen, ist wieder eine Drohne über meinem Flugfeld." Er forderte Passagiere auf, in den kommenden Tagen nur anzureisen, nachdem sie sich informiert hätten, ob ihr Flug stattfinde.

Wer umbuchen wollte, um Weihnachten zu Hause zu sein, wurde schwer enttäuscht: Praktisch alle Flüge von allen Londoner Flughäfen sind ausverkauft; auf den Webseiten der Fluglinien erschien der rot unterlegte Hinweis: "Flights to and from London Gatwick airport suspended due to drone activity" - alle Flüge von und nach Gatwick seien wegen Drohnenaktivitäten abgesagt.

Mittlerweile sind Polizei und Politik involviert, sogar das Militär wurde alarmiert. Einen terroristischen Akt halten die Ermittler für unwahrscheinlich. Polizeieinheiten durchkämmten die Region auf der Suche nach den Personen, die die Drohnen einsetzen. Die Armee schickte Spezialisten, die helfen sollen, den Funkkontakt zur Basisstation zu stören, oder Kontrolle über die Drohnen zu übernehmen und sie zu landen. Das Verkehrsministerium sieht sich wachsender Kritik ausgesetzt, weil es "zu langsam auf die Bedrohung reagiert" habe. Man arbeite mit der Industrie zusammen, um Drohnen künftig besser abfangen zu können, hieß es aus dem Ministerium.

Aktuell hilft das den Passagieren wenig. Hunderttausend waren am ersten Tag des Stillstands in Gatwick betroffen, und es werden stündlich mehr. Ankommende Flüge wurden innerhalb Englands, aber auch auf den Kontinent umgeleitet, Passagiere landeten in Birmingham, Amsterdam oder Bordeaux und waren dann auf sich gestellt. Diejenigen, die von Gatwick abfliegen wollten, saßen bis zu sechs Stunden auf dem Rollfeld in ihren Fliegern fest, ohne jede Information. Tausende weitere schliefen in der Nacht auf dem Fußboden.

Riskante Sicherheitslage

Sollten die Drohnenpiloten weiterhin nicht gefunden werden, droht sich das Chaos in das passagierreichste Wochenende des Jahres hinein fortzusetzen. Der Flughafen hätte kurz vor Weihnachten ohnehin mit Problemen zu kämpfen gehabt, weil der Zug zum Airport wegen Gleisarbeiten nicht fährt. Die Stilllegung durch die Drohnen sah da fast wie Ironie des Schicksal aus, aber die aktuelle Lage ist mehr als eine Unbill, sie ist für viele eine Katastrophe.

Und sie zeigt, wie riskant die Sicherheitslage auf Flughäfen mittlerweile ist. Die Zahl der Drohnen, die den Flugverkehr gefährden, ist rasant angestiegen, auch in Deutschland. Allein in diesem Jahr, so die Deutsche Flugsicherung (DFS), seien hierzulande 152 Behinderungen durch Fluggeräte gemeldet worden.

In Gatwick hat die Polizei bisher aus Sorge vor Querschlägern darauf verzichtet, die Fluggeräte abzuschießen. Mittlerweile sollen nach Medienangaben aber Scharfschützen am Flughafen angekommen sein. Erst im Juni war ein Gesetz erlassen worden, das es verbietet, Drohnen innerhalb eines Radius von einem Kilometer rund um Flughäfen einzusetzen. Den Drohnen-Piloten in Gatwick drohen nun bis zu fünf Jahre Haft.

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Quelle:
SZ vom 21.12.2018/edi
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