Flugchaos in Spanien:Fluglotsen kapitulieren

Chaos auf Spaniens Flughäfen: Weil die Lotsen spontan in einen Ausstand traten, sitzen Zehntausende Reisende fest, die Armee regelt den Flugverkehr. Die Drohungen von Regierungschef Zapatero zeigen nun jedoch Wirkung.

Die spanische Regierung hat aufgrund eines wilden Streiks der Fluglotsen den sogenannten "Alarmzustand" ausgerufen. Wie Innenminister Alfredo Pérez Rubalcaba mitteilte, werden die Lotsen damit dem Militärrecht unterstellt. Wenn sie der Anordnung zur Wiederaufnahme der Arbeit nicht Folge leisten, können die Lotsen wegen Befehlsverweigerung in Schnellverfahren nach militärischem Recht zu langjährigen Haftstrafen verurteilt werden.

Der Alarmzustand steht von den Auswirkungen her eine Stufe unterhalb des Ausnahmezustands und war seit der Wiedereinführung der Demokratie in Spanien vor 35 Jahren noch nie verhängt worden.

Mit diesen Konsequenzen hatte Ministerpräsident José Luis Rodríguez Zapatero den Lotsen schon in der Nacht gedroht. Die Drohungen zeigen Wirkung: Nach einem knappen Tag Streik haben die Fluglotsen in Spanien damit begonnen, wieder an ihre Arbeitsplätze zurückzukehren. Mittlerweile haben zwei Drittel ihre Arbeit wieder aufgenommen.

Verkehrsminister José Blanco rechnete am Samstagnachmittag mit einer Normalisierung des Flugbetriebs in den kommenden 24 bis 48 Stunden. Der Luftraum ist mittlerweile wieder geöffnet worden.

Zapatero hatte das Kabinett am Samstagmorgen zu einer Krisensitzung einberufen. Zuvor hatte das Militär die Kontrolle über den Luftraum des Landes übernommen. Wegen des Ausstandes mussten am Freitagabend acht Flughäfen schließen, darunter die Airports in den Urlaubszielen Ibiza und Palma de Mallorca. Mindestens 330.000 Reisende saßen fest.

Der Streik hatte den Luftverkehr in Spanien in der Nacht zum Samstag praktisch zum Erliegen gebracht, der Luftraum blieb wegen des wilden Streiks bis Samstagnachmittag geschlossen. Von den zum Dienst eingeteilten Fluglotsen war nur ein kleiner Teil in den Kontrolltürmen erschienen. Mehrere Lotsen weigerten sich zudem, die Arbeit aufzunehmen, weil sich "nicht wohl" fühlten.

Die Flughafenbehörde Aena betroffen rief Fluggäste dazu auf, sich erst dann zu den Flughäfen zu begeben, wenn die Normalität wiederhergestellt ist. Auch Tausende deutsche Urlauber sind von dem Streik betroffen. Das Touristik-Unternehmen Tui teilte mit, es betreue momentan mehr als 6000 deutsche Kunden, die auf ihren Heimflug warten. Mehr als 5000 Urlauber hätten für Samstag einen Flug von Deutschland nach Spanien geplant.

Zapatero hatte die Überwachung des Luftraums per Dekret der Armee übertragen. Das Militär begann daraufhin, das Kommando über die Kontrolltürme der Flughäfen in Madrid, Barcelona, Sevilla und den Kanarischen Inseln zu übernehmen. Damit sollten die zivilen Fluglotsen gezwungen werden, die Arbeit wieder aufzunehmen: Wer sich weigerte, könnte nach militärischem Recht wegen Aufruhrs angeklagt werden. Darauf stehen mehrjährigen Haftstrafen. Die Staatsanwaltschaft leitete Ermittlungen ein. Die Polizei nahm die Personalien von streikenden Lotsen auf, die sich in einem Madrider Hotel versammelt hatten.

Aufgebrachte Passagiere

Die Maßnahme zeigte Wirkung: In Barcelona, Palma de Mallorca und den Kanaren meldeten sich einige Fluglotsen zum Dienst, teilte die Flughafenbehörde mit. In Madrid konnte der Flugverkehr jedoch zunächst nicht wieder aufgenommen werden. Auf dem Flughafen von Mallorca protestierten Tausende von festsitzenden Reisenden gegen das Chaos.

In den Terminals fast aller Airports bildeten sich vor den Schaltern lange Schlangen wütender Passagiere. "Sie sollten alle Fluglotsen entlassen", schrie eine aufgebrachte Frau im Flughafen von Madrid. Die spanischen Airlines bezeichneten die Lage als kritisch. Die größte nationale Fluggesellschaft Iberia strich bis 11 Uhr am Samstag alle ihre Verbindungen. Nach Angaben von Aena hatten etwa 90 Prozent der Lotsen ohne vorherige Ankündigung ihre Arbeitsplätze verlassen. Viele gaben an, krank zu sein.

Die Fluglotsen hatten ihren Dienst ohne Streikankündigung beendet. Sie reagierten offenbar auf einen Beschluss der spanischen Regierung, die eine neue Regelung für die Dienstzeiten der Lotsen eingeführt hatte. Die spanischen Fluglotsen stehen seit Monaten mit dem Verkehrsministerium und der Flughafenbehörde in einem Tarifkonflikt.

Das Chaos wurde dadurch vergrößert, dass am Freitag Tausende von Spaniern in ein langes Wochenende aufbrechen wollten. Am kommenden Montag ist ein Nationalfeiertag in Spanien. Auch der Mittwoch ist für die meisten Spanier arbeitsfrei.

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