Süddeutsche Zeitung

Kolumne "Ende der Reise":Flugzeug ohne Fenster

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Neue Ideen sollen das Fliegen klimafreundlicher machen. Manche davon machen es aber menschenunfreundlicher.

Glosse von Hans Gasser

Fliegen hat schon etwas Schönes. Mit 800 Stundenkilometern über die Alpen, von oben den Mont Blanc oder das Matterhorn erkennen, weiter über die Provence, das modelleisenbahnhafte Nizza und das gebirgige Korsika, um, sagen wir, in Olbia auf Sardinien zu landen. Jedes Mal wieder ist es faszinierend, die Welt von oben zu sehen und das Ratespiel zu spielen, was denn da unten wohl gerade zu sehen ist.

Wie bitte? Klimawandel? CO₂-Schleuder Flugzeug? Unverantwortliches Verhalten? Ja: alles wahr, alles schlimm. Trotzdem ist es auch schön.

Bis es irgendwann wirklich klimaneutrale Flüge gibt, verblüffen uns die Fluggesellschaften mit Ideen (oder Marketing-Einfällen?), wie das CO₂ zu minimieren sei. Jüngst behauptete Austrian Airlines, man könne Fluggäste mit 100 Prozent SAFs (also Flugbenzin aus nicht fossilen Rohstoffen) herumfliegen. Dabei sind technisch maximal 80 Prozent möglich, wenn überhaupt werden nur wenige Prozent SAF dem richtigen Kerosin beigemengt.

Die britische Fluglinie Easyjet verkündete 2019, sie wolle alle Flüge von sich aus kompensieren, das heißt, das entstandene CO₂ durch Klimaschutzprojekte wie Wald-Aufforsten wieder einsparen. Dann kam Corona, mit kaum Flugzeugen in der Luft. Und jetzt, am Ende dieses Jahres, so eine aktuelle Mitteilung, wolle man mit dem Kompensieren aufhören, um, ja, richtig, das Ziel der Klimaneutralität schneller zu erreichen. Und zwar durch alternative Treibstoffe und sparsame Flugzeuge.

In diese Richtung denkt man auch beim großen Player Emirates. Dessen Chef Tim Clark sei auf der Suche nach einem Nachfolger des eingestellten Großflugzeugs A380, berichtet die Zeitschrift Aerotelegraph. Der Rumpf aus ultraleichtem Verbundwerkstoff, die Triebwerke 25 Prozent sparsamer, so stellt er sich das vor. Und, ein nicht unwesentliches Detail seiner Ausführungen: Auf Fenster könne man künftig verzichten, sie verursachten nur zusätzliches Gewicht, man könne die Fenster ja durch leichte Bildschirme ersetzen.

So traurig es ist: Wahrscheinlich hat der Mann recht. Die meisten Passagiere glotzen eh den ganzen Flug über auf Bildschirme. Und wenn sich dadurch auch noch das Klima retten lässt - weil dann all die Flug-Genießer gleich mit dem Zug fahren werden, um noch aus dem Fenster schauen zu können: umso besser!

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