Fidschi:Die Internet-Insulaner

Auf der Fidschi-Insel Vorovoro gibt es einen neuen Stamm, dessen Angehörige nicht oft auf dem Eiland sind. Mitglied kann eigentlich jeder werden.

Meike Strüber

Ben Keene, Häuptling und Mitbegründer eines Internet-Stammes, bietet den mehr als 1000 Mitgliedern seiner Online-Gemeinde "Tribe Wanted" ("Stamm gesucht") seit einem Jahr auch die Möglichkeit, sich jenseits des Cyberspace auf einer real existierenden Südseeinsel zu begegnen: Auf der Fidschi-Insel Vorovoro.

Der Brite machte das Eiland per Google ausfindig und pachtete es für drei Jahre von den einheimischen Besitzern. Für jährlich 265 Euro kann jeder dem Stamm beitreten und im Leben auf der Insel mitmischen: Wahlweise per Online-Abstimmung aus der Heimat oder direkt am Ort, wo Mitglieder aus aller Welt ein bis drei Wochen Ferien machen dürfen, mit Einheimischen leben und beim Aufbau eines nachhaltigen Urlaubsdorfes mithelfen können.

SZ: Wir befinden uns im 21. Jahrhundert. Wozu haben Sie einen Stamm gegründet?

Keene: Als Stamm kopieren wir nicht etwa die Rituale indigener Stämme. Die Online-Gemeinde wählt zwar jeden Monat einen Häuptling. Es geht aber vielmehr darum, zu einer Gemeinschaft zu gehören, die einen Zweck hat.

SZ: Erfüllt "Tribe Wanted" einen anderen Zweck als ein gewöhnliches Touristen-Resort?

Keene: Ich denke, die Identifikation mit dem Stamm macht den Unterschied aus. Viele Besucher verfolgen das Projekt seit langem im Internet und es ist ihnen dadurch ans Herz gewachsen. Man kann hier zwar in seiner Hängematte am Strand liegen oder draußen am Riff schnorcheln. Aber genauso kann man von Fidschianern traditionelles Handwerk erlernen, im Garten arbeiten, Kochen helfen und Hütten bauen.

SZ: Wie sieht der typische Vorovoro-Besucher aus?

Keene: Es kommen sehr unterschiedliche Menschen, aber es gibt zwei dominante Typen. Der erste ist der Rucksackreisende, der eine berufliche Auszeit nimmt und am Strand liegen möchte. Er wählt Vorovoro, weil er hier außer Sonnenbaden auch ein interessantes Projekt, den Aufbau eines Inseldorfes durch einen virtuell gegründeten Stamm, kennenlernen kann. Der zweite Typ ist spannender: Er ist auf der Suche nach Zugehörigkeit und Verantwortung, möchte etwas über die fidschianische Lebenskultur lernen und sich innerhalb der Internetgemeinde darüber austauschen.

SZ: Medien aus aller Welt berichten über Sie, im Herbst wird die erste TV-Dokumentation ausgestrahlt. Verliert das Projekt dadurch seinen urprünglichen Charakter?

Die Internet-Insulaner

Keene: Nein, das sehe ich gelassen. Wir haben festgelegt, dass nur 30 Besucher gleichzeitig auf der Insel wohnen dürfen, darum kann sie nicht plötzlich von Menschenmassen überschwemmt werden. Die Medien sehe ich als Chance, um ein größeres Publikum zu gewinnen. Aus unternehmerischer Sicht ist das wichtig, denn wir brauchen mehr Besucher, damit wir mehr Geld zur Verfügung haben.

SZ: Was geschieht mit dem Geld, das die Mitglieder zahlen?

Keene: Ich selbst zahle mir kein Gehalt, wenn Sie das meinen. Die Pacht für die Insel beträgt 69 000 Euro, hinzu kommt der Lohn für die Angestellten, unsere Verpflegung und das Baumaterial für unsere Hütten. Obwohl wir wirklich hart arbeiten, werden wir in den ersten zwei Jahren sicher keinen Gewinn machen. Darum geht es mir auch gar nicht in erster Linie. Der Sinn besteht für mich eher darin, dieses Projekt nachhaltig zu gestalten.

SZ: Viele Mitglieder fliegen um die halbe Welt, um an diesem nachhaltigen Tourismus teilzunehmen. Ein Widerspruch?

Keene: Das stimmt schon. Aber die meisten Besucher sind keine typischen Öko-Touristen und interessieren sich erst seitdem sie hier sind für das Thema Nachhaltigkeit. Mir ging es genauso: Früher hatte ich außer Mülltrennung nicht viel mit Umweltschutz am Hut. Jetzt ist das anders. Ich sehe das Leben auf der Insel als Anreiz für viele Leute, die sich sonst nie mit ökologischen Themen befassen würden.

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