Fernreisen und Corona:Jenseits von Afrika

Kleine Fern-Reiseveranstalter kämpfen für einen Rettungsfonds und eine Aufhebung der Reisewarnung.

Von Hans Gasser

Während Reiseanbieter mit Schwerpunkt Mittelmeer und Europa nun wieder aufatmen und ihr Geschäft mit den Urlaubern machen können, sieht es für auf Afrika oder Südamerika spezialisierte Reiseveranstalter düster aus: Die generelle Reisewarnung des Auswärtigen Amtes für Länder außerhalb Europas soll bis Ende August bestehen bleiben. Für die Veranstalter bedeutet dies, dass sie Anzahlungen und Reisepreis für Reisen in diesem Zeitraum an die Kunden zurückzahlen müssen. Und das, obwohl sie selbst das ausgelegte Geld von den Fluglinien und den Leistungsträgern in den Ländern nicht zurückbekommen.

"Das wird vielen von uns das Genick brechen, wenn die Politik nicht vor der Sommerpause den so lange geforderten Kreditfonds für unsere Branche einrichtet", sagt Gabriele Rimböck. Sie ist Geschäftsführerin des von ihr vor fast 30 Jahren gegründeten Afrika-Veranstalters Jacana-Tours und setzt sich zusammen mit Kollegen seit Wochen dafür ein, dass aus der pauschalen Reisewarnung wieder differenzierte Reisehinweise werden. "Es ist doch absurd, dass man in Länder wie Spanien oder Großbritannien mit ihren hohen Infizierten- und Todeszahlen wieder reisen darf, nicht aber nach Kenia oder Namibia, die im Vergleich dazu äußerst geringe Corona-Fallzahlen aufweisen." Rimböck unterstützt deshalb einen Antrag auf einstweilige Verfügung, in der zwei Afrikaveranstalter (Akwaba Afrika und Elangeni African Adventures) beim Verwaltungsgericht Berlin die Aufhebung der Reisewarnung für Tansania, Seychellen, Mauritius und Namibia gefordert haben. Die Entscheidung soll in dieser Woche fallen.

Masai giraffe Giraffa tippelskirchi drinks from puddle near safari truck Serengeti National Park

"Die Serengeti darf nicht sterben", fordern deutsche Veranstalter, die die Auswirkungen der Reisewarnung kritisieren.

(Foto: Nick Dale/imago)

Während die Seychellen und Mauritius auch laut Robert-Koch-Institut nicht als Risikogebiet gelten, ist es strittig, ob etwa die äußerst geringen Fallzahlen in Tansania der Wirklichkeit entsprechen - zumal der dortige Präsident offensichtlich der Meinung ist, man könne das Virus in Kirchen und Moscheen einfach wegbeten. Tansanias Grenzen sind seit Anfang Juni für Touristen wieder geöffnet.

"Wir würden da ja nicht jetzt sofort Gäste hinschicken", sagt Rimböck, "denn wir tragen ja auch die Verantwortung und das finanzielle Risiko." Zudem würden Urlauber eine Afrikareise nicht so kurzfristig buchen: "Wenn es ab Oktober wieder los ginge, wäre das für uns in Ordnung."

Die Aufhebung der Reisewarnung sei dennoch entscheidend, denn dadurch erhielten Gäste ein positives Signal und die Veranstalter könnten sie leichter zum Umbuchen statt zum Stornieren überzeugen. Zudem sind in afrikanischen Ländern viele Menschen vom Tourismus abhängig. In einer im Fachmagazin Nature veröffentlichten Untersuchung, die ansonsten den bisherigen guten Umgang mit der Pandemie in den meisten afrikanischen Ländern konstatiert, werden die wirtschaftlichen Auswirkungen als so hoch bezeichnet, dass Afrika sie nicht alleine schultern könne. Soziale Projekte und Gesundheitsstationen würden oft von Lodges mitfinanziert, sagt Rimböck, viele Mitarbeiter hätten jetzt kein Einkommen, und Ranger würden aus Nationalparkgebühren bezahlt, die nun wegfallen, weshalb die Wilderei in vielen Schutzgebieten zunehme.

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Safaris bringen Geld für Einheimische und den Naturschutz. Zurzeit steht aber alles still.

(Foto: Nick Dale/imago)

Um die kleinen und mittleren deutschen Veranstalter zu retten, hat der Bundestagsabgeordnete Marcel Klinge (FDP) einen Antrag gestellt, der die Einrichtung eines Kreditfonds fordert. Vorerst soll dieser die Rückzahlungsverpflichtungen der Reiseveranstalter übernehmen - laut Deutschem Reiseverband (DRV) belaufen sie sich auf 4,7 Milliarden Euro. Im Lauf von zehn Jahren sollten die Veranstalter dann das Geld, mit einem Prozent verzinst, in den Fonds zurückzahlen. "Ansonsten wird im Sommer eine große Insolvenzwelle durch die Branche gehen", so Klinge. Dass durch das Verhalten von großen Konzernen wie Tui und Lufthansa der Ruf der Reisebranche gelitten habe, sieht Klinge auch. So wurde die Tui mit einem 1,8- Milliarden-Kredit unterstützt, bezahlte aber Hoteliers in Thailand nicht und entließ 8000 Mitarbeiter. Und die Lufthansa soll mit noch mehr Milliarden gerettet werden, zahlt den Veranstaltern aber immer noch nicht die Ticketpreise zurück, die diese bezahlt haben und nun eigentlich ihren Kunden erstatten müssten.

Klinges Antrag für den Kreditfonds, ohne den der DRV die deutsche Reisewirtschaft "vor dem Zusammenbruch" sieht, wurde zwar nach der ersten Beratung an den Ausschuss überwiesen, Klinge erkennt aber Signale, "dass unsere Initiative was in Bewegung gesetzt hat und sich die Koalition den Vorschlag aneignet". Es müsste aber sehr bald sein, sonst käme es für viele Reiseveranstalter zu spät und bei Insolvenz bekommen die Kunden erst recht kein Geld zurück.

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