Süddeutsche Zeitung

Fernbus-Reisen:Worauf Passagiere achten müssen

Mit Dumpingpreisen, Strecken, die die Bahn nicht anfährt, und W-Lan locken Fernbus-Anbieter - und es werden immer mehr. Nun starten auch ADAC und Post ihren Regelbetrieb. Die wichtigsten Fragen, Antworten und Preise im Überblick.

Von Carolin Gasteiger

Zu günstigen Preisen ans Ziel kommen: Fernbus-Reisen von immer mehr Anbietern etablieren sich als Alternative zu Bahn und Flugzeug. Zuletzt starteten der ADAC und die Deutsche Post probeweise ihr deutschlandweites Streckennetz, von 1. November an geht der Regelbetrieb los. Was Sie als Passagier wissen sollten.

  • Auf welchen Strecken fahren Fernbusse?

Fernbusse dürfen erst auf Strecken ab 50 Kilometern fahren. Auf den kürzeren Trassen will der Gesetzgeber die Bahn als Regionalverkehrsmittel schützen, hier sind Fernbusse nicht erlaubt. Inzwischen sind die Verbindungen landesweit schon ziemlich vernetzt und fast alle großen Städte per Bus erreichbar.

  • Wer bietet Fernbus-Fahrten an?

Seit der Liberalisierung des Marktes nehmen immer mehr Busunternehmen auch Fernbus-Reisen ins Programm auf. Inzwischen sind es etwa 170 Anbieter. Eine Auswahl:

Eurolines: von Deutsche Touring, bietet mehr als 40 Verbindungen an.

FlixBus: wirbt mit 500 Verbindungen täglich.

DeinBus.de: funktionierte vor der Gesetzesänderung als eine Art Mitfahrzentrale, läuft nun aber auch im Linienbetrieb.

MeinFernbus.de: mit mehr als ein Drittel Marktanteil und 38 Linien Marktführer

Berlin Linien Bus: Ableger der Deutschen Bahn, Verbindungen von und nach Berlin.

ADAC Postbus: Kooperation vom ADAC und der Deutscher Post, Testphase im Oktober zwischen München und Köln, Regelbetrieb auf fünf Strecken zwischen 24 Städten von 1. November 2013 an. ADAC-Mitglieder erhalten einige Vorteile, wie kostenlose Platzreservierung, kostenlosen Transport eines zweiten Gepäckstücks und einen Rabatt von zwei Euro auf den Fahrpreis.

Die Pläne der Post sorgten in der Branche für Verärgerung. "Wenn die Politik Märkte liberalisiert und dann zusieht, wie ein ehemaliger Staatskonzern dick mitmischen will, wird der deutsche Mittelstand in die Röhre schauen", warnte Wolfgang Steinbrück, Präsident des Bundesverbandes Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) in der Frankfurter Rundschau. Auch der deutsche Ableger der französischen Veolia oder der britische Branchenriese National Express planen den Einstieg ins deutsche Fernbusgeschäft.

Auf dem Sammelportal busliniensuche.de können Reisende sich einen Überblick der bestehenden Verbindungen und unterschiedlichen Anbieter verschaffen.

Wie kann ich Tickets buchen?

Viele Anbieter haben ein Onlinebuchungssystem, beim Fahrer wird bar bezahlt. Auch vor Ort können PassagiereTickets kaufen, allerdings mit dem Risiko, dass eventuell schon alle Plätze im Bus belegt sind. Kartenzahlsysteme an Bord sind noch nicht im Einsatz. Auch Reisebüros verkaufen für einige Anbieter die Tickets.

  • Wie teuer sind die Fahrkarten?

Die Preise unterscheiden sich je nach Verbindung und Anbieter. Hier einige Beispiele:

München-Berlin, einfache Fahrt am 2. Dezember, vormittags:

MeinFernbus.de: 22 Euro, 7,5 h

Deutsche Bahn: 139 Euro regulär, mit Spartarif 69 Euro, 6 h

Flug, z. B. mit Air Berlin: 79,92 Euro, 1 h 15 Minuten

Frankfurt-Leipzig, einfache Fahrt am 2. Dezember, vormittags:

MeinFernbus.de: 15 Euro, 5 h

Deutsche Bahn: 77 Euro, mit Spartarif 45 Euro, 4 h

Flug, z. B. mit Lufhansa: 96,57 Euro, 1 h

Hamburg-Berlin, einfache Fahrt am 2. Dezember, vormittags:

ADAC Postbus: 19 Euro, 3 h 10 Min.

Deutsche Bahn: 76 Euro, mit Spartarif 45 Euro, 1 h 43 Min.

Flug, z. B. mit Lufthansa, aber Umsteigen in Frankfurt: 102 Euro, 3 h 25 Minuten

Eine Sprecherin von FlixBus sagte Süddeutsche.de, das Unternehmen wolle kein Ticket anbieten, das teurer als 41 Euro sei. Zum Auftakt der Fernfahrten sollte es sogar Tickets zum Preis von einem Euro geben. Frank Zehle, Chef der Deutschen Touring, die mit Eurolines schon internationale Fernbus-Fahrten anbietet, ist sich bewusst, dass die Fernbusse weder bei den Reisezeiten mithalten können noch ein allzu großes Netz an Haltepunkten haben. "Unser Trumpf ist der günstigere Fahrpreis", sagte er der Welt. Auf Dauer können die Preise vermutlich nicht so niedrig bleiben. Einer Studie der TU Dresden zufolge müssten Busfahrten je nach Auslastung 60 bis 70 Prozent des Bahnpreises kosten, um profitabel zu sein, zitiert der Spiegel aus der Studie.

  • Können die Tickets storniert oder umgebucht werden?

Das ist bei allen Anbietern möglich, allerdings variieren Gebühren und Zeitraum, in dem eine Stornierung beziehungsweise Umbuchung möglich ist. Reisende sollten sich daher im Vorfeld über die Kaufbedingungen informieren.

  • An wen richtet sich das Angebot von Fernbus-Fahrten?

Vor allem Personen mit viel Zeit und weniger Geld dürften von der Alternative zur Bahn profitieren. Also zum Beispiel Studenten, Rentner und Reisende, denen es nichts ausmacht, von München nach Berlin statt sechs Stunden im Zug acht Stunden im Fernbus unterwegs zu sein - ohne Stau. Daher sind die Fernbus-Fahrten eher eine umweltfreundliche Alternative zu Mitfahrzentralen.

  • Was muss ich an Bord beachten?

Mit einem reservierten Sitz dürfen Sie nicht rechnen, die Plätze werden frei gewählt. Anschnallen ist in Fernbussen mittlerweile Pflicht, Haustiere sind nicht erlaubt. Die meisten Anbieter stellen Snacks, Kaffee und Getränke auf der Fahrt bereit. Toiletten gibt es im Bus. Manche Firmen werben mit kostenlosem W-Lan oder ungewöhnlich viel Beinfreiheit, allerdings ohne genaue Maße zu nennen. Unterschiede gibt es außerdem beim Preisnachlass für Schwerbehinderte. Von 2016 an sollen alle Busse barrierefrei sein.

  • Wie viel Gepäck darf ich mitnehmen?

Mit dem Gepäck ist es ähnlich wie im Flugzeug. Ein Handgepäckstück und ein zusätzliches Gepäckstück sind in der Regel kostenfrei, für alle weiteren Taschen und Koffer muss man zahlen. Einige Unternehmen bieten auch die Mitnahme von Sperrgepäck wie Ski oder Surfbrett und Fahrräder gegen Aufpreis an.

  • Welche Rechte haben Passagiere bei Verspätung?

Auf Reisen, die länger als drei Stunden dauern, die Verspätung jedoch mehr als 90 Minuten beträgt, muss der Betreiber für Verpflegung während der Wartezeit sorgen und eventuell maximal zwei Nächte im Hotel übernehmen. Das gilt auch, wenn die Fahrt annulliert und der Fahrgast auf eine spätere Verbindung umgebucht wird. Bei einer Verspätung von mehr als zwei Stunden kann der Reisende den Ticketpreis zurückverlangen oder den Anspruch geltend machen, dass das Unternehmen ihn möglichst schnell und unter den gleichen Bedingungen auf anderem Weg ans Ziel bringen muss.

Bei unüberbrückbaren Streitigkeiten können sich Reisende künftig auch an die Schlichtungsstelle für den öffentlichen Personenverkehr (SÖP) wenden. Vorraussetzung für eine Schlichtung sei allerdings, dass Verbraucher zunächst versuchen, sich direkt mit dem Busanbieter zu einigen.

  • Machen die Fernbusse der Bahn ernsthaft Konkurrenz?

Das Hauptklientel der Bahn dürfte sich wohl kaum umorientieren. Spannend könnte es allerdings für die bisherigen Nutzer von Bahn-Sparangeboten werden. Die Preise von FlixBus sollen sogar ausdrücklich unter dem günstigsten Bahn-Angebot liegen, erklärte eine Sprecherin zum Start der Fernbus-Reisen. Noch wirkt die Deutsche Bahn gelassen und will das bestehende Fernbusliniengeschäft nicht ausweiten. Das erwartete Marktvolumen und die damit erzielbaren Margen seien zu gering, so ein Sprecher der Bahn zu Süddeutsche.de. Und was, wenn die Fernbusse doch zur ernsthaften Konkurrenz werden? "Wir beobachten die weiteren Entwicklungen des Fernbusmarktes sehr genau und werden gegebenenfalls entsprechend reagieren."

  • Seit wann fahren Fernbusse in Deutschland?

Vor der Marktöffnung durften Fernbusse Städte innerhalb Deutschlands nur anfahren, wenn es auf derselben Strecke keine adäquate Zugverbindung gab. Mit einer Ausnahme: Von und nach Berlin fuhren auch schon vor 2013 Fernbusse. Das liegt daran, dass der westliche Teil der Stadt während der innerdeutschen Teilung stets erreichbar sein sollte. Marktführer ist hier mit 39 Linien Berlin Linien Bus, ein Tochterunternehmen der Deutschen Bahn. Das Unternehmen DeinBus.de hatte die strikten Gesetzesvorgaben umschifft, indem es Fahrten mit Fernbussen als eine Art Mitfahrzentrale organisierte. Sprich, die Fahrt ging erst los, wenn sich für eine Strecke genug Mitfahrer fanden. Nun hat das Unternehmen den Linienbetrieb aufgenommen.

  • Wo ist der Haken?

Ein bundesweites Streckennetz für Fernbusse befindet sich erst im Aufbau, das heißt manche Fahrten sind sehr umständlich, wenn es noch keine direkten Verbindungen gibt. Wer mit MeinFernbus.de von Freiburg nach Berlin reist, muss nicht nur mehr als zehn Stunden bloße Fahrtzeit (mit der Bahn dauert es sechs bis sieben Stunden), sondern auch zusätzliche Stopps in Karlsruhe, Heilbronn, Würzburg und Suhl in Kauf nehmen. In den kommenden Monaten wird es nach und nach noch mehr Haltestellen geben, da neue Anbieter auf den Markt kommen und die bestehenden ihr Angebot ausbauen wollen.

Noch sind die Busbahnhöfe in den meisten Städten wenig komfortabel. Den höchsten Ansprüchen auch nach einem barrierefreien Zutritt für Behinderte genügen nach Angaben des BDO nur die Stationen in Hamburg und Mannheim. Auch Berlin und München erhalten noch recht gute Noten von den Fernbusbetreibern, in Hannover ist gerade ein großer Umbau im Gange. Besonders unzufrieden sind die Fahrgäste dem BDO zufolge in Dortmund, Köln, Saarbrücken, Ulm, Bielefeld oder Frankfurt. Viele der Haltestellen liegen auch nicht im Stadtzentrum. "Wenn Bund und Länder die Liberalisierung ernst nehmen, müssten sie dringend in den Aufbau der Busstationen investieren", fordert Deutsche-Touring-Chef Zehle in der Wirtschaftswoche.

Mit Material der Agenturen

Hinweis der Redaktion vom 14. November 2013: Die genannten Preisbeispiele wurden Ende Oktober erhoben und beziehen sich lediglich auf diesen Zeitpunkt. Einige Angebote können sich inzwischen geändert haben (Bsp. Hamburg - Berlin mit der Bahn für Sparpreis 29 Euro).

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