Ferien auf dem Bauernhof:Per Mausklick in den Schweinestall

Urlaub auf dem Bauernhof ist zu einer gewinnträchtigen Marke geworden - aber nicht jeder bietet, womit er wirbt.

Von Hans Gasser

Der Wirt in Tirol möchte halt so gern auch dazu gehören. Er hat ja alles: einen aktiven landwirtschaftlichen Betrieb mit Milchkühen, Pferden, Hühnern und ausreichend Land drumherum, Streichelzoo sowieso.

Kuh; ddp

So nah kommen Stadtkinder normalerweise nicht an Kühe heran.

(Foto: Foto: ddp)

Nur von einem hat er zuviel: Betten. 160 zählt sein Hotel, das neben dem Hof steht. Deswegen versagt ihm der österreichische Verband "Urlaub auf dem Bauernhof" die Aufnahme. Der Wirt führe zwar eine tadellose Landwirtschaft, sagt Michael Embacher, Geschäftsführer des Verbandes, aber 160 Betten, das sei dann doch etwas zu viel.

50 Betten darf maximal haben, wer das Verbandssiegel Bauernhofurlaub führen möchte, auch das eine stattliche Zahl. Der Durchschnitt liegt bei zwölf Betten.

Vom Zubrot zum Vollzeitjob

Was 1991 in Österreich wie auch in Deutschland mit dem Aufbau von nationalen Vermarktungsstrukturen begonnen hat und ein notwendiges Zubrot für viele existenzbedrohte Bauernhöfe sein sollte, hat sich längst zu einem professionell vermarkteten und stark nachgefragten Produkt entwickelt.

Da gibt es spezielle Baby- und Kleinkindbauernhöfe, Gesundheitsbauernhöfe mit Kneippkuren und vegetarischen Menüs, ja sogar Seminarbauernhöfe, die "Brainstorming unter Obstbäumen" anbieten.

Besonders die Österreicher tun sich mit immer differenzierterem, bisweilen grelle Blüten treibendem Marketing hervor. In Österreich stellen die Bauernhöfe 20 Prozent aller Tourismusbetriebe, 15.000 sind es insgesamt.

Der Umsatz durch die Bauernhofgäste beträgt inklusive geschätzten Tagesausgaben jährlich rund eine Milliarde Euro, genausoviel wie in Deutschland. Dort gibt es geschätzte 25.000 Betriebe, die 2004 insgesamt 27 Millionen Übernachtungen verbuchen konnten. Die Gäste sind zu zwei Dritteln Familien mit kleineren Kindern aus großstädtischen Ballungsräumen.

In Deutschland machen fast ausschließlich Deutsche Urlaub auf dem Bauernhof, in Österreich sind die Deutschen mit 60Prozent ebenfalls die größte Gästegruppe, gefolgt von den Einheimischen. Sie alle suchen keineswegs die Ruhe, sie wollen beschäftigt werden.

Melkkurse und Pizza backen

"Nur den Schlüssel für die Ferienwohnung in die Hand drücken und nach 14 Tagen abkassieren - das funktioniert nicht", sagt Christa Off. Sie muss es wissen. Denn sie ist zugleich Vorsitzende der 1991 gegründeten Bundesarbeitsgemeinschaft Urlaub auf dem Bauernhof und des bayerischen Verbandes.

Zurzeit ruhen jedoch ihre Funktionärsgeschäfte. Sie muss sich um ihre eigenen Gäste auf ihrem Hof unweit von München kümmern: "Bauernpizza" backen mit den Kindern, Stockbrot am Lagerfeuer, Grillabende, Schlauchbootfahren auf dem Bach, Melkkurse, gemeinsames Kälberfüttern und bei Regen etliche Bleche mit "Schlechtwetterkuchen" in den Ofen schieben.

Die Menschen würden den Bauernhofurlaub vor allem wegen der Kinder machen und die verlangten nach Aktivitäten, die mit Natur und vor allem mit Tieren zu tun haben. Ein Streichelzoo mit Hasen, Ziegen oder Ponys gehört fast schon zur Grundausstattung.

Doch die Interessenten erkundigen sich oft auch, ob es sich um eine aktive Landwirtschaft handle. Sie suchen den Kontakt zur Familie, wollen ein authentisches Bauernhoferlebnis.

Die Alibikühe

Und hier gibt es zuweilen unliebsame Überraschungen. Weil das Geschäft mit den Touristen oft mehr einbringt als das Melken von Kühen oder das Mästen von Bullen, geben viele die Landwirtschaft auf. Sie halten sich dann für die Urlauber ein paar Hasen, Hühner oder zwei Alibikühe.

Das an sich sei kein Problem, meint Christa Off, doch leider würde es im Katalog oder im Internet öfters verschwiegen. Die Kunden seien dann enttäuscht. "Die Gäste müssen sich gut informieren vorher und beim Betrieb anrufen", rät Off.

Per Mausklick in den Schweinestall

An der Frage, wer denn mit Urlaub auf dem Bauernhof werben darf und wer nicht, scheiden sich die Geister. Während die Bundesarbeitsgemeinschaft mit der Differenzierung in "Landurlaub" und "Urlaub auf dem Bauernhof" auch richtige Hotels in ihre Fördermaßnahmen mit einbezieht, will man in Bayern striktere Kriterien.

Zusatzkriterium Streichelzoo

Mit etwa 7000 Betrieben zählt der Freistaat fast ein Drittel aller Urlaubsbauernhöfe in Deutschland. Dass das alles aktive Landwirtschaften sind, will Christa Off nicht glauben. Zusammen mit dem bayerischen Landwirtschaftsministerium wird zurzeit an einer engeren Definition gearbeitet. "Da werden einige durch den Rost fallen."

Zwar lassen sich von den deutschlandweit 9600 Verbandsmitgliedern immer mehr klassifizieren. Doch die Prüfer achten bei der Sternvergabe vor allem auf die Ausstattung der Wohnungen. Zusatzkriterien wie Zugang zum Stall, Streichelzoo oder andere erlebbare Bauernhofqualitäten werden gering gewichtet.

Die deutsche Landwirtschaftsgesellschaft prüft vor allem diese weichen Faktoren und hat immerhin bereits 1600 Betriebe mit ihrem Gütezeichen versehen. "Der Wettbewerb wird schärfer. Nur wer auf Qualität und gutes Marketing setzt, wird in Zukunft Zuwächse verzeichnen können", ist Hans Embacher vom österreichischen Bauernhofurlaub-Verband überzeugt.

Die bayerische Konkurrenz

Alle 3400 Verbandsmitglieder würden deshalb verpflichtend klassifiziert. In die Bewertung fließe die Erlebbarkeit des Bauernhofs genauso stark ein wie die Gästebetreuung und die Ausstattung der Wohnungen.

Das Marktpotenzial ist weiterhin vielversprechend: 2,6 Millionen Deutsche haben in den vergangenen drei Jahren mindestens einen Urlaub auf dem Bauernhof verbracht.

Nach einer Umfrage der Forschungsgemeinschaft Urlaub und Reisen planen 2,3 Millionen in den nächsten drei Jahren "ziemlich sicher" einen solchen, 6,2 Millionen könnten es sich generell vorstellen. Und die Klientel informiert sich vor allem im Internet.

Zahllose Plattformen versammeln Anbieter von Bauernhofurlaub, das Angebot ist groß. 75 Prozent aller Anfragen laufen online. Fast jede vierte Anfrage führt auch zu einer Buchung. "Das ist ein sensationelles Verhältnis", freut sich Embacher. Die deutsche, speziell bayerische Konkurrenz sieht er gelassen: "Wenn es dort gut läuft, läuft es bei uns auch gut."

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