Fehlende Enteisungsmittel:Massive Engpässe befürchtet

Internationalen Flughäfen drohen in der kommenden Woche massive Engpässe bei Enteisungsmitteln. Wegen der hohen Nachfrage kommen Glykol-Hersteller mit dem Liefern nicht mehr nach.

Vielleicht spielt das Wetter ja mit. Vielleicht schneit und friert es in der kommenden Woche nicht wie in den Tagen vor Weihnachten und darüber hinaus. Ansonsten drohen den deutschen und europäischen Flughäfen massive Engpässe bei Enteisungsmitteln - und das bedeutet erneut Verspätungen, Flugausfälle und Störungen im gerade erst wieder einigermaßen angelaufenen europäischen Flugverkehr.

Der Schweizer Spezialchemiekonzern Clariant schlägt Alarm: Voraussichtlich vom 1. bis 4. Januar wird dasUnternehmen die Produktion unterbrechen müssen, wie ein Unternehmenssprecher sagte. Wegen der derzeit hohen Nachfrage habe der Hersteller von Glykol, einem Grundstoff der Enteisungsmittel, Lieferschwierigkeiten.

Clariant will im engen Kontakt mit den Flughäfen versuchen, das "vorhandene Material bedarfsgerecht einzusetzen". Derzeit gebe es noch keine Erkenntnisse, dass der Flugverkehr an deutschen Airports zum Erliegen kommen werde.

Flughäfen mit Langstreckenverkehr bevorzugen

Wegen der aktuell strengen Witterung gebe es jedoch auch Flughäfen, die derzeit täglich drei Viertel ihrer Lagerkapazitäten an Enteisungsmitteln einsetzen müssten. In Notfällen sei denkbar, Aiports mit Langstreckenverkehr bevorzugt mit Einteisungsmitteln zu versorgen, sagte der Sprecher weiter. Moderne Flughäfen verfügten darüber hinaus über eigene Recyclingsysteme. Dabei könnten bis zu 40 Prozent der zur Flugzeugenteisung eingesetzten Mittel wiederverwendet werden.

Clariant ist nach eigenen Angaben Marktführer in Europa. Seit Oktober 2010 produziere das Unternehmen für rund 100 Flughäfen in Europa rund um die Uhr. Allein im Dezember sei die Produktion von Enteisungsmitteln gegenüber dem Vorjahr um die Hälfte gesteigert worden. Die Firma stellt Enteisungsmittel für Flugzeuge und für Landebahnen her.

Kein Produktionsstopp bei der Konkurrenz

Die britische Konkurrenzfirma "Kilfrost" plant nach eigenen Angaben keinen Produktionsstopp wegen Rohstoffmangels. Kilfrost werde aber vor allem seine langjährigen Kunden beliefern, zu denen die Flughäfen in Amsterdam und Frankfurt gehörten, sagte eine Sprecherin des in Newcastle-upon-Tyne im Nordosten Englands ansässigen Unternehmens. Die Firma versuche, anderswo auszuhelfen, wo sie könne. Es sei aber nicht so, dass das Unternehmen zu viel Enteisungsmittel zur Verfügung habe.

Der Pilot trifft die Entscheidung

Weiter sagte die Sprecherin, die Firma habe im Dezember schon 20.000 Tonnen der Enteisungsflüssigkeit rund um die Uhr produziert, was "unnormal viel" sei. Bis zum Jahresende werde Kilfrost schon 75 Prozent der Produktionsmenge des vorigen Winters produziert haben. Insgesamt dürfte die Produktion um 50 Prozent gegenüber dem Vorjahr steigen.

Flughafenverband schließt "Leerlaufen" nicht aus

Unterdessen hat der deutsch-österreichisch-schweizerische Flughafenverband ADV seinen Mitgliedern mitgeteilt, dass "ein 'Leerlaufen" von mehreren Flughäfen nicht auszuschließen" sei. In einem Schreiben werden die Flughäfen aufgefordert, den Verband zu informieren, wenn "in der nächsten Woche aufgrund von möglichen Versorgungslücken Betriebsschließungen bzw. Beeinträchtigungen" zu befürchten seien. Insgesamt sprach der Verband von besorgniserregenden Nachrichten. Allerdings gehe es dem Verband "nicht um vorauseilende Meldungen, die Unsicherheit bei Passagieren und Airlines hervorrufen".

Die Entscheidung, ob ein Flugzeug enteist werden muss, trifft der Pilot selbstständig. Glykolhaltige Enteisungsmittel sollen dafür sorgen, dass sich vor dem Start eines Flugzeugs, aber auch während der kritischen ersten Flugphase, auf den Maschinen keine Eisschichten durch feuchte Luftschichten bilden können, denn dies könnte die Steuerelemente unbeweglich machen.

Das Enteisen, meist ein Besprühen von einem mobilen Kran aus, dauert je nach Flugzeuggröße durchschnittlich 15 Minuten. Diese Zeitspanne ist laut der Arbeitsgemeinschaft Deutscher Verkehrsflughäfen jedoch in den im Voraus geplanten Flugzeiten nicht berücksichtigt. Daher seien Verspätungen unvermeidbar.

In den vergangenen Wochen hatte der Mangel an Enteisungsmitteln schon mehrfach für Einschränkungen und Ausfälle im europäischen Flugverkehr gesorgt, beispielsweise auf den Flughäfen Berlin-Schönefeld, London-Heathrow und am Pariser Airport Charles de Gaulle.

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