In einigen Bundesländern sind die Ferien schon wieder vorbei, im Süden dauert es noch ein bisschen, bis die Schule wieder beginnt - doch viele Eltern können die Rückkehr in den Alltag kaum erwarten. Statt schöner Urlaubserlebnisse teilen sie vor allem die Erfahrung, dass ein Urlaub mit Kindern ganz schön anstrengend sein kann. Paradoxerweise helfe es, als Eltern die eigenen Bedürfnisse etwas mehr im Blick zu behalten, sagt Reisebloggerin Angela Misslbeck aus Berlin. Mit ihrem mittlerweile neunjährigen Sohn geht sie regelmäßig auf kürzere oder längere Reisen und schreibt auf "Unterwegs mit Kind" über das Reisen mit Kindern im Allgemeinen und über das Alleinreisen mit Kindern im Besonderen.
SZ: Frau Misslbeck, viele Eltern kommen aus ihrem Urlaub mit den Kindern nicht erholt, sondern völlig geschafft nach Hause. Woran liegt das?
Angela Misslbeck: Das hängt ganz oft mit falschen Erwartungen zusammen. Der Sommerurlaub soll die Zeit im Jahr sein, in der alles supertoll und superschön ist, in der Eltern mit den Kindern alles erleben wollen, wofür im Rest des Jahres keine Zeit ist. Da ist es kein Wunder, dass man nachher enttäuscht ist, wenn es doch nicht so supertoll war.
Aber was ist so schwer daran, eine schöne Zeit mit seinen Kindern zu verbringen?
Aus falschen Erwartungen entsteht leicht eine falsche Urlaubsplanung. Der Hauptfehler ist, mit Kindern ein festes Programm zu schnüren und gleich vom ersten Urlaubstag an irgendwelche Punkte abzuhaken. Die meisten Eltern sind ganz schön erledigt, wenn sie in den Urlaub starten. Ich setze mir für die ersten drei Urlaubstage überhaupt keine festen Termine, sondern will erst mal ankommen und mich auf die neue Umgebung einlassen. Schauen, was geht - und was nicht geht. Und das lässt man dann eben bleiben. Liegen Alltag und Arbeit dann ein Stück hinter einem, gelingt es leichter, sich auf das Neue einzulassen. Und auf die Kinder und deren Pläne. Denn die haben ab einem gewissen Alter ja auch Vorstellungen davon, was sie machen möchten.
Aber weiß man das nicht vorher? Man kennt sich doch als Familie in- und auswendig.
Aber im Alltag verbringt man nicht so viel Zeit miteinander wie im Urlaub. Auch das ist ungewohnt und darauf muss man sich erst einstellen. Wie die gemeinsame Zeit schön wird, das muss man immer wieder neu herausfinden. Die Kinder verändern sich laufend, daher ist jeder Familienurlaub ein Ausprobieren, wie es am besten funktioniert.
Manche Eltern treibt die Sorge um, dass es mit Kindern nun mit den interessanten Reisen vorbei ist und sie die kommenden zehn Jahre mit Schaufel und Eimer im Sand verbringen, obwohl Strandurlaub sie eigentlich anödet. Muss das so sein?
Das muss überhaupt nicht so sein. Ich selbst habe mit Strandurlaub mit Kleinkind nur negative Erfahrungen gemacht, weil mein Sohn mit zehn Monaten den halben Strand aufgegessen hat, einschließlich der Zigarettenkippen. Ich habe ihn dann einfach in die Trage genommen, bin mit ihm in den Bergen wandern gegangen und wir hatten dort eine wunderbare Zeit. Dadurch, dass ich das gemacht habe, was mir guttut, ging's mir gut, und das wiederum strahlt gerade auf kleine Kinder aus. Wenn die Eltern entspannt sind, dann sind die Kinder meistens auch entspannter und besser drauf. Je mehr Anspannung man selber mitbringt, vielleicht auch Angst und Aufregung angesichts eines unbekannten Reiseziels, umso mehr überträgt sich das auf die Kinder.
Das sagt sich so leicht. Eltern können ihre Gefühle ja auch nicht immer so einfach ablegen.
Ein gewisses Reisefieber gehört auch für mich immer noch dazu, aber das ist ja oft auch eine freudige Aufregung. Ich spreche darüber mit meinem Sohn. Dann kann er die Anspannung eher einordnen.
Sollte man deshalb vielleicht lieber mehrmals hintereinander an ein bewährtes Ziel fahren?
Das haben die Kinder ja oft recht gern, aber ich würde es davon abhängig machen, was man selbst für ein Typ ist. Wer Lust auf ein neues Urlaubsziel hat, sollte es auch ausprobieren, das muss nicht unbedingt stressiger sein. Babys und Kleinkindern ist es restlos egal, wo sie sind, Hauptsache Mama und/oder Papa sind da. Es ist wichtig, dass die Eltern selber darauf achten, dass es ihnen gut geht und dass sie nicht ihre eigenen Bedürfnisse dauernd hintanstellen. Sonst haben sie nach dem Urlaub das Gefühl, alles für die Kinder geopfert zu haben. Kinder sind dann glücklich, wenn die Eltern glücklich sind.
Von den Kindern Dankbarkeit einzufordern für das, was ihnen im Urlaub geboten wird, ist dann wohl auch eine grundfalsche Erwartung.
Wer selbst keine Lust auf Disneyland hat und trotzdem für viel Geld drei Tage dorthin fährt, weil er glaubt, es den Kindern bieten zu müssen, tut weder sich noch den Kindern einen Gefallen. Die Kinder merken natürlich, wie genervt man davon ist. Wenn sie aber nie dort waren, werden sie es auch nicht vermissen.
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Je älter die Kinder werden, umso wichtiger werden andere Kinder. Muss es dann tatsächlich das Familienhotel sein?
Urlaub mit Kindern ist tatsächlich dort am entspanntesten, wo andere Kinder sind. Familienhotels sind eine Möglichkeit von vielen. Ich habe in Deutschland unter anderem auch sehr gute Erfahrungen mit Jugendherbergen gemacht. Sie sind auf die Bedürfnisse von Familien eingestellt, haben Spielzimmer, Spielplätze und große Außenbereiche, wo die Kinder sich frei bewegen können. Eine Kinderbetreuung im Hotel entlastet mich vielleicht tagsüber. Meist gehe ich aber tagsüber mit meinem Kind los und mache einen Ausflug. Wenn ich dann nach Hause komme, hätte ich oft gern eine Stunde für mich, um in Ruhe einen Kaffee zu trinken. Doch da hat die Kinderbetreuung oft schon zu. In der Jugendherberge, auf dem Campingplatz oder in einer Ferienappartement-Anlage sind schnell andere Kinder da, ratzfatz ist der Junior weg und ich kann mich entspannt mit meiner Tasse Kaffee hinsetzen.
Ältere Kinder brauchen keine lückenlose Betreuung durch die Eltern mehr, aber ihre Urlaubsvorstellungen können die Geduld der Eltern trotzdem auf eine harte Probe stellen. Vieles, was jahrelang funktioniert hat, ist plötzlich uninteressant.
Man muss tatsächlich vieles jedes Jahr neu ausprobieren. Denn oft merken Eltern erst in diesen Wochen, in denen man so viel Zeit miteinander verbringt, wie sich die Bedürfnisse der Kinder geändert haben.
Sie waren von Anfang an mit Ihrem Sohn allein unterwegs. Was ist bei Alleinerziehenden anders, wenn sie mit ihren Kindern auf Reisen gehen?
Da hat man wirklich Verantwortung für die Rund-um-die-Uhr-Betreuung - aber auch den Vorteil, dass man sich mit niemandem absprechen muss. Viele haben sehr großen Respekt davor, allein mit den Kindern wegzufahren, und lassen es deshalb lange bleiben. Mir hat es immer geholfen, mich gut vorzubereiten und mich im Vorfeld mit meinen Sorgen und Ängsten auseinanderzusetzen. Mir zu überlegen, was ich in der jeweiligen Situation tun würde. Das nimmt vielen Befürchtungen den Schrecken. Und ich habe unterwegs immer sehr viel Hilfsbereitschaft erlebt.
Nicht zu reisen, war also nie eine Alternative?
Als mein Sohn fünf Jahre war, bin ich mit ihm vier Monate lang entlang der Panamericana gereist. Danach zog es mich tatsächlich mal für ein halbes Jahr nicht weg - aber nur weil ich so viel gesehen hatte in der Zeit, nicht weil es so anstrengend war.
Über das Alleinreisen mit Kindern hat Angela Misslbeck auch ein Buch geschrieben: "Allein mit Kind unterwegs", World for kids Verlag 2019, 18,00 Euro.