Ermäßigte Liftpreise:Unrecht und billig

Wer den richtigen Dialekt spricht, fährt günstiger: In vielen Skigebieten genießen Einheimische Rabatte, obwohl die EU dies verbietet. Österreich riskiert nun eine Klage.

Hans Gasser

Karl Friedrich Sattmann ist erbost. Da hat er eine Schneekanonenfabrik ins Tiroler Örtchen Lahnenberg gebaut und viele Arbeitsplätze geschaffen, und nun soll er das versprochene Grundstück für sein privates Ferienhaus doch nicht bekommen. Der illegale Deal mit dem Bürgermeister ist aufgeflogen, schließlich dürfen Deutsche in Österreich nicht so einfach Grundstücke erwerben.

Diese Handlung der brillanten ORF-Fernsehsatire "Piefke-Saga", die Anfang der neunziger Jahre das Verhältnis zwischen deutschen Touristen und bauernschlauen Tiroler Gastgebern aufspießte, scheint eine lange vergangene Zeit zu karikieren. Zwar sind die Deutschen immer noch die größte und wichtigste ausländische Gästefraktion im Österreich-Tourismus. Doch längst ist die vom Marketing vorgegebene Unterscheidung in demographische Zielgruppen wie "Best Ager" (ehemals Senioren), Dinks (sprich Doppelverdiener ohne Kinder) oder Familien viel wichtiger als die Herkunft aus einem bestimmten Land.

Was den Preis von Liftkarten betrifft, zählt jedoch noch immer, ob man ein Hiesiger ist oder ein Fremder.

Beim Skifahren auf dem Gletscher in Sölden kann ein Tiroler Dialekt beispielsweise von Vorteil sein. "Mir wär's ja zu blöd gewesen, bei 20 Euro noch wegen einem Einheimischentarif zu fragen", schreibt ein Tiroler Skifahrer in seinem Blog (http://blog.inmontanis.info), der die Qualität von Gletscherskigebieten zum Inhalt hat. "Aber wenn mich die Kassiererin schon fragt, wo ich herkomm, so wurde mir - wie in Sölden üblich - somit der Einheimischen=Seniorentarif verrechnet." Das war Ende September, als die Tageskarte auf dem Rettenbachferner ohnehin reduziert war.

Ähnlich verhält es sich in den meisten österreichischen, aber auch in manchen bayerischen und vielen Südtiroler Skigebieten. Es gibt Tarife für Einheimische und es gibt Tarife für Gäste.

Die Montafoner Bergbahnen gewähren auf die Gäste-Saisonkarte zum Preis von 476 Euro beispielsweise einen Nachlass von 48 Euro. Die Tirol Snow Card, ein neuer Skipass, der in 70 Skigebieten gilt, kostet für Gäste 590 Euro, für Tiroler mit Wohnsitzbestätigung dagegen 439 Euro.

EU: Einheimischentarife sind grundsätzlich verboten

Während die Einheimischen-Rabatte für Saisonkarten zumindest teilweise offiziell ausgeschrieben sind, werden sie bei den Tageskarten häufig nur auf Nachfrage an der Kasse verraten. So fahren Einwohner des Landkreises Garmisch-Partenkirchen im Classic-Skigebiet pro Tag um vier Euro, jene auf der Zugspitze um fünf Euro günstiger Ski. Denselben Rabatt erhalten Auswärtige, falls sie mit der Bahn anreisen.

Am Nebelhorn im Allgäu wiederum gibt es Ermäßigungen, die nicht nur für Einheimische, sondern auch für Gäste mit Kurkarte gelten.

Negative Folgen des Skitourismus mildern

In Österreich hingegen ist der Einheimischentarif weitgehend exklusiv. Erik Wolf, Geschäftsführer des Fachverbandes der Seilbahnen Österreichs, sagt zwar, er könne "nicht seriös schätzen", wie viele der 254 im Verband organisierten Skigebiete Österreichs diese Vergünstigungen gewähren. Der Sprecher der Salzburger Seilbahnen ist da etwas mutiger. Er sagte den Salzburger Nachrichten, dass "die Einheimischentarife in allen Salzburger Skigebieten angeboten" würden und man dazu stehe.

Seilbahnbetreiber begründen die Ermäßigungen damit, dass die Bewohner schließlich auch die negativen Auswirkungen wie Verkehrs- und Lärmbelastung oder höhere Preise im Supermarkt des Touristenzentrums ertragen müssen. Wolf spricht von der "hohen regionalpolitischen Relevanz" des Themas.

EU betrachtet gängige Praxis als Diskriminierung

Nur haben die Vertreter der Skigebiete die Rechnung ohne die Europäische Union gemacht. Die EU sieht in den Rabattaktionen nämlich eine Diskriminierung im Rahmen der Dienstleistungsfreiheit. Bereits 2006 hat die EU eine Richtlinie erlassen, wonach jeder EU-Bürger eine Dienstleistung in jedem EU-Land zu denselben Bedingungen in Anspruch nehmen kann. Und dazu gehört der Seilbahntransport in einem Skigebiet.

"Einheimischentarife sind grundsätzlich verboten, in öffentlichen Museen oder Bädern genauso wie in privat betriebenen Skigebieten", sagt Walter Obwexer, Europarechtsexperte an der Universität Innsbruck. Drei Jahre lang habe Österreich nun Zeit gehabt, die Richtlinie durch ein entsprechendes Gesetz umzusetzen. Bisher sei das nicht geschehen, so Obwexer. Anfang 2010 läuft die Frist aus. Dann könnte es zu einem Verfahren gegen Österreich kommen und letztlich zu einem Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

Bevorteilung wird gut versteckt

Während der Verband der deutschen Seilbahnen laut dessen Sprecher Hannes Rechenauer seinen Mitgliedern die Abschaffung von Einheimischentarifen empfiehlt, machen die österreichischen Seilbahnunternehmen geltend, dass ein Lifttransport im Skigebiet eine lokale Verkehrsdienstleistung sei und somit eine in der EU-Richtlinie vorgesehene Ausnahme bilde. So sieht es auch Erik Wolf vom österreichischen Seilbahnverband, so steht es im bereits geschriebenen, aber noch nicht beschlossenen österreichischen Dienstleistungsgesetz.

Für Europarechtler Obwexer würden Skiseilbahnen aber nicht gebraucht, um Einheimische zwischen Wohnort und Arbeitsplatz zu befördern, wie etwa im öffentlichen Nahverkehr. Deshalb fielen sie nicht unter die Ausnahmen. "Das Einzige, womit man niedrigere Tarife rechtlich rechtfertigen könne, wäre, wenn diese eine Abgabe für den Bau eines Skiliftes hätten zahlen müssen", so Obwexer. Das dürfte aber kaum je der Fall gewesen sein.

Auch der Wiener zahlt in Tirol

Dass der Wiener in Tirol genau wie der Deutsche für die Karte mehr zahlen muss als der Tiroler, ändere nichts am generellen Diskriminierungsverbot. Allerdings fehle dazu noch ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs.

Auf Dauer führt wohl kein Weg vorbei an der Gleichbehandlung von lokalen und ortsfremden Skifahrern. Bis zu einem Richterspruch in Luxemburg würde es allerdings mindestens weitere drei Jahre dauern, meint Obwexer. So lange können sich die Bergbewohner noch freuen an ihrem Privileg, auch wenn immer mehr Skigebietsbetreiber aus Imagegründen die Bevorteilung immer besser verstecken - und manchmal sogar ganz abschaffen.

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