Enttäuschungen auf Reisen:Außer Spesen nichts gewesen

Sind es die eigenen hochgesteckten Erwartungen, der Konsumterror oder schlicht Pech, dass aus vermeintlichen Reise-Highlights Desaster werden? Erfahrungsberichte aus der Redaktion.

Nach knapp 50 Meilen auf teils holperiger Schotterpiste endet die Straße an einem Parkplatz. Ab hier übernehmen die Leute vom Stamm der Hualapai das Kommando und wer ihren heiligen Boden und den Grand Canyon Skywalk betreten will, muss zahlen: 75 Dollar kostet der Eintritt für Erwachsene ab zwölf Jahren, jüngere Kinder sind mit 66 Dollar dabei, die Fahrt im Shuttle-Bus wird extra berechnet. Ganz schön happig - aber schließlich sollen die Schritte auf der u-förmigen Plattform mit dem Glasboden ja auch ein Höhepunkt der Reise sein.

Reisen Enttäuschungen Grand Canyon Skywalk, ddp

Auf dem Grand Canyon Skywalk

(Foto: Foto: ddp)

15 Minuten schleicht der Bus durch eintönige Landschaft, da kommen der Canyonrand und ein paar Hütten in Sicht - und auch die ersten Zweifel auf. Die Plattform sieht viel kleiner aus als auf den Fotos und scheint nur wenig über den Felsrand hinauszuragen. Zügig werden die Besucher zum Eintritt dirigiert, allerdings sind zwei weitere Busse vorher dran. Es dauert, bis alle ihre Wertsachen und Kameras in Schließfächern deponiert und die Überschuhe zum Schutz des gläsernen Bodens angezogen haben.

Endlich schiebt sich unsere Gruppe im Gänsemarsch über den Skywalk. Vor lauter Füßen sieht man kaum bis hinunter zum Colorado-River, Kratzer im Glas erschweren die Sicht. Verweilen? Die Aussicht genießen? Geht nicht, die hinteren drängen schon nach. Wenigstens ein Foto vor dieser Traumkulisse? Das ist nur mit der fest montierten Kamera möglich, natürlich gegen Bares.

Das wahre Highlight entdecken wir beim Warten auf den Bus zurück: Ein paar Schritte vom Skywalk entfernt hat man einen großartigen Blick auf einen Seitenarm des Canyons und die Felsformation Eagle. Knapp 1200 Meter bis zum Grund, keine Absperrung, kein Gitter, wenig Menschen - Gänsehaut!

Pyramiden von Gizeh (Ägypten)

Die Pyramiden von Gizeh. Ein Hammer. Denkt man. Doch wenn man sich dann in diesen Stadteil von Kairo mit öffentlichen Verkehrsmitteln oder dem Taxi aufgemacht hat, ist man nach der Ankunft umgehend enttäuscht. Nicht unbedingt von den Bauwerken der Pharaonen an sich, sondern von den Hunderten, Tausenden Kameltreibern und Souvenirverkäufern, die einen zu ihrem Laden zerren, einen Chai anbieten, der dann auch nur in einem Laden endet, und andere, die für gar nichts, aber auch gar nichts, außer dass sie nerven, Bakschisch verlangen.

Reisen Enttäuschungen Pyramiden von Gizeh Ägypten, AP

Händler vor den Pyramiden von Gizeh

(Foto: Foto: AP)

Wie soll man sich denn da auf dieses Weltwunder der Antike einlassen? Wie den Atem der Geschichte spüren, wenn einem der Atem der Nervgeier ins Gesicht weht und man mit den belämmertsten Fragen belästigt wird? Wie Erhebendes spüren, wenn man in ein Grab kriecht und dort nichts ist, außer Touristenschweiß und ein Ägypter, der im Halbdunkeln den Boden des Miniraumes von den Überresten der heutigen Zivilisation befreit? Wie die Anmut genießen, wenn man sofort von harschen Wächtern verscheucht wird, wenn man sich nur an die Steinquader anlehnen will?

3000 Jahre Tourismus haben die Ägypter versaut. Spätestens nach einer Woche Ägypten wünscht man sie alle auf den Mond, zumindest für eine halbe Stunde. Trotzdem war ich schon viermal da.

Helgoland

Reisen Enttäuschungen Helgoland Hummerbuden, dpa

Hummerbuden auf Helgoland

(Foto: Foto: dpa)

Ein grüner Punkt mitten in der blauen Nordsee. Aus dem Fenster des Hochgeschwindigkeitskatamarans sah ich sie auf mich zukommen, Deutschlands einzige Hochseeinsel: Helgoland. Und mit ihr das Idyll, das ich mir in meinem Kopf ausgemalt hatte: dramatische Klippen, wild kreischende Möwen und bunte Holzhütten am Strand.

Und dann kam ich an - zusammen mit ungefähr 10.000 anderen Tagestouristen. So fühlte es sich zumindest an. In einer schleppenden Prozession umrundeten wir die Insel. Ausscheren oder gar die Richtung ändern? Schon aus Platzgründen fast unmöglich.

Die bunten Holzhütten gab es tatsächlich. In ihnen stapelten sich billige Souvenirs in den schrillsten Farben. Die dramatischen Klippen gab es selbstverständlich auch, aber wer einfach mal im Wind stehen und sie auf sich wirken lassen wollte, hatte schlechte Karten. Die Zeitfenster fürs Fotografieren waren eng, schließlich wollte jeder der vornehmlich pensionierten Inselbesucher vor und hinter mir ebenfalls ein Erinnerungsfoto mit der "Langen Anna".

Am Ende hätte ich fast noch mein Schiff zurück nach Hamburg verpasst - weil ich jenseits der Duty-free-Shops beinahe verzweifelt doch noch nach dem kleinen Stück Ursprünglichkeit gesucht hatte.

Das Schiff habe ich erwischt - und damit wahrscheinlich die Chance vergeben, Helgoland nach Abreise der Tagestouristen so zu erleben wie es einmal war - und ich es mir vorgestellt hatte.

Bardolino am Gardasee

Reisen Enttäuschungen Bardolino Gardasee, iStock

San Nicolo in Bardolino

(Foto: Foto: iStock)

Wir hatten nur ein paar Tage Zeit im September und beschlossen, diese für das süße Leben am Gardasee zu nutzen. Die Wahl fiel auf Bardolino, das so für sich wirbt: "Hier geht es bis in die späten Abendstunden lebhaft zu: Viele Läden haben bis Mitternacht geöffnet und schöne Restaurants, Bars und Discos ziehen Nachtschwärmer der ganzen Region an."

Leider gilt das nicht für September, dann ist in Bardolino tiefste Nachsaison. Statt Dolce Vita in den schönen Gassen der Altstadt schlich der Kellner schon um zehn Uhr abends nervös um den Tisch, bereit, die leeren Espressotassen aus den Händen zu reißen und die Rechnung zu servieren, zahlbar sofort. Auch der Bummel durch die Altstadt wurde sehr einsam, um halb elf Uhr waren auf einen Schlag alle Einwohner bis auf einen Straßenkehrer verschwunden, der den Pappbechern und Papierfetzen hinterherfegte, die der Seewind durch die leeren Gassen wirbelte.

In dieser Filmkulisse nach Ende der Dreharbeiten kamen wir uns fehl am Platz vor und schlichen zurück zum Hotel. Portier und Barmann waren schon im Bett. Da erschreckte uns ein lauter Knall - Bardolino hatte die Gehwege hochgeklappt.

Vulkan Arenal in Costa Rica

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(Fast) immer aktiv: Vulkan El Arenal in Costa Rica

(Foto: Foto: Reuters)

Eine Garantie haben mir viele gegeben, auch der Studienfreund, der schon mehrere Monate in Costa Rica verbracht und dabei immer wieder den täglichen Ausbruch des Vulkans Arenal gesehen hatte. Und "Mr. Lava-Lava", ein Costaricaner, der davon lebt, Touristen an und auf den Vulkan zu führen. Uns stehe eine aufregende Nacht bevor, sagte Mr. Lava-Lava nach unserer Ankunft im costaricanischen La Fortuna. Die Möglichkeit, rote zähflüssige Magma zu sehen, hat mich in meiner Entscheidung, den Flug nach Costa Rica zu buchen - und nicht den günstigeren Flug nach Mexiko - doch sehr bestärkt.

Vielleicht hätte ich mich darauf verlassen sollen, dass Namen doch manchmal sprechen. "La Fortuna" heißt auf Deutsch Glück. Und obwohl der Arenal zu den aktivsten Vulkanen der Erde und seine Lava jeden Tag glutrot mit Zischen und Rauch ins Tal fließt, gehört ein bisschen Glück dazu, das auch zu sehen. An dem Abend als ich vor dem Arenal stand, verhüllte eine dicke graue Wolkendecke den Gipfel. Und auch noch um drei Uhr nachts und um fünf Uhr früh.

Reisen Enttäuschungen Geysir Island, ddp

Theoretisch alle acht Minuten soll Geysir Stokkur Wasser in die Luft schleudern - wenn er nicht gerade verstopft ist.

(Foto: Foto: ddp)

Geysire in Island

Es ist Winter, tiefster, kalter. Der Bus schlittert über tief verschneite Straßen, im fahlen Licht am 66. Breitengrad. Man hasst Busfahren, und als man nach drei Stunden endlich aussteigen darf - da muss schon ein richtiger Böms kommen, um die Laune zu heben und diese Rumpelfahrt durch das neblige Island zu rechtfertigen.

Der Geysir soll das schaffen, der berühmte Geysir Islands, derjenige Wassersprutz aus dem Boden, der den Geysiren auf der ganzen Welt seinen Namen gegeben hat. Deswegen ist dieses Spritzwasserphänomen hier so berühmt. Und deswegen stehen an der Landstraße die ersten großen Gebäude, seit wir Reykjavik verlassen haben. Zwei Bars mit Souvenirabteilung und vielen Toiletten. Der Geysir ist so etwas wie das Berchtesgaden Islands, tourismustechnisch gesehen.

Man stapft also durch den Schnee den Weg entlang, der an schwefelblubbrigen Pfützen vorbei hin zu den beiden Naturfontänen führt, dem Großen Geysir und dem Strokkur, was so viel heißt wie Butterfass. Auf Fotos ist der Geysir eine riesige, meterhohe Wasserfontäne, die in den Himmel schießt. Da steht also die Busladung Touristen, mit hochgezogenen Schultern, weil es im Bus so warm war und hier draußen so kalt.

Die meisten Männer halten Kameras im Anschlag, die meisten Frauen glucksen und versuchen sich so in Position zu stellen, dass sie möglichst sinnig vor der Fontäne aufs Bild passen. Im Boden rumort es, und die Pfütze blubbert, als würde gleich Stephen Kings Clown Pennywise auftauchen. Wenn man ganz alleine hier wäre, dann könnte das unheimlich sein. So aber könnte Pennywise ungefähr 57 andere Touristen vor mir zerstückeln.

Mit solchen Gedanken also steht man vor dem Geysirweiherchen, eine ganze Weile, und urplötzlich hebt sich aus dem stillen, kleinen Wässerchen irgendetwas, das man nicht erkennen kann. Weil das Wasser warm und die Luft kalt ist, entsteht eine Dampfglocke, in der man nicht einen Spritzer Wasser sieht. Nur weißen Dunst. Und auch nicht besonders hoch. Die Bilder im Kopf, sie stammen allesamt aus dem dampflosen Sommer, wird einem da sehr schnell klar.

Das wiederholt sich ein paar Mal. Wenn meine Mutter früher den Druck aus dem Schnellkochtopf abließ, sah das ungefähr genauso aus, und sie hat nie Eintrittsgeld verlangt.

Das sage ich aber nicht laut, um kein schlechtes Karma an den Platz zu bringen, der schon genügend unter Touristen leidet. Denn dass die Geysire Islands sich manchmal ein bisschen verschlucken und nicht mehr so lustig in den Himmel spritzen, das liegt nicht nur an geothermischen Phänomenen und Veränderungen, sondern auch an dem unerklärlichen Drang der Reisenden aller Nationen, in jeden Tümpel, auf den sie während ihrer Reise treffen, Geldmünzen zu werfen. Was in Rom - aber auch dort nur im Trevi-Brunnen - dazu führen soll, dass man wiederkommt, führt anderswo zum Missmut derjenigen, die die ganzen Münzen regelmäßig von Brunnenböden schubbern müssen, oder, wie hier, zur Verstopfung von Geysiren.

Was soll man sagen. Island ist schön, und Reykjavik vor Weihnachten ist sogar ganz bezaubernd. Aber vielleicht kommt man doch besser im Sommer wieder. Ganz ohne Münze.

Chichen Itza (Mexiko)

Reisen Enttäuschungen Chichen Itza, AP

Schweißtreibender Aufstieg auf die Tempel in Chichen Itza

(Foto: Foto: AP)

Chichen Itza ist ein Muss für Mexiko-Touristen. Die gigantische Tempelstadt ist die am meisten besuchte archäologische Stätte Mexikos und eines der sieben neuen Weltwunder. Nach einer Woche Faulenzen am weißen Strand von Playa del Carmen fahren wir also hin. Nach vier Stunden Bibbern im extrem klimatisierten Bus kommen wir pünktlich zur Mittagshitze in Chichen Itza an. Es hat nun 35 Grad - Temperaturen, die fürs Im-Schatten-Sonnen geeignet sind, jedoch nicht fürs In-der-Sonne-Ruinen-Besichtigen.

Tapfer schauen wir uns trotzdem alles an: Die Pyramide des Kukulcán, den Ballspielplatz, auf dem die Mayas angeblich den Fußball erfunden haben, den Kriegertempel. Doch innerhalb kürzester Zeit sind wir von Sonne und Hitze so zermatscht, dass wir nicht mehr nach der nächsten interessanten Ausgrabung, sondern nur noch nach dem nächsten Fitzelchen Schatten Ausschau halten.

Den relativ moderaten Eintrittspreis (umgerechnet etwa sieben Euro) holt sich Chichen Itza bei den Preisen für Snacks und Getränke wieder rein. Und bei den Souvenirs, obwohl wir eigentlich keine kaufen wollen. Doch so klatschnass geschwitzt wie wir bei der Heimfahrt um vier Uhr nachmittags sind, wollen wir nicht wieder in den eiskalten Bus steigen. Im Chichen-Itza-Partnerlook und mit fiesen Kopfschmerzen fahren wir nach Hause - und nehmen uns vor, Ruinen nur noch vor Sonnenaufgang zu besichtigen.

Reisen Enttäuschungen Iguazú Argentinien, AFP

Rauschende Wassermassen: die Iguazú-Fälle

(Foto: Foto: AFP)

Iguazú, die größten Wasserfälle der Welt

Die größten Wasserfälle der Welt, da erwartet man sich schon einiges. Die Cataratas de Iguazú liegen genau an der argentinisch-brasilianischen Grenze. Sie dehnen sich über 2,7 Kilometer aus und sind somit breiter als die Victoriafälle und dreimal so groß wie die Niagarafälle. Rauschende Wassermassen, ursprüngliche Natur, üppige Vegetation - ein gewaltiges Naturschauspiel, das stellt man sich vor, bevor man die Wasserfälle besucht.

Die Realität sieht anders aus. Kaum in Iguazú angekommen, ist man zwar überwältigt - doch nicht vom Wunder der Natur, sondern von den Touristenmassen.

Um zu den Fällen zu gelangen, muss man sich einer Exkursionsgruppe anschließen. Man wandert gemeinsam zu den stürzenden Wassermassen, das letzte Stück legt man auf einem schmalen Steg zurück. Der Andrang ist so groß, dass man vor lauter Menschenmassen kaum das Schauspiel genießen kann. Man wird herumgeschoben, muss Leuten ausweichen, kommt nur in Zeitlupe vorwärts.

Steht man dann endlich ganz vorne an den Fällen, an der sogenannten "Garganta del Diablo" (auf deutsch: Teufelsschlund), muss man sich einen Platz am Geländer geradezu erkämpfen. Auf allen Fotos, die man von den Wasserfällen macht, stehen Touristen aus aller Welt im Bild, die ebenfalls versuchen, ein Foto zu machen.

Die zweite Art, sich den Wasserfällen von Iguazú zu nähern, ist auf dem Bootsweg. Man steigt hinunter zum Fluss und fährt mit einem großen Schlauchboot so nahe heran, dass man von dem ganzen Sprühwasser pitschnass wird. Aber auch hier macht einem der Massentourismus das ganze Naturerlebnis zunichte. Um in eines der Boote zu gelangen, steht man ewig in einer Schlange, zahlt einen stolzen Preis, die Runde im Wasser ist dann aber so kurz, dass man sich an ein Fahrgeschäft auf dem Oktoberfest erinnert fühlt.

Zu allem Überfluss kreisen auch noch Helikopter über Iguazú, in denen sich begüterte Touristen über die Fälle fliegen lassen. Wahrscheinlich hätte es gereicht, sich einfach ein paar von den Postkarten zu kaufen, die feilgeboten werden. Zumindest sind darauf keine Touristen zu sehen.

Manchmal entpuppen sich gerade die erträumten Highlights einer Reise als die größten Flops. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht - schreiben Sie uns!

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