England:"König Artus" will Stonehenge befreien

Einst konnte jeder in den Steinkreis spazieren, dann wurde er eingezäunt. Ein selbsternannter König Artus will Stonehenge wieder für alle öffnen.

W. Koydl

Einen runden Tisch hat König Artus nicht, und falls sich die Ritter seiner Tafelrunde bei ihm versammeln wollten, dann müssten sie sich in eine enge Eckbank quetschen. Sie nimmt den größten Raum eines arg verbeulten Wohnwagens ein, der derart strategisch auf einer windigen Anhöhe geparkt ist, dass man einen hervorragenden Blick über die sattgrünen Weiden und knallgelben Rapsfelder von Südengland genießt.

Vor allem aber sieht man von hier aus den Steinzirkel von Stonehenge, und nur das ist König Artus in diesen Tagen wichtig.

"Ich bin der Wächter dieses Heiligtums", teilt er den erstaunten Touristen mit, die aus Bussen klettern, um durch eine Fußgängerunterführung hindurch zu dem neusteinzeitlichen Bauwerk zu gelangen. "Vor allem will ich, dass die Steine wieder für jeden frei zugänglich sind."

Die Fremden hören es mit Freuden: Schließlich müssen sie 6,60 Pfund berappen für einen Blick auf die Steine, denen sie sich dann nicht einmal auf Armeslänge nähern dürfen. "Das hier war ein astronomischer Kalender und ein Heiligtum, und jetzt ist es eine Geldmaschine", meint der König verächtlich.

Jedes Jahr zieht es Abertausende in die Hochebene von Salisbury, wo die wohl berühmteste neolithische Steinanlage der Welt steht. Sie wurde vor etwa 5000 Jahren aus 80 tonnenschweren Steinen errichtet, die teilweise mehr als 200 Kilometer weit herangeschleppt worden waren.

Wissenschaftler sind sich nicht einig, welchen Zweck die Anlage erfüllte. Nach der letzten Theorie befand sich hier eine Heilstätte. Im Sommer vergangenen Jahres wurden menschliche Überreste geborgen, die über einen Zeitraum von 500 Jahren beigesetzt worden waren.

Eingezäuntes Heiligtum

Stonehenge gehört der Krone und wird von der mit dem Altertumsschutz beauftragten Staatsorganisation English Heritage verwaltet. Sie hat das ganze Gelände, das früher frei zugänglich war, mehrfach eingezäunt - von einfachen Kordeln über Maschendraht bis hin zu Stacheldraht.

Physischer Kontakt mit den geheimnisvollen Steinsäulen ist nicht mehr möglich. "Wie Schafe", so Artus, werden die Besucher in weitem Abstand um die Steine herumgeführt.

Mit seinem royalen weiß-roten Umhang, den schulterlangen weißen Locken, dem Nikolausbart und dem Beachboy-Teint sieht der Mittfünfziger tatsächlich aus wie die Idealbesetzung für einen Film über Merlin, Lancelot und Galahad.

Doch dieser Artus ist kein Komparse: Im Jahr 1986 teilte ihm ein Biker-Bruder nach einem Motorradausflug beiläufig mit, dass er ihn für die Wiedergeburt des legendären Königs halte. Wochen später hatte er amtlich seinen Namen geändert.

Seitdem prangten die Worte "King Arthur Uther Pendragon" nicht nur auf seinen Visitenkarten, gleich über Handynummer und E-Mail-Adresse; auch Führerschein, Reisepass und der Mitgliedsausweis der Intelligenzler-Organisation Mensa weisen ihn als King Arthur aus.

Da mutet es nicht mehr absonderlich an, dass der Mann, der als John Rothwell geboren wurde, seine Korrespondenz nun mit einem lateinischen Zusatz beschließt: Rex quandam rexque futurus - einstiger und künftiger König.

Seit zehn Monaten kampiert der Monarch zusammen mit seiner Partnerin, der Druidin und ehemaligen Blumenhändlerin Kazz Smith, im Wohnwagen so nahe, wie es eben geht, neben dem Steinkreis. Er will ausharren, bis seine Forderungen erfüllt sind.

Die Forderungen des Königs

Dazu gehören neben freiem Zugang zu den Steinen die Schließung eines Zugangsweges, die Untertunnelung einer viel befahrenen Durchgangsstraße und die Wiederbestattung jener Knochen, die man exhumiert und zu wissenschaftlichen Untersuchungen entfernt hatte.

England: "Ich bin der Wächter dieses Heiligtums": der selbsternannte King Arthur Pendragon.

"Ich bin der Wächter dieses Heiligtums": der selbsternannte King Arthur Pendragon.

(Foto: Foto: Getty)

"Das waren die alten Wächter von Stonehenge", beteuert Pendragon. "Solange sie nicht heimgekehrt sind, wache ich." Artus, der im Hauptberuf Führer der Druidengemeinschaft "Loyale Arthurische Kriegsbande" ist, hat schon einige Siege verbuchen können - für sich und für Gleichgesinnte. So darf er jederzeit und überall sein Schwert Excalibur mit sich führen und auf dem Passfoto seine Krone tragen.

Und dass Britanniens druidische Neo-Heiden zu den Sonnenwenden und den Tagundnachtgleichen ihre Zeremonien wieder im geheiligten Zirkel durchführen können, verdanken sie ebenfalls seiner Hartnäckigkeit.

Kürzlich schien er gleichwohl eine Niederlage einstecken zu müssen. Noch nicht einmal das magische Gebinde aus Knoblauch, getrockneten Kräutern und Hühnerfedern, die seine Druidenfreundin Kazz zur Abwehr böser Einflüsse an die Wohnwagentür genagelt hat, konnte die Zustellung des Räumungsbescheides aufhalten, den die Grafschaft Wiltshire erwirkte.

Doch kurz darauf wandelte sich die Niederlande zum Triumph. Kein anderer als Premierminister Gordon Brown selbst kündigte im Unterhaus die Umgestaltung des Geländes der Touristenattraktion an - ganz so, wie Arthur sich das vorgestellt hatte.

Arthur Pendragon mag ein Exzentriker sein, aber er ist nicht weltfremd. Wenn er die Öffnung des Geländes verlangt, klagt er nur ein Versprechen ein, das die Behörden bereits gegeben haben: den Umbau des Geländes und die Entfernung der Zäune.

Bis zur jetzt verkündeten Entscheidung Browns aber hatte es allen Anschein, als ob London die Sache auf die lange Bank schieben wollte.

Das Argument, dass man die Steine vor mutwilligen Beschädigungen schützen müsse, lässt Arthur nicht gelten: "Das ist totaler Unsinn. Schon jetzt gibt es rund um die Uhr einen Sicherheitsdienst, der sofort eingreift." Und Kazz fügt hinzu, dass der nur ein paar Kilometer entfernte Steinzirkel von Avebury frei zugänglich sei. "Diese Steine stehen seit 6000 Jahren hier", entrüstet sie sich, "ohne dass etwas passiert wäre."

König Artus verdächtigt den neuen Polizeichef von Wiltshire, hinter der Kampagne zu stehen: "Er ist ein neuer Besen, und er will durchgreifen." Mit Sorge sieht er der kommenden Mittsommernacht entgegen, wenn sich wieder Tausende Anhänger der alten keltischen Naturreligion in Stonehenge versammeln werden. Der Chief Inspector hat "null Toleranz" gegen Ruhestörer angekündigt.

In seinem Kampf gegen die Bürokratie weiß sich King Arthur Pendragon freilich der Unterstützung Tausender Menschen sicher, die seine Petition unterzeichnet haben. Der Autor A.N. Wilson ging noch weiter.

"Unser Premierminister ist ein grinsender, uncharmanter Eumel, unser Erzbischof von Canterbury hat die spirituelle Ausstrahlung einer rohen Kartoffel, und das Haus Windsor ist eine Ansammlung von Langeweilern", schrieb er in einem Zeitungsbeitrag, in dem sich Ernst und Ironie die Waage hielten. "Ich würde der Bande morgen den Laufpass geben und sie durch einen einzelnen königlichen, spirituellen und politischen Führer ersetzen - König Artus."

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